Es gibt Dinge, die uns erst auffallen, wenn sie nicht mehr funktionieren: Sicherungskästen, globale Lieferketten, die Lampe im Kühlschrank – unsere Bandscheiben. Die Liste ließe sich beliebig erweitern. Dazu gehört aber auch die Infrastruktur, die unsere Welt täglich mit Öl, Gas und Wasser versorgt. Unter unseren Füßen und über unsere Köpfe hinweg verlaufen Rohre, mal größer, mal kleiner, die erwünschte Fluide, so der wissenschaftliche Sammelbegriff für Flüssigkeiten und Gase, zu uns hin und unerwünschte von uns weg leiten. Diese Röhren sind das gewaltige Kreislaufsystem der Zivilisation.

Doch nur wenn der Wasserhahn mal trocken bleibt, rückt diese Tatsache ins Bewusstsein. Dabei bedarf es beträchtlicher Energiemengen, um das Rohrsystem im Fluss und somit unter unserem Radar zu halten: Etwa ein Fünftel des globalen Stromverbrauchs geht auf das Konto von Pumpen. Hier besteht Einsparbedarf.

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Die Experimente wurden nur mit geraden Rohren durchgeführt, doch Björn Hof (hier in seinem Labor) ist davon überzeugt, dass sich die Energieersparnis durch pulsierendes Pumpen auch in kurvigen Rohren erreichen lässt.
Foto: Nadine Poncioni / ISTA

Turbulente Strömung

So wie ein gewisser Teil der elektrischen Energie durch den Widerstand der Stromkabel verloren geht, kommt es auch beim Pumpen zu Energieverlusten. Ein Großteil davon ist auf die Reibung zwischen Rohr und Fluid zurückzuführen, die vor allem bei turbulenten Strömungen auftritt. Unter Turbulenz verstehen Fachleute Strömungen, die Wirbel ausbilden und deren Stromlinien nicht brav parallel nebeneinander herlaufen. Diese Wirbel erhöhen die Reibung stark. Sollen also Pumpvorgänge optimiert werden, muss die Strömung möglichst frei von Turbulenz gehalten werden – ein schwieriges Unterfangen.

"Im Laufe der Jahre versuchten Forscherinnen und Forscher, das Pumpen von Flüssigkeiten effizienter zu machen", sagt Davide Scarselli. "Zwar wurden viele Lösungen simuliert oder in Laboren getestet, doch sie sind oft zu komplex und daher zu kostspielig, um in realen industriellen Anwendungen eingesetzt zu werden."

Von der Beschaffenheit der Rohrwände über Feedbackschleifen bis zu Zusatzstoffen wurde vieles probiert, um die Wirbel in Schach zu halten. Doch der Erfolg hält sich in Grenzen. Gemeinsam mit der Forschungsgruppe um den Physiker Björn Hof am Institut of Science and Technology (ISTA) in Klosterneuburg geht Scarselli einen neuen Weg. Dabei gingen die Fachleute zunächst von grundlegenden Fragen zu Turbulenzen in Rohren aus. "Man würde annehmen, dass diese Vorgänge besser verstanden sind, zumal überall Flüssigkeiten durch Rohre gepumpt werden müssen", sagt Hof im STANDARD-Gespräch. Das Team richtete sein Augenmerk dabei auf die Antriebsform.

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Pulsierendes Pumpen beruhigt Turbulenzen. Die von der Pulsform des menschlichen Herzes inspirierte Methode könnte dabei helfen, Energie zu sparen.
Illustr.: Thomas Zauner / ISTA

Pulsierendes Pumpen

Die meisten Pumpen laufen in Dauerbetrieb und erzeugen eine kontinuierliche Strömung. "Doch durch unsere Forschung dazu, was Turbulenzen antreibt und wieder zum Verschwinden bringt, sind wir darauf gekommen, die Strömung nicht stetig anzutreiben, sondern ab und zu innezuhalten", sagt Hof. Um diese Idee zu testen, versetzten die Fachleute Wasser mit winzigen reflektierenden Partikeln und pumpten es durch eine Glasröhre. Mithilfe eines Laserstrahls wurde so das Strömungsverhalten sichtbar, Turbulenzen verrieten sich als glitzernde Verwirbelungen.

Mithilfe einer speziellen Pumpe konnten die Fachleute verschiedene Antriebsformen testen, wobei sie nur das Pumpmuster variierten – die mittlere Wassergeschwindigkeit blieb gleich, um die Modi vergleichbar zu machen. Wie sich zeigte, entstanden bei Dauerantrieb beträchtliche Turbulenzen, doch auch ein einfaches Wechseln von Beschleunigung und Abbremsen der Strömung führte zu Wirbeln. Wie das Team um Scarselli und Hof jetzt in der Fachzeitschrift "Nature" berichtet, verschwand die Turbulenz erst, als die Pumpe zwischen diesen beiden Phasen eine Ruhepause einlegte. Schnell fiel Hof auf: "Das Timing entspricht sehr genau der Blutströmung in der Aorta."

Wichtige Diastole

Der Vergleich mit dem menschlichen Herzen lag für Hof nahe, hatte seine Gruppe sich doch bereits mit Verwirbelungen der Blutströmung beschäftigt. Dennoch waren die Fachleute überrascht, wie umfassend die herzähnliche Pulsform Turbulenzen entlang der gesamten Rohrlänge verhinderte. "Wie jeder Teil unseres Körpers wurde auch das menschliche Herz durch Millionen von Jahren der Evolution geformt", sagt Hof. Offenbar ist es ein Selektionsvorteil, den Blutfluss frei von Wirbeln zu halten. Der Grund: Starke Reibung beschädigt die empfindlichen Zellen der Aorta-Innenwand, Gefäßerkrankungen sind die Folge.

Entscheidend bei der Turbulenzreduktion ist die Diastole, also die Pause zwischen zwei Pulsschlägen. "Während dieser Ruhephase nehmen die Turbulenzen ab. Dadurch lässt sich die Reibung in der anschließende Beschleunigungsphase viel effektiver reduzieren", weiß Scarselli. Bei höheren Fließgeschwindigkeiten trat so rund ein Viertel weniger Reibung zwischen Flüssigkeit und Rohrwänden auf. Dadurch könnten mit der pulsierenden Antriebsform etwa neun Prozent Energie eingespart werden – obwohl das abwechselnde Beschleunigen und Abbremsen mehr Energie kostet als der Dauerbetrieb.

Schwierige Umsetzung

Auf Rohrleitungen, wie sie im Haushalt verbaut sind, etwa als Teil der Fußbodenheizung, ließe sich die experimentelle Situation gut übertragen. Ob ein pulsartiger Betrieb auch bei Pipelines Einsparungen bringt, muss dagegen noch erforscht werden, betont Hof. Neben solchen Fragestellungen will das Team mithilfe maschinellen Lernens die Pulsform weiter optimieren.

Die Umsetzung dürfte allerdings herausfordernd sein, wie Scarselli sagt: "Um pulsierende Bewegungen zu erzeugen, müssten Pumpen umgerüstet werden. Dies wäre jedoch viel günstiger als Änderungen an den Rohrwänden oder der Einbau von Motoren." Mit der eingesparten Energie könnte sich das demnach bezahlt machen. Das Paradigma des kontinuierlichen Antriebs wackelt jedenfalls. Scarselli: "Wir hoffen, dass andere Wissenschafterinnen und Wissenschafter auf unseren Ergebnissen aufbauen werden, um diese von der Natur inspirierten Lösungen für industrielle Anwendungen zu erforschen." (Dorian Schiffer, 8.9.2023)