Man sieht die Hände eines Jugendlichen, der ein Smartphone hält. Im Hintergrund sind weitere Jugendliche verschwommen zu sehen.
Im Netz kursieren häufig ungefiltert Videos von Entführungen und Folterungen, die Jugendliche nicht sehen sollten.
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Die Berichterstattung aus Israel über Entführungen, Ermordungen und Folterungen wird begleitet von wirkmächtigen Bildern und Videos. In Nachrichtensendungen und Zeitungen sind diese im Normalfall bewusst und verantwortungsvoll ausgewählt. Anders sieht es aber auf Social Media aus. Auf den dortigen Kanälen werden oft völlig unkontrolliert und unreflektiert Bilder der schlimmsten Gräueltaten geteilt, die dann womöglich unerwartet im eigenen Newsfeed auftauchen. Die israelische Regierung warnt bereits davor, dass Bilder und Videos von Entführungen und Folter im Netz kursieren und man diese nicht teilen solle.

Während viele Erwachsene durch Erfahrung und Wissen solche Darstellungen zumindest einordnen können, sind sie für Kinder und Jugendliche oft sehr verstörend. Solche Videos können sogar traumatisierende Wirkungen auf sie haben. Umso wichtiger ist es, sie – entsprechend ihrem Alter – davor zu schützen beziehungsweise mit ihnen über ihren Medienkonsum zu sprechen.

Während man kleinere Kinder noch ganz gut davor schützen kann, einfach indem man sie entsprechende Bilder nicht anschauen lässt, ist das bei Kindern und Jugendlichen, die bereits ein Smartphone haben, schwieriger. "Man kann den Jugendlichen ihr Smartphone nicht einfach wegnehmen. Das würde auch nichts bringen, am Schulhof sehen sie diese Videos ohnehin", sagt die klinische Psychologin Sabine Völkl-Kernstock. Sie empfiehlt, mit ihnen vorsorglich darüber zu sprechen, noch bevor sie mit solchen grausamen Videos oder Bildern in Berührung kommen.

Gefühle ernst nehmen

Dabei sollte man immer sachlich bleiben, Ereignisse nicht beschönigen, aber auch nicht herunterspielen und so gut es geht die eigenen Gefühle beiseitelassen. "Es ist wichtig, dass man möglichst die Realität erklärt und nicht noch das Drama fördert", sagt Psychiater und Psychotherapeut Hans-Otto Thomashoff. "Kinder haben es schon schwer genug, den Umgang mit ihren eigenen Gefühlen zu lernen, da sollte man sie nicht mit zusätzlichen Gefühlen von außen überfordern, sondern ihnen Sicherheit und Stabilität vermitteln."

Ab welchem Alter man mit Kindern über Themen wie Krieg spricht, ist je nach Kind unterschiedlich. Denn selbst ohne Smartphone schnappen die Kleinen oft Worte wie Krieg oder Folter aus Radio oder Fernsehen auf, die sie womöglich beschäftigen. "Sobald Kinder Fragen stellen, sollte man diese auch beantworten, egal wie alt sie sind", sagt Thomashoff. Wichtig sei dabei, dass man die Antwort an das Alter des Kindes anpasst und die vorhandenen Gefühle ernst nimmt.

Aber auch wenn Kinder und Jugendliche nicht aktiv auf einen zukommen, heißt das nicht automatisch, dass sie keinen Gesprächsbedarf haben. Verschiedene Anzeichen sollten Eltern hellhörig werden lassen, sagt Völkl-Kernstock: "Wenn die Kinder plötzlich unruhig schlafen oder schlecht träumen, kann das ein Signal sein. Manche beginnen auch im Spiel Kriegsszenen nachzuspielen." Eltern könnten dann in das Spiel einsteigen und so das Gespräch suchen. Etwa indem man fragt, was das Kind da gerade spielt und warum.

Um Jugendliche davor zu schützen, ständig mit diesen schrecklichen Bildern konfrontiert zu sein, empfiehlt die Expertin, handyfreie Tage einzuführen: "Diese Bilder verursachen häufig Ohnmachtsgefühle, weil man selber gegen diese Grausamkeiten nichts tun kann. Darum ist es wichtig, regelmäßig und am besten tageweise Pause von der Berichterstattung und den Bildern auf Social Media zu haben." (Jasmin Altrock, 12.10.2023)