Am 15. September dieses Jahres war – wie jedes Jahr am dritten Freitag im September – Park(ing) Day: Parkplätze werden für einen Tag umgenutzt und verwandeln sich kurzfristig in Grünstreifen, Spielplätze oder Orte für den Nachbarschafts-Kaffeeklatsch. Damit soll darauf aufmerksam gemacht werden, wie viel öffentlicher Raum exklusiv den (stehenden) Autos gewidmet ist. Der Weg zum Kaffee am Parkstreifen ist allerdings herausfordernd: Der Bescheid für die nachmittägliche Umnutzung des Parkplatzes schreibt unter anderem massive Absperrungen vor, genauso müssen eine Halteverbotszone unter polizeilicher Absegnung eingerichtet und diverse Berichtspflichten erfüllt werden. Vom ursprünglichen Antrag (es waren Illustrationen inklusive Umgebungsbezug gefordert, um das – offenbar völlig unvorstellbare – Nutzungsszenario des Zusammentreffens von Nachbarinnen und Nachbarn in Liegestühlen auf einem Parkplatz darzustellen) ganz zu schweigen.

Autos parken in Wien
Die Nutzung von Parkplätzen in Wien ist nur fürs Parken günstig. Teuer wird es hingegen, wenn man die Fläche für etwas anderes als das Abstellen eines Autos nutzen will.
Christian Fischer

Alles außer Parkplatz ist Blasphemie

Hat man den Magistrats-Hürdenlauf gemeistert, folgt die nächste Überraschung in Form der Rechnung. Eine Genehmigung für ein Halteverbot in Parkplatzlänge für acht Stunden kostet rund 70 Euro und damit um 250 Prozent mehr als das Abstellen eines gleich großen Autos per Kurzparktarif (2,50 Euro pro Stunde). Man versteht an diesem Punkt, warum Menschen auf die Idee kommen, fahrbereite Kfz in Blumenbeete umzuwandeln. Insbesondere, da bei dauerhafter Blockierung des öffentlichen Raums mit dem eigenen Auto die Stadt nochmals tief in die Sonderangebotskiste greift: Per Parkpickerl kostet ein öffentlicher Parkplatz in Wien gerade mal 30 Cent pro Tag.

Nur das Parkpickerl wird billiger

Dieses absurd anmutende Preisgefälle hat die Stadt Wien in den letzten Jahren selbst vorangetrieben. Zwischen 2008 und 2023 wurden die Kanalgebühren um insgesamt rund 39 Prozent und die Wassergebühren um rund 65 Prozent erhöht. Das Dauerparken via Parkpickerl hingegen verbilligte sich um elf Prozent. Der Baukostenindex für den Straßenbau stieg im gleichen Zeitraum um über 50 Prozent. Von der Himmelfahrt der Bodenpreise in Wien ganz zu Schweigen. Und dennoch sanken die im Wesentlichen von Bau- sowie Erhaltungskosten abhängigen Parkgebühren gleichzeitig um elf Prozent.

Umverteilung auf Geisterfahrt

Sachlich ist diese klaffende Preisschere also nicht erklärbar. Aber vielleicht ist es eine Angelegenheit der sozialen Gerechtigkeit? Eine Umverteilung wäre schließlich vorhanden, sie spielt im konkreten Fall allerdings Geisterfahrer. Denn umverteilt wird von allen Bürgerinnen und Bürgern auf wenige (Pkw-)Besitzende: Schließlich hat in den inneren Bezirken die Mehrheit der Haushalte keinen Pkw. Allen Haushalten höhere Infrastrukturgebühren aufzubürden, um billigeres Dauerparken für Autobesitzerinnen und -besitzer zu finanzieren: Bei dieser Taktik können soziale Beweggründe als Motivation wohl genauso ausgeschlossen werden wie sachliche – es bleibt also nur die Liebe der aktuellen Stadtregierung zum Pkw als plausibelste Erklärung.

