Abiy Ahmed ist wohl der umstrittenste Friedensnobelpreisträger. Er führt an drei Fronten im eigenen Land Krieg.
AFP/AMANUEL SILESHI

Äthiopiens Regierungschef Abiy Ahmed ist von seiner außergewöhnlichen Bestimmung überzeugt. Der wiedergeborene Christ hält sich, wenn nicht für den Messias, so doch zumindest für einen Moses seines Landes. Seine Mutter habe ihm geweissagt, der "siebte König Äthiopiens" zu werden, teilte der Premierminister einst mit. Eine etwas unverständliche Prophezeiung, wo doch der letzte Monarch Heile Selassie der 225. Herrscher nach Menelik I., dem Sohn des biblischen Königs Salomon und der legendären Königin Saba, gewesen sein soll.

Egal. Jedenfalls hat sich Abiy vorgenommen, sein altertümliches Königreich in einen modernen Staat zu verwandeln. Dafür geht der Friedensnobelpreisträger auch über Leichen: Nach den Waffengängen gegen Tigray und die militanten Angehörigen des Oromo-Volkes führt der Premierminister derzeit einen dritten Feldzug, diesmal gegen nationalistische Amharer. Von allen 140 Empfängern der Auszeichnung des Dynamitherstellers Alfred Nobel hat Abiy den Preis gewiss am wenigstens verdient.

Zoo und Automuseum statt Palast

Dagegen verdient der mit 47 Jahren jüngste Regierungschef des Kontinents natürlich eine angemessene Unterkunft. Und das muss für den siebten äthiopischen König schon ein Palast sein. Nun verfügt die Hauptstadt Addis Abeba bereits über zwei Königspaläste: Doch die hat Abiy bereits in einen Zoo oder will sie noch in ein Automuseum verwandeln.

So deutete der Herrscher den über der Hauptstadt gelegenen Yeka-Wald aus, wo auf 500 Hektar neben dem Palast auch ein Luxushotel, drei künstliche Seen, eine Seilbahn und noch ein Zoo entstehen sollen. 500 Hektar – das sind mehr als die Fläche des Schlosses Windsor, des Versailler Schlosses, des Weißen Hauses, des Kreml und der Verbotenen Stadt zusammen. Sie hätten über den Flurfunk erfahren, dass das Yeka-Projekt fast eine Milliarde US-Dollar verschlingen werde, schnitten einige mutige Abgeordnete das Thema im Parlament an. "Genau genommen zehn Milliarden", wurden sie vom Premierminister berichtigt. Die Gesetzgeber sollten sich jedoch keine Sorgen machen: Er selbst werde die gesamte Summe – die zwei Drittel eines Jahresbudgets des ostafrikanischen Staates ausmacht – aus auch ausländischen privaten Quellen beschaffen.

Ob das die gut 120 Millionen Äthiopier beruhigen wird, von denen viele am Hungertuch nagen und in Tigray bereits zu Tausenden den Hungertod gestorben sind? Sie sehen sich wegen der Kriege mit wirtschaftlichen Verlusten in Höhe von 28 Milliarden und mit Wiederaufbaukosten von 20 Milliarden US-Dollar konfrontiert. Die Inflation liegt bei 37 Prozent, die Waffengänge haben weit über fünf Millionen Menschen um ihr Zuhause gebracht. (Johannes Dieterich aus Johannesburg, 29.9.2023)