Felix Hnat, Obmann der Veganen Gesellschaft, privater Spitzname "Garfield", liebt die vegane Lasagne seiner Mutter.
vegan.at/ Dani Deml

Es begann klein und überschaubar als veganes Sommerfest. Tierschutzaktivisten und -aktivistinnen schlugen 1998 auf dem Wiener Stephansplatz auf. Ein Jahr später gründeten sie die Vegane Gesellschaft Österreich, die seither die Veganmania organisiert. Das Streetfoodfestival begeht an diesem Wochenende seinen 25. Geburtstag auf dem Wiener Rathausplatz. Ein guter Grund, um mit Felix Hnat, Obmann der Organisation, über den Hype um den veganen Lebensstil zu sprechen.

STANDARD: Wann haben Sie Ihr letztes Schnitzel verspeist?

Hnat: Das kann ich Ihnen genau sagen. Am vergangenen Sonntag beim Tierschutzlauf habe ich eine vegane Schnitzelsemmel vom Jablonski gegessen. Er hat uns dort verköstigt.

STANDARD: Eigentlich war das letzte fleischliche Schnitzel gemeint ...

Hnat: An das genaue Datum erinnere ich mich nicht, ich lebe seit über zwanzig Jahren vegan. Damals habe ich lieber Würstel gegessen – hier und da hatte ich im Schnitzel Flachsen drin, die waren mir suspekt. Das vegane Schnitzel kann ich mehr genießen, weil mir damit so was nicht passieren kann.

STANDARD: Das vegane Schnitzel hat also dem fleischlichen Schnitzel etwas voraus!

Hnat: Wenn's um die Flachsen geht, schon.

STANDARD: Wie nah kommt der Geschmack veganer Produkte an den von Fleisch heran?

Hnat: Das hat sich sehr verändert. Vor zwanzig Jahren gab es gerade einmal Seitan und Tofu, heute eine Vielfalt an Produkten: Die einen haben einen eigenständigen Charakter, die anderen schmecken deftig, haben aber eine andere Konsistenz. Und dann gibt es vegane Lebensmittel, bei denen man kaum mehr einen Unterschied schmeckt. Bei einem Steak mit vollen Muskelteilen schmeckt man natürlich die Unterschiede. Bei Burgerpattys oder Chicken Nuggets hingegen erkennt die niemand mehr.

STANDARD: Soll es überhaupt darum gehen, Schnitzel oder Würstel zu imitieren? So als sei Fleisch das Nonplusultra ...

Hnat: Es gibt viele Menschen, die vegan leben und den Geschmack von Fleisch gar nicht mögen und mehr Gemüse essen. Wir wissen aber aus der Marktforschung und der Erfahrung, dass flexitarisch lebende Menschen den deftigen Geschmack vermissen. Wir Menschen sind ja Gewohnheitstiere, wir mögen am liebsten das, was wir aus der Kindheit kennen. Insofern können vegane Fleischalternativen eine gute Möglichkeit sein, etwas Gutes für die Umwelt oder die Tiere zu tun, ohne den Geschmack umpolen zu müssen.

STANDARD: Sie leben seit über zwei Jahrzehnten vegan, damals gehörten Sie zu einer absoluten Minderheit. Heute gibt es sogar im Sacher ein veganes Schnitzel, der Leberkaspepi bietet nun auch vegane Produkte an. Was hat sich dadurch für Sie verändert, kochen Sie weniger?

Hnat: Ich muss gestehen, dass ich noch nie viel gekocht habe. Ich war immer viel unterwegs. Verändert hat sich das Körpergewicht – es ist heute gar nicht so leicht, den vielen veganen Versuchungen zu widerstehen. Es ist alles komfortabler geworden, ich kann beim Spar die vegane Leberkässemmel zum Frühstück kaufen, mir am Bahnhof bei Dunkin' Donuts vegane Donuts besorgen, in der Faschingszeit gibt's überall vegane Krapfen. Aber der Trend geht natürlich auch hin zu Convenience-Produkten. Und die sind nicht unbedingt gesünder.

STANDARD: Convenience ist außerdem teuer ...

Hnat: Richtig. In Zeiten der Inflation werden die hochpreisigen Produkte noch teurer. Die Leute sparen und kochen möglicherweise auch mehr.

STANDARD: Ihr liebstes veganes Gericht?

Hnat: Meine Freunde nennen mich Garfield, weil ich rote Haare und ein bissl einen Bauch habe und so gerne Lasagne esse. Ich mag sehr gern die Linsenlasagne meiner Mutter. Sie schmeckt mir auch auf Basis von Sojagranulat, das wie Faschiertes schmeckt. Viele wissen gar nicht, dass Soja in Österreich die viertwichtigste Feldfrucht ist. Die Qualität von heimischem Soja ist sensationell.

STANDARD: Haben Sie Ihre Mutter zur pflanzlichen Lebensweise bekehrt?

