Gesicht eines Javaneraffen vor blauem Hintergrund
Für den Versuch wurden Schweinenieren in Javaneraffen (bei Tierversuchen auch Cynomolgus-Affen genannt) transplantiert.
Getty Images/iStockphoto

Seit Jahrzehnten nutzen Medizinerinnen und Mediziner Tiere, um Wirkstoffe zu produzieren. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Insulin: Der Stoff, der vielen Diabetikerinnen und Diabetikern künstlich zugeführt werden muss, wurde aus Bauchspeicheldrüsen von Rindern und Schweinen gewonnen. Selbst ganze Organe wurden bereits Tieren entnommen, um sie Menschen zur Verfügung zu stellen, unter anderem, weil es weltweit zu wenige Spenderorgane gibt. Doch insbesondere bei diesen sogenannten Xenotransplantationen besteht das Risiko, dass der Körper das fremde Organ – noch dazu von einer anderen Spezies – abstößt.

Doch es gibt bemerkenswerte Fortschritte. Erst kürzlich wurde einem 58-jährigen Patienten mit lebensbedrohlicher Herzkrankheit ein Schweineherz implantiert – das zweite Mal in der Medizingeschichte, dass dies ohne sofortige Abstoßungsreaktion gelungen ist. Das erste Mal geschah es im Jänner 2022 (DER STANDARD berichtete). Damals erholte sich der 57-jährige Patient ebenfalls gut von der Operation, verstarb jedoch zwei Monate später, nachdem sich sein Zustand stark verschlechtert hatte. Dazu hatte unter anderem eine Infektion mit einem Schweinevirus geführt, der dem medizinischen Personal bei den Tests nicht aufgefallen war. Gearbeitet wurde hier bereits mit gentechnisch veränderten Organen, die mit niedrigerer Wahrscheinlichkeit für Komplikationen wie Abstoßungsreaktionen sorgen.

Weiße, schwarze und schwarz-weiß gescheckte Schweine
Auch in München wird an gentechnisch modifizierten Schweinen geforscht, deren Organe transplantiert werden können.
REUTERS/Lukas Barth

Nun veröffentlichte eine Forschungsgruppe im Fachjournal "Nature" eine Publikation zu 21 Affen, denen Nieren von gentechnisch veränderten Schweinen implantiert wurden. Bei den Empfängern handelte es sich um Javaneraffen, denen beide Nieren entfernt wurden, bei den Spendern um Yucatan-Minischweine. Die kleinen Organe der kleinen Hausschweinrasse passen besser für Transplantationen in den Körper der ebenfalls eher kleinen Affen, sie sind ähnlich groß wie menschliche Organe.

Leben mit Spendernieren

Das Team um die Genetikerin Wenning Qin vom Pharmaunternehmen E-Genesis liefert damit die bisher umfangreichste präklinische Studie im Forschungsbereich. Und während die Überlebensdauer der Tiere nach vergleichbaren Transplantationen üblicherweise nur in Tagen bis Wochen anzugeben ist, gelang es, dass fünf der 21 Javaneraffen nach dem Eingriff länger als ein Jahr weiterlebten. Der "Rekordhalter" lebte 758 Tage, also länger als zwei Jahre, mit der Schweineniere.

"Das ist sehr beachtlich", kommentiert Eckhard Wolf von der Ludwig-Maximilians-Universität München, der sich selbst mit molekularer Tierzucht befasst, die Studie. Problematisch sei allerdings, dass nach denselben Eingriffen manche Tiere zwar lange überlebten, andere aber nur wenige Wochen. "Die Frage nach der Ursache für diese variablen Ergebnisse bleibt in der Arbeit offen."

Gene ausgeschaltet

Dabei kam die Nobelpreis-prämierte Gen-Schere Crispr/Cas zum Einsatz, die punktgenaue Veränderungen im Erbgut ermöglicht. So kann auch vermieden werden, dass Zoonosen übertragen werden: Bei dieser Studie wurden etwa bestimmte Virusgene aus dem Genom der Schweine entfernt, dafür wurden menschliche Gene eingebaut. Das Ausschneiden von endogenen Schweine-Retroviren (PERV) hatte in dieser Studie keinen signifikanten Effekt auf das Überleben der Nieren, gibt Wolf zu bedenken. Dies gehöre aber zum Geschäftskonzept der Firma E-Genesis, die maßgeblich an der Studie beteiligt war. "Wir halten das nicht für notwendig, da noch nie eine PERV-Infektion beim Menschen beobachtet wurde", sagt Wolf, der selbst Mitgründer einer Biotechfirma namens X Transplant ist.

Mikroskopbild mit bunt leuchtenden, farbig markierten Zellen
Die gentechnisch veränderte Niere, die im Tierversuch 758 Tage lang im Körper eines Javaneraffen funktionierte, unter dem Mikroskop. Die Zellen wurden eingefärbt, in blauer Farbe sind die Zellkerne zu erkennen.
Violette Paragas, eGenesis

Um die Abwehrreaktion zu mindern, wurden außerdem drei Gene ausgeschaltet, die Antigene produzieren, welche menschliche Antikörper attackieren. Außerdem wurden menschliche Gene eingebaut, um das Immunsystem der Affen den Nieren gegenüber weniger aggressiv zu machen. Das dürfte wesentlich zum längeren Überleben der Tiere beigetragen haben. So viele Gene wurden bei ähnlichen Versuchen bisher nie modifiziert. Die Forschungsgruppe ist damit einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu angepassten Schweinenieren für die Transplantation bei Menschen gegangen.

In den nächsten Schritten müssen die Ergebnisse freilich verlässlicher werden und längerfristiger funktionieren. Gerade für die Nieren müssen die Resultate "noch konsistenter werden", sagt Wolf, "für Herzen sind sie das bereits". Bis Spendertiere so dazu beitragen könnten, den Organmangel abzuschwächen, wird es allerdings noch dauern – und auch ethische Diskussionen mit sich bringen. (Julia Sica, 11.10.2023)