"Buddy" ist an diesem heißen Septembernachmittag wohl einer der wenigen, denen die "Magna Mater Austriae" ziemlich egal ist. Während sich Scharen an Pilgern nach den Mühen des Weges in durchgeschwitzter Funktionskleidung aber immer noch voller Ehrfurcht der mächtigen Basilika in dem obersteirischen Wallfahrtsort nähern, steckt "Buddy" seine Nase in jeden Mistkübel auf dem großen Kirchenvorplatz. Der Vierbeiner ist ausgebildeter Sprengstoffhund - und an diesem Nachmittag trotz Spätsommerhitze im Dauereinsatz.

Ministerielle Lederhose

Doch der Schnüffler ist nicht alleine. Zwischen den unzähligen Verkaufsständen mit wahlweise Klerikal-Devotionalien oder Mariazeller-Lebkuchen ist die Uniformdichte auffallend hoch. Doch soviel Polizeipräsenz hebt unter dem Pilgervolk nicht zwingend das Sicherheitsbewusstsein. Eine betagte Frau im "I love Mariazell"-T-Shirt nähert sich vorsichtig einer Traube junger Beamter. Ob denn leicht was schlimmes passiert sei? Die Polizeischüler lächeln milde und beruhigen. Die Lage am beliebten Gnadenort ist unter Kontrolle, die Exekutive-Präsenz ist der heurigen Polizeiwallfahrt geschuldet. Über 400 Beamte aus ganz Österreich strömten sternförmig am Freitag in Richtung Mariazell.

Ein Großteil per pedes über unterschiedliche Distanzen. Nur sechs Teilnehmer wählten den Bus, ein Promi-Pilger gar über weite Strecken den Dienstwagen. Innenminister Gerhard Karner (VP) stieß in kurzer Lederhose erst kurz vor dem Ziel zur Wandertruppe. Aber zumindest mit einer festen inneren Überzeugung: Keine Interviews an diesem Nachmittag, er sei heute nicht als Minister sondern als einfacher Pilger unterwegs.

Das Wandern ist des Politikers Lust: Innenminister Gerhard Karner wählte die Pilger-Kurzstrecke
Michael Dietrich

Stundenlanges Reden

Im Vorfeld konnten die Teilnehmer zwischen zwei unterschiedlichen Etappen wählen. Für die Einsteiger am Pilgersektor startete die Eintages-Variante beim Marterl auf der Niederalpl Passhöhe. Über vier Stunden dauert der Marsch über den alten Mariazeller-Pilgerweg bis zur Basilika. Für das steirische Polizistenehepaar Lisa und Heimo Kolb waren die 18 Kilometer eine Pilger-Premiere. "Wir sind mit einer Gruppe von sechs Leuten marschiert. Kollegen, die man dienstlich kennt, aber mit denen wir wohl sonst nie wandern gegangen wären. Das war eine tolle Erfahrung." Eventuelle Motivationseinbrüche sollte man mit Worten unterdrücken, rät Heimo Kolb: "Wir haben eigentlich durchgeredet, da wird der Fünf-Stunden-Marsch dann kurzweilig." Ob es nicht ehrlicherweise doch Momente gegeben habe, an denen man sich besinnt, dass eigentlich auch ein Bus nach Mariazell fährt? "Nein, kein einziges Mal. Und wenn du dann vor der Basilika stehst, ist es ein ganz besonders Gefühl", ist sich das junge Paar einig.

Lisa und Heimo Kogler haben ihren Pilger-Einsatz erfolgreich gemeistert
Markus Rohrhofer

Müde Kirchgänger

Das Polizeiorchester gibt derweil unüberhörbar den Ton und die Marschrichtung an. In der Basilika wartet neben der Gnadenstatue "Magna Mater Austriæ" bereits der steirische Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl auf die abgekämpften Einsatzkräfte. Und man merkt es beim Blick in die Kirchenbänke: An diesem temporär wohl sichersten Ort Österreichs ist Erschöpfung spürbar. Doch immer noch wird das hölzerne Pilgerkreuz mit Stolz getragen. Und wer keine Blasen an den Füßen hat, ist ohnehin ein Pilger-Weichei.

Zumindest offensichtliche Wander-Wunden hat Joachim Huber nicht davongetragen. Obwohl der stellvertretende steirische Landespolizeidirektor die Vollversion gewählt hat. Ausgangspunkt war in diesem Fall der steirische Gebirgspass Straßegg. Täglich rund 25 Kilometer. Es sei vor allem auch eine mentale Sache. Huber: "Du hast sehr viel Zeit zum Nachdenken. Vor allem über sich selbst - warum tut man was, welche Fehler macht man. Einfach einen Spirit spüren." Er sei aber kein passionierter Pilger: "Ich bin in meinem Leben bisher zweimal Mal gepilgert, nach der Matura von Graz nach Mariazell und nach der Gendarmerie-Grundschulausbildung." Natürlich habe es Momente des mental-konditionellen Einbruchs gegeben: "Als die Bergführer in der Gruppe auf den Gipfel der Hohen Veitsch hinaufgehirscht sind, hab ich mir schon gedacht, dass ein Mariazell-Besuch einfacher auch möglich wäre.

Am späteren Abend waren aber dann die Mühen des Fußmarsches vergessen. Als Ort der Agape wurde nach dem Kirchengang das "Parkplatz-Stüberl" gewählt. Und zwischen Würstelgulasch, Bier und Austropop wurde wohl vielen endgültig eines bewusst: Der Weg hat sich gelohnt. (Markus Rohrhofer, 9.9.2023)