Hnat: Bekehrt habe ich sie nicht. Sie hat sich vor etwa zehn Jahren aus eigener Motivation für pflanzliche Lebensmittel entschieden. Ich möchte generell niemanden bekehren, sondern Alternativen aufzeigen. Dann muss jeder und jede für sich selbst entscheiden.

STANDARD: Was empfehlen Sie Einsteigerinnen?

Hnat: Sich keinen Druck zu machen. Als ich begonnen habe, habe ich für ein Jahr immer mal wieder nichtvegane Ausnahmen gemacht, zum Beispiel bei meiner Oma. Es ist wichtig, das eigene Tempo zu finden. Der Veganuary wäre übrigens auch eine gute Zeit, um die pflanzliche Ernährung auszuprobieren – wir werden Anfang 2024 Tipps dazu geben.

STANDARD: Wie streng vegan leben Sie selbst? Trinken Sie Wein, der nicht explizit als vegan ausgewiesen ist?

Hnat: Ich fühle mich sehr wohl damit, konsequent zu sein. Hätte ich allerdings einen schweren Unfall und läge im Krankenhaus, würde ich wahrscheinlich nicht nachfragen, ob ein Medikament an Tieren getestet wurde.

STANDARD: Gibt es hinsichtlich der pflanzlichen Lebensweise ein Stadt-Land-Gefälle?

Hnat: Ich verbringe viel Zeit im Salzkammergut, weil ich in den Sommerferien am Attersee als Tauchlehrer arbeite. Das Salzkammergut ist schon ein anderes Pflaster als der siebente Bezirk in Wien. In den Supermärkten gibt es natürlich auch dort eine große Auswahl, weil vegane Produkte auch von flexitarischen Menschen gekauft werden. In den Landwirtshäusern oder Skihütten sieht die Sache anders aus. Ich war zuletzt in Ischgl, da wurde selbst in hochpreisigen Hütten kein veganes Gericht angeboten. Wobei es in Tirol eine vegetarische Hütte gibt – und in Niederösterreich. Die Zeiten ändern sich. Wenn man sich die Versorgungsbilanzen der Statistik Austria ansieht, wird in Österreich pro Jahr pro Kopf ein Kilo weniger Fleisch gegessen als im Jahr zuvor.

STANDARD: Warum reicht der Vegetarismus nicht aus?

Hnat: Was heißt nicht ausreichen? Auch die vegetarische Lebensweise würde eine sensationelle Verbesserung des Status quo bedeuten. Ich persönlich fühle mich aber vegan lebend am wohlsten. Ich zitiere da gern einen Biolandwirt, der einmal vor langer Zeit zu mir gesagt hat: "Ohne Fleisch keine Milch." Er hat mir dann erklärt, dass die Kalbfleischproduktion untrennbar mit der Milchproduktion verbunden ist.

STANDARD: Gibt es noch Menschen, die Fleisch essen, in Ihrem Umfeld?

Hnat: Natürlich, meinen Vater, aber auch Schulfreunde. Durch meinen Job als Tauchlehrer bin ich außerdem in einem anderen, fleischessenden Umfeld unterwegs. Dort war ich als Veganer, der noch dazu keinen Alkohol trinkt, suspekt.

STANDARD: Dumme Sprüche gibt es sicher auch noch?

Hnat: Na klar, besonders am Land ist das noch ein Thema. Aber ich bin der Meinung: Durchs Reden kommen die Leute zusammen.

Spezialität des Streetfood-Festivals Veganmania: Produktneuheiten von Start-ups.
vegan.at/ Kerstin Brueller

STANDARD: Die Veganmania hat 1998 als Sommerfest begonnen und ist heute ein Streetfoodfestival. Was gibt es da, was man im Supermarkt nicht findet?

Hnat: Neben Konzerten, Hüpfburgen, Kinderprogramm gibt es gastronomische Angebote und vor allem Produktneuheiten. Viele Start-ups werden bei uns entdeckt, manche werden ins Programm der Supermärkte aufgenommen.

STANDARD: Das letzte vegane Produkt, das Sie aus den Socken gehaut hat?

Hnat: Die Lasagne, die es jetzt in den Kühlregalen gibt, die schmeckt mir sehr gut.

STANDARD: Ist die etwa so gut wie die von Mama?

Hnat: Sie ist schon sensationell, aber an die kommt sie natürlich nicht heran. Aber wo ich schon dabei bin: Eine Zeitlang gab es bei einer Bäckereikette einen sehr guten veganen Burger, den ich mir in der Früh gekauft habe ...

STANDARD: Einen Burger zum Frühstück?

Hnat: Ich mag es gerne deftig. Texmex-Tascherln oder ein Zwetschkeneck esse ich übrigens auch gern. Oder tiefgekühlte Marillenknödel. Aber je älter ich werde, desto mehr genieße ich am Abend einen Salat mit Bohnen, Räuchertofu und einem selbstgemachten Dressing.

STANDARD: Wie veganfreundlich ist Wien?

