Im Gastblog betrachtet der Wirtschaftsgeograf Jürgen Braunstein das Verhältnis zwischen erneuerbaren Energiequellen und Sicherheitspolitik.

Der Übergang zu erneuerbaren Energiequellen ist entscheidend, um den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren und dem Klimawandel entgegenzuwirken. Darüber hinaus wird die Energiewende immer mehr verknüpft mit wirtschafts- und sicherheitspolitischen Agenden – zuletzt hervorgehoben durch Fatih Birol, den Chef der Internationalen Energiebehörde. Diese Verknüpfungen finden nicht nur auf internationaler Ebene statt.

Die diesjährige Ausgabe der Kommunalen Sommergespräche in Altaussee – eines Forums für kommunale Zukunftsthemen des Gemeindebundes und der Kommunalkredit – stand unter dem Titel "Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaftswandel". Ein Schwerpunkt lag dabei auf Geopolitik und Energiewende. Dabei kam auch der Zusammenhang zwischen erneuerbaren Energien und Frieden zur Sprache.

Es werden hohe Erwartungen in die Energiewende gesteckt. In einer kürzlich durchgeführten empirischen Studie in der Fachzeitschrift "Nature" haben Forscher:innen der WU Wien und der Uni Erfurt die Annahme infrage gestellt, dass erneuerbare Energien auch zum internationalen Frieden beitragen, eine Hypothese, die in der Literatur diskutiert wird.

Auswirkungen auf Frieden?

Eine weitverbreitete Annahme in der Literatur ist, dass erneuerbare Energiesysteme lokale Gemeinschaften und Individuen stärken und somit einen von unten nach oben gerichteten Impuls für Partizipation und Demokratie bewirken. Durch den dezentralen Charakter von Wind- und Solaranlagen könnten erneuerbare Energieinfrastrukturen dazu beitragen, Gleichheit und Wohlstand zu erhöhen, da die wirtschaftlichen Vorteile im Vergleich zu zentralisierten fossilen Energiesystemen, von denen vor allem Unternehmen und Regierungen profitieren, breiter verteilt werden. Der Fokus dieser Annahme liegt auf einer veränderten politischen Ökonomie der Machtverteilung im Inland und auf sich wandelnden Zielen von Akteur:innen, die möglicherweise konfliktanfällig sind.

Turm, Solarpaneele
In Israel wird mit konzentrierter Solarturmtechnologie gearbeitet.
Stockstudio/stock.adobe.com

Die Ergebnisse der Studie werfen Zweifel an der direkten Auswirkung erneuerbarer Energien auf den Frieden auf und betonen die Bedeutung von kontextspezifischen Faktoren. Eine Reihe von Datensätzen über lokale und globale Konflikte sowie globale Projektfinanzierungen von erneuerbaren Energiesystemen ermöglichen es, eine zeitliche Sequenzierung über die letzten 30 Jahre vorzunehmen, und geben erste Rückschlüsse auf einen Zusammenhang zwischen Frieden und erneuerbaren Energien.

Abhängig von Ausgangsbedingungen

Es macht einen Unterschied, ob erneuerbare dezentrale Energiesysteme in einer konfliktanfälligen Umgebung oder in einer politisch stabilen Umgebung eingesetzt werden. In separatistischen Regionen könnten dezentrale Energiesysteme eine neue Quelle für Einnahmen und Macht schaffen, die zur Finanzierung oder Unterstützung von bewaffneten Konflikten genutzt werden könnte. In etablierten und stabilen Demokratien hingegen könnte der Einsatz von erneuerbaren Energien dazu beitragen, Spannungen zu reduzieren und den Frieden zu fördern.

Somit könnten erneuerbare Energien eine Rolle bei der Minderung von Konflikten spielen. Überraschenderweise sind es sogenannte grüne Megaprojekte, die die Stabilität zu erhöhen und Gewalt zu reduzieren scheinen. Besonders kapitalintensive Projekte mit konzentriertem Besitz können durch grenzüberschreitende Infrastrukturinvestitionen zu einer erhöhten finanziellen Interdependenz zwischen Staaten führen. Diese stärkere finanzielle Verflechtung durch ausländische Direktinvestitionen erschwert es Staaten, anderen Volkswirtschaften Schaden zuzufügen, ohne selbst ebenfalls Schaden zu erleiden.

Erstarken grüner Finanzmärkte

Eine zentrale Rolle bei der globalen Energiewende spielen somit die Finanzzentren. Um die 1,5-Grad-Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, werden in den nächsten 30 Jahren zwischen 100 und 150 Billionen Euro benötigt. Der Anteil der grünen Wirtschaft an der globalen Finanzwelt wächst, und mit ihm wächst der Wettbewerb um Marktanteile.

Bis heute wird die grüne Finanzwelt klar von Westeuropa, insbesondere der Europäischen Union, dominiert. In der Rangliste der zehn führenden grünen Finanzplätze im Jahr 2023 befinden sich vier in der EU: Stockholm, Amsterdam, Luxemburg und Kopenhagen. Zwei weitere europäische Städte, London und Genf, liegen auf den Plätzen eins und vier. Wien rückte im Ranking um sieben Plätze auf Platz 48 vor.

Der Wettbewerb verschärft sich auch bei der Innovation von Finanzprodukten, da immer mehr internationale Investor:innen in ESG-konforme Vermögenswerte investieren wollen. Die Vereinigten Staaten haben in den letzten Jahren Fortschritte bei der Entwicklung grüner Finanzmärkte gemacht. New York liegt auf dem zweiten Platz, gefolgt von Los Angeles auf Platz sieben, Washington, D.C., auf Platz neun, und San Francisco auf Platz zehn. Asien ist ebenfalls auf dem Vormarsch und mit Singapur, Seoul, Schanghai und Shenzhen in den Top 20.

Nicht die Lösung für alles

Bis 2050 werden wir nicht mehr zwischen Finanzen und grünen Finanzen unterscheiden, weil grüne Finanzen das einzige "game in town" sein werden. Ungewissheiten bleiben jedoch im Zusammenhang mit dem Übergangsprozess. Dieser bietet Chancen für Kooperationen, birgt aber auch Risiken für Konfrontationen entlang der entstehenden geopolitischen Bruchlinien. Die Verknüpfung der verschiedenen Emissionshandelssysteme, die weltweit entstanden sind und eine globale Koordinierung erfordern (zum Beispiel in Bezug auf die CO2-Bepreisung), wird in einer geopolitisch fragmentierten Welt schwieriger werden.

Während erneuerbare Energien den Wohlstand fördern und positive Auswirkungen auf internationale Beziehungen haben können, unterstreichen die Autor:innen der "Nature Studie" auch die Wichtigkeit, Klimaschutz von den Erwartungen zu trennen, dass globale Probleme wie Konflikte und soziale Ungleichheit ausschließlich durch erneuerbare Energien zu lösen seien. (Jürgen Braunstein, 27.9.2023)