Blick über den Tellerrand

Dies ist besonders erstaunlich, als dass sich sogar im Land der unbegrenzten Autobahnen inzwischen das Bewusstsein durchsetzt, dass öffentlicher Grund und Boden nicht zum Beparken hergeschenkt werden darf. Insbesondere wenn rundherum kaum Grünflächen und öffentlicher Raum für die Allgemeinheit zur Verfügung steht. In Tübingen werden inzwischen SUVs mit höheren Dauerparkgebühren zur Kasse gebeten als "normale" Pkws. In Freiburg Freiburg soll zukünftig für Kleinwägen 240 Euro pro Jahr zu bezahlen sein, für XL-Pkw über 4,70 Meter Länge hingegen 480 Euro – ein erster Schritt, um die gesellschaftlichen und räumlichen Kosten der SUV-Schwemme in Innenstädten einzupreisen. In Wien hingegen kostet das Parkpickerl auch für XXL-SUVs weiterhin 120 Euro. Bei einer Länge von knapp 5,5 Metern macht dies 90 Cent pro Quadratmeter. Ein in Wien absolut konkurrenzloser Bodenpreis. Kostendeckend ist das Anwohnerparken unter Berücksichtigung von Asphaltierung, Wartung der Stellfläche, Reinigung und Überwachung daher schon lange nicht mehr. Die Kosten trägt – wieder – die Allgemeinheit.

Valorisierungslogik mit blinden Flecken

Kanalgebühren, Wassergebühren, Müllabfuhr sowie Kurzparkscheine werden seit 2007 aufgrund landesgesetzlicher Regelungen grundsätzlich jährlich indexiert (außer die Politik setzt die Indexierung aus). Dieser Automatismus wurde eingeführt, da sich die Politik ohne verbindliche Regelung damit schwertat, den Bürgerinnen und Bürgern aka Wählerinnen und Wählern Gebührenerhöhungen zuzumuten. Damit wurden jahrzehntelang Gebühreneinnahmen verschleppt, bis die tatsächlichen Kosten in keinster Weise mehr abgedeckt waren. Es wurde also eine gesetzliche Basisregelung geschaffen, um die Schwäche von Politikerinnen und Politikern angesichts von unbeliebten – aber notwendigen – Indexierungen unter Kontrolle zu bekommen. Allerdings verschonte man das heilige Blech der Wienerinnen und Wiener: Das Parkpickerl fand seinen Weg nicht in das Valorisierungsgesetz.

Auch die heilige Kuh ist zu valorisieren

Die Folge: Die Schwäche der Politikerinnen und Politiker im Allgemeinen und die Liebe der SPÖ zum Pkw im Speziellen fanden zusammen und betonierten den Preis fürs Dauerparken ein. Bizarrerweise wurde das Parkpickerl sogar billiger: Waren 2008 jährlich noch 135 Euro fällig, sind es heute 120 Euro. Der Stellplatz für das Auto wurde endgültig abseits aller sozialer und sachlicher Logik zum Opium des Volkes. Die Misere der fehlenden Indexierung wird andauern, solange das Parkpickerl nicht Teil des Valorisierungsgesetzes ist. Denn ohne gesetzlichen Automatismus der Indexierung scheitert jegliche Erhöhung der Parkpickerl-Preise an der Furcht der Politikerinnen und Politiker vor den (Wut-)Bürgerinnen und Bürgern. Es wird also wieder Zeit, dass die Politik ihre eigene Schwäche erkennt und das Parkpickerl dorthin parkt, wo es hingehört: ins Valorisierungsgesetz – aber bitte erst nachdem die versäumten Indexierungen der letzten Jahrzehnte nachgeholt wurden.

Park(ing) Day: In Trippelschrittchen zur Raumgerechtigkeit

Bis zur Raumgerechtigkeit ist es in Wien aber auch abseits der überfälligen Kostenwahrheit beim Laternenparken ein weiter Weg. Es hilft nur ein langer Atem, gepaart mit ein wenig Idealismus und Aktionismus – wie der Park(ing) Day. Für uns hat sich der eingangs beschriebene 70 Euro teure Spießrutenlauf trotz aller damit verbundenen grauen Haare ausgezahlt. Rund 20 Nachbarinnen und Nachbarn unserer kurzen Gasse fanden sich für einige Stunden rund um eine Tafel zusammen, um in der Parkspur Kaffee zu trinken und sich kennenzulernen. Ganz ohne Wiener Grant, dafür mit umso mehr Wiener Schmäh und gemeinsamer Begeisterung dafür, endlich mal vor den Häusern sitzen zu können. Dabei ist die Runde durchaus bunt: Im Alter von zwei bis 85, von Studentinnen bis Pensionisten, von wohlhabend bis bescheiden, von Urgestein des Grätzels bis Expat. Es zeigte sich wieder einmal: Dort, wo normal ein Auto parkt, könnte man die Stadt für viele Menschen lebenswerter machen. Denn öffentlicher Raum verbindet die Gesellschaft – wenn er für Menschen und nicht für Autos gemacht ist. (Stefan Waschmann, 29.9.2023)