Hnat: Berlin, London und Wien sind hinsichtlich des veganen Angebots ganz vorneweg. Auch Warschau ist durchaus interessant – und die skandinavischen Länder. Aber insgesamt ist der Trend "weg vom Fleisch" in ganz Europa zu beobachten.

STANDARD: Oft stammen diese Produkte nicht aus biologischer Landwirtschaft oder überhaupt von Großbetrieben. Wie gehen Sie mit diesem Widerspruch um? Steht Tierwohl über Klimaschutz?

Hnat: Meiner Beobachtung nach liegt die Bioquote bei allen Produkten bei rund 30 Prozent. Bei den veganen Produkten ist die Quote meinem Empfinden nach höher. Auch weil sich die urbane, einkommensstarke, problembewusste Zielgruppe stark mit der Bio-Zielgruppe überschneidet. Aber es gibt natürlich auch einzelne Produkte mit einem starken Markennamen, die konventionell hergestellt sind. Die suchen sich Kritiker und Kritikerinnen gern als widersprüchliche Beispiele heraus. Der Ernährungsökologe Martin Schlatzer sagt klipp und klar, dass der Großteil des Impacts der Lebensmittel von der Frage "Tierprodukt oder nicht?" abhängig ist. Oder, anders gesagt: Ein durchschnittliches nichtregionales, nichtbiologisches veganes Produkt ist, wenn es um den Klimawandel geht, um den Faktor vier besser als ein regionales, biologisches Fleischprodukt. Schlatzer sagt übrigens auch: Würden wir in Österreich nur 20 Prozent weniger Fleisch essen, könnten wir von den Futtermittelimporten aus dem Regenwald loskommen.

STANDARD: Momentan leben in Österreich etwa zwei Prozent der Bevölkerung vegan. Da wäre noch Luft nach oben, oder?

Hnat: Das stimmt, aber der Fleischkonsum sinkt seit zehn Jahren kontinuierlich, nämlich um ein Kilo pro Jahr pro Person. Viele wollen sich auch nicht in die Schublade vegan einordnen lassen, weil das so radikal klingt. Aber etwa 40 Prozent der Menschen reduzieren ihre Tierprodukte Schritt für Schritt – das ist für mich die relevante Zahl.

STANDARD: Ist die vegane Lebensweise in der Mitte der Gesellschaft angekommen?

Hnat: Na ja, längst nicht alle leben vegan. Aber immerhin wissen fast alle, was vegan bedeutet, jeder kennt einen Veganer oder eine Veganerin, die Vorbehalte sind geringer als in meinen Anfängen. Die pflanzenbasierte Lebensweise ist um den Faktor 20 normaler als vor 20 Jahren. Frauen essen übrigens durchschnittlich weniger Fleisch und sind aufgeschlossener, wenn es um vegetarisch-vegane Ernährung geht. Im Tierschutz ist das Geschlechterverhältnis ausgeglichener.

STANDARD: Was halten Sie von Wirten, die keine veganen Speisen anbieten wollen?

Hnat: Jedem das seine. Aber wenn man sich das Essverhalten der Menschen ansieht und in Zukunft gastronomisch erfolgreich sein will, sollte man sich dem nicht verschließen. Es fordern auch viele Gastronomen eine vegane Kochlehre. In 20, 30 Jahren wird man mit einer reinen Fleischküche niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken.

STANDARD: Wie könnte die vegane Kochlehre die Gastronomie verändern?

Hnat: Die Branche leidet unter einem Fachkräftemangel. Viele junge Menschen haben uns kontaktiert, sie würden gern was machen, sie müssten aber in der Kochlehre Fleisch essen und in einem Fleischbetrieb arbeiten. Man verliert etwa 20 bis 30 Prozent an jungen Menschen, die deshalb diesen Beruf nicht ergreifen wollen. Die würde man möglicherweise gewinnen, sie würden die Speisekarten verändern.

STANDARD: Was unterscheidet die jungen Veganerinnen und Veganer von den Pionieren und Pionierinnen?

Hnat: Als ich begonnen habe, habe ich wahrscheinlich jeden Veganer, jede Veganerin in Österreich gekannt. Ich weiß nicht, ob es hier um die Jahrtausendwende mehr als 100 vegan lebende Menschen gab – und die waren im Tierschutz aktiv. Heute besuchen etwa 15.000 Menschen am Tag unsere Veranstaltungen, es ist außergewöhnlich, wenn ich mal jemanden kenne.

STANDARD: Wie gewinnt man junge Menschen für die vegane Ernährung?

Hnat: Wir versuchen ganz unterschiedliche Zielgruppen für die pflanzenbasierte Ernährung zu begeistern. Wir arbeiten mit Supermärkten zusammen, probieren Streetfoodfestivals und Messen aus oder kooperieren mit berufsbildenden Schulen. Man muss für Menschen Angebote schaffen, die für ihre Lebenssituation attraktiv sind. Ganz einfach eigentlich. (Anne Feldkamp, 7.10.2023)

Das Streetfoodfestival "Veganmania" findet noch bis zum 8. Oktober auf dem Wiener Rathausplatz statt.