Die österreichische Politik ist nicht unbedingt ein Quell erfreulicher Schlagzeilen. Offensichtliche ideologische Unterschiede und abweichende Interessen sorgen immer wieder für Turbulenzen in der Koalition aus ÖVP und Grünen. Unkenrufen und diversen Neuwahlforderungen zum Trotz hat sie dennoch bald vier Jahre ihrer fünfjährigen Legislaturperiode absolviert.

Das heißt aber auch, dass spätestens im Herbst 2024 der Nationalrat neu gewählt werden wird. Ohnehin steht ein Superwahljahr an. Im Bundesland Salzburg und der Stadt Innsbruck werden im Frühjahr die Gemeinderäte neu besetzt, danach folgt die EU-Parlamentswahl, ehe in Vorarlberg und der Steiermark zur Landtagswahl-Urne gebeten wird.

Wer sich bis dahin am Wohnzimmertisch aufwärmen möchte, findet eine Möglichkeit dafür eventuell in einem neuen Brettspiel. "Das politische Talent", erfunden vom Österreicher Lukas Huemer, soll Politik auf unterhaltsame Art und Weise simulieren. Es lässt drei bis sechs Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Wahlkampf gegeneinander antreten und danach um die Regierungsbildung und die Einlösung von Wahlversprechen ringen.

Das Kickstarter-Video zum Projekt.

Austro-Politiker und Austro-Skandale

"Das politische Talent" setzt auf eine Mischung aus Aktionskarten und Kandidaten mit unterschiedlichen Stärken, die man für die eigene Partei ins Rennen schicken kann. Dabei gibt es mit Persönlichkeiten wie "Andi Blabla", "Brigitte Bierchen" oder "Karl Schmähammer" offensichtliche Anlehnungen an die Austro-Politbühne. Auch aufdeckbare Skandale haben einschlägige Vorbilder.

Entwickelt wurde das Spiel von Huemer, der sich selbst als "Politiknerd" deklariert, über einen Zeitraum von drei Jahren. Investiert hat er dafür seine Freizeit, hauptberuflich ist er im Marketing eines großen Unternehmens tätig.

Kandidaten-Karten von
Kandidaten-Karten aus dem Spiel.
Lukas Huemer

Nach dem Wahlkampf ist vor dem Wahlkampf

Spielziel ist es, die meisten Siegpunkte über Wahlergebnisse, Regierungsbeteiligung und eingelöste Versprechen zu sammeln. Das Spiel läuft dabei in drei Phasen ab, die sich dreimal wiederholen.

Zunächst versuchen die angehenden Politikerinnen und Politiker im Wahlkampf möglichst viele Sitze im Parlament zu erobern, das hier 60 statt 183 Abgeordnete fasst. Aus Gründen der Spielbalance lässt sich allerdings keine absolute Mehrheit erringen, sondern maximal 26 Mandate pro Partei. Damit ist trotz der kompetitiven Ausrichtung des Spiels stets auch ein gewisses Maß an Kooperation erforderlich.

Danach geht es um die Regierungsbildung, die zwei oder mehr Teilnehmer zur Formung einer Koalition verlangt. Ebenso wie im Wahlkampf spielt hier die ideologische Ausrichtung der eigenen Partei eine Rolle, die sich jeweils aus drei Kernthemen zusammensetzt, die sich auch überschneiden können.

Die dritte Phase wiederum besteht aus drei Runden, die für Aktionen genutzt werden. Hier kann man Wahlversprechen zur Abstimmung bringen, wobei Oppositionsparteien je nach eigenem Interesse mitstimmen oder die Regierung sabotieren können. Ebenso kann man bereits die Weichen für den nächsten Wahlkampf stellen, etwa mit Imagekampagnen oder dem Aufdecken von Skandalen bei den Gegnern. Die Stärken der unterschiedlichen Spitzenkandidaten wirken sich bei der Verwendung von Aktionskarten aus, indem sie Boni auf Würfelergebnisse geben.

Wer gegen Spielende bei den Siegpunkten führt, könnte sich einer strategischen Blockade durch die anderen Parteien ausgesetzt sehen. Einen Ausweg bietet hier ein letzter Wahlkampf am Spielende, dessen Sieger mit fünf Siegpunkten belohnt wird.

Spielaufbau von Das politische Talent
Spielaufbau von "Das politische Talent".
Lukas Huemer

Kickstarter-Kampagne

"Das politische Talent" ist zwar primär als Unterhaltung gedacht, hilft aber auch dabei, politische Prozesse besser zu verstehen, erklärt Huemer gegenüber dem STANDARD. Das Game mache auch begreifbar, warum es in der Politik häufig zu Abmachungen kommt, die nach außen oft als "Kuhhandel" wahrgenommen werden.

Derzeit läuft für das Spiel eine Finanzierungskampagne auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter. Diese läuft bis 31. Oktober mit einem Zielbetrag von mindestens 27.000 Euro. Unterstützer können sich um 48 Euro eine Ausgabe des Spiels reservieren, die nach aktuellem Plan im Februar kommenden Jahres ausgeliefert werden soll. Für 60 Euro wird eine "Deluxe"-Edition versprochen, die sechs personalisierbare Karten für Kandidatinnen und Kandidaten der Parteien mitbringt.

Im Anschluss an die Finanzierungskampagne soll das Brettspiel auch regulär in den Handel kommen. Das – oder der Vertrieb mithilfe eines Verlags – wäre auch Huemers Plan B, wenn das Finanzierungsziel auf Kickstarter verfehlt werden sollte. Eine digitale Version des Spiels ist für den Erfinder "vorstellbar", der Fokus liegt aktuell jedoch auf der Umsetzung der analogen Fassung. (Georg Pichler, 14.10.2023)