Nehammer und Kogler
Im Krisenmodus: Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne).
APA/ROLAND SCHLAGER

Diese Koalition hat sich offenbar schon selbst aufgegeben. Die Schuld daran kann man getrost der ÖVP zuschieben. Die Grünen sind hier nur Passagier und schauen traurig drein. Wäre Zeit, dass sie auch einmal wütend werden und Klartext sprechen. Diese Duckmäuserei steht den Grünen nicht gut.

Der Plan der ÖVP, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss gegen alle anderen Parteien einzusetzen, ist in vielerlei Hinsicht dreist. Für wie dumm mag die Volkspartei die Bevölkerung (und die Medien) halten, wenn sie zu vermitteln versucht, alle Parteien mit zum Teil nur peripherer Regierungsbeteiligung hätten Dreck am Stecken, nur sie nicht? Ein aufwendiges, aber sehr plumpes Ablenkungsmanöver von den eigenen Fehlern, vom eigenen Versagen, vom fehlenden Plan. Und von der fehlenden Überzeugung, mit Inhalten noch überzeugen zu können. Der Hamburger-Sager von Kanzler Karl Nehammer setzt ihm und seiner Partei mehr zu, als sie zugeben wollen.

Dass sich Leistung lohnen soll und dass die Tüchtigen mehr haben und bekommen sollen, darüber kann man diskutieren, das lässt sich gerade von der ÖVP politisch argumentieren. Das herablassende Benehmen, das Nehammer und seine Mitstreiterinnen an den Tag legen, wenn sie den Armen ihre Armut und Unzulänglichkeit vorhalten, ist aber jenseitig. Es ist nicht nur der Inhalt, es ist auch dieser verächtliche Ton, der es so schwer macht, in die Diskussion einzusteigen.

Missbrauch der parlamentarischen Instrumente

Auch dieser Antrag auf Einsetzung eines U-Ausschusses ist von Präpotenz getragen. Es ist ein Missbrauch der parlamentarischen Instrumente. Die ÖVP will als Regierungspartei mit der Überzahl ihrer Abgeordneten ein Minderheitenrecht kapern. Tatsächlich kann sie mit ihrer Mehrheit von 71 Abgeordneten (die sie im Wesentlichen Sebastian Kurz zu verdanken hat und die keineswegs die politische Stimmungslage im Land widerspiegeln) allein und gegen alle anderen einen Ausschuss durchsetzen – und dort untersuchen lassen, was ihr gefällt.

Allein schon der vorgesehene Untersuchungsgegenstand zeigt, wie wenig ernst die ÖVP das Parlament und seine Spielregeln nimmt. Allen anderen Machtmissbrauch zu unterstellen und sich selbst dabei herauszunehmen ist gelinde gesagt frech. Geradezu obszön.

Die Grünen demütigen sich mit ihrem Verhalten selbst. Sie spielen diesen Affront herunter, weil sie kein Interesse daran haben, dass die Regierung jetzt zerbricht. Sie schlucken alles brav herunter. Was man ihnen positiv auslegen könnte: Sie haben noch Hoffnung, etwas bewegen zu können. Offen wäre einiges. Wichtige Postenbesetzungen, die im Manöver des schwarz-grünen Abtauschs hängen geblieben sind. Längst überfällig und ausreichend wichtig wäre das Klimaschutzgesetz. Längst überfällig ist auch ein Informationsfreiheitsgesetz. Hätte sich die ÖVP hier schon bewegt, wäre auch dieser U-Ausschuss hinfällig. Dann wären die Aufträge, Studien und Geschäfte, denen die ÖVP jetzt nachspüren will, längst öffentlich.

Wofür taugt diese Regierung noch? Ehe wir allzu lange darüber nachdenken müssen, könnte die Regierung selbst eine Antwort darauf geben. Sie muss vom Taktieren, vom Tarnen und Täuschen wieder ins Handeln kommen. Miteinander. Nicht gegeneinander. Sonst brauchen wir sie nicht. (Michael Völker, 3.10.2023)