Der Autoverkehr liegt beim CO2-Ausstoß in Österreich an der Spitze, dicht gefolgt von der Metallindustrie.
imago images/Christian Ohde

Klimaschädliche Subventionen abbauen, den CO2-Preis erhöhen, niedrigere Tempolimits: Solche Maßnahmen seien notwendig, damit Österreich die EU-Klimaziele erreichen kann, betonten knapp 50 Wissenschafterinnen und Wissenschafter am Mittwoch. Sie reichten zusammen mit dem Climate Change Centre Austria (CCCA) eine Stellungnahme zur öffentlichen Begutachtung zum Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) ein.

In diesem Plan muss die Regierung der EU-Kommission vorrechnen, wie Österreich seinen Teil zu den europäischen Klimazielen beitragen will. In weniger als sieben Jahren muss die EU ihre Emissionen um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 2005 senken, darauf haben sich die Staaten geeinigt. Damit das gelingt, haben alle Staaten jeweils angepasste Reduktionsziele zugeteilt bekommen. Für Österreich sind es minus 48 Prozent. Der fertige Plan, wie Österreich dorthin kommen wird, muss bis Juli 2024 bei der EU-Kommission landen.

Mit den bisher geplanten Gesetzen wird das allerdings nicht gelingen, zeigen aktuelle Zahlen des Umweltbundesamts. Zusammen mit dem Klimaministerium präsentierte es Anfang Juli die noch offene Lücke: Selbst wenn alle Gesetze beschlossen werden, die bereits ausgearbeitet sind, würde Österreich nur eine Reduktion um 35 Prozent schaffen – damit fehlen noch 13 Prozent auf das EU-Ziel.

Klimaministerin Leonore Gewessler und Günther Lichtblau vom Umweltbundesamtstellten im Juli die aktuellen Szenarien für die Emissionsreduktion vor. Dazu startete das Ministerium eine öffentliche Konsultation zum Nationalen Energie- und Klimaplan.
IMAGO/Martin Juen

Zu der Frage, wie die Lücke geschlossen werden soll, startete das Klimaministerium eine öffentliche Konsultation zu einem Entwurf des Nationalen Energie- und Klimaplans. Am Mittwoch war der letzte Tag, an dem noch Stellungnahmen eingebracht werden konnten. Im nächsten Schritt werden diese geprüft und in Abstimmung zwischen den Ministerien in den Plan eingearbeitet. Dann werden sämtliche Stellungnahmen veröffentlicht.

Diese Maßnahmen empfehlen die Forschenden

Die Forschenden des CCCA veröffentlichten ihre Stellungnahme bereits vorab: Der Entwurf zeige positive Ansätze, doch würden die dort vorgeschlagenen Maßnahmen noch nicht ausreichen, mahnen sie. "Die aktualisierte Version des NEKP markiert einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, jedoch ist größere Entschlossenheit erforderlich, um den Herausforderungen des Klimawandels gerecht zu werden", sagt einer der Hauptautoren, Karl Steininger vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Universität Graz. "Es ist unumgänglich, dass der Plan in vielen Bereichen konkreter wird und weitreichendere Maßnahmen beinhaltet."

Unter anderem empfehlen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter nicht nur verstärkte Investitionen in erneuerbare Energien, Energieeffizienz und nachhaltige Mobilität zu planen, sondern auch die Verbesserung von Strukturen, die ein klimafreundliches Leben ermöglichen. "Die gegenwärtigen Strukturen machen ein klimafreundliches Leben fast unmöglich, das kann aber nicht allein durch technologische Innovationen gelöst werden", kritisiert eine Hauptautorin, Sigrid Stagl von der Wirtschaftsuniversität Wien.

Unter anderem schlagen die Forschenden vor:

Diese kleine Auswahl der vielen Vorschläge in dem Papier wäre rasch umsetzbar und würde schnell Wirkung zeigen, so das CCCA.

NGOs fordern Sofortmaßnahmenpaket

Empfehlungen zur Nachschärfung des Plans kommen auch von den Umweltorganisationen. Greenpeace schlägt etwa 55 weitere Klimaschutzmaßnahmen vor. Dazu zählen eine Steuer auf SUVs, ein Verbot für Kurzstrecken- und Privatflüge sowie eine "Mobilitätsgarantie": In 15 Gehminuten Entfernung soll allen Menschen in Österreich ein Mobilitätsangebot zur Verfügung stehen. Auch soll die Lizenzvergabe für neue fossile Explorationsprojekte in Österreich beendet werden und gleichzeitig das staatliche Programm für die Haussanierung hochgefahren werden. "An Ideen für weitreichenden Klimaschutz mangelt es nicht. Jetzt ist nur der politische Wille der Regierung gefragt, diese auch in Österreichs Klimaplan aufzunehmen", sagt Jasmin Duregger, Klima- und Energiesprecherin von Greenpeace.

Der WWF fordert außerdem ein Programm für den Bodenschutz sowie eine Naturschutzoffensive im NEKP. "Eine intakte Natur ist auch unser größter Verbündeter gegen die Klimakrise", sagt WWF-Klimasprecher Thomas Zehetner. Genauso dringend sei der rasche Beschluss des ausständigen Erneuerbare-Wärme-Gesetzes, das den Austausch von Öl- und Gasheizungen gegen CO2-arme Alternativen ankurbeln soll. Zu dem Gesetz gibt es zwar bereits eine Einigung der Regierung, doch jetzt hängt es im Parlament fest.

Dazu betont Global 2000, die Lücke auf das EU-Emissionsziel sei deutlich größer als 13 Prozent. Denn dort ist etwa das Erneuerbare-Wärme-Gesetz bereits eingerechnet. Doch ob dieses Gesetz in der aktuellen Regierung noch beschlossen werden kann, ist völlig offen. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit müsse jedoch nicht bloß der Nationale Energie- und Klimaplan überarbeitet werden: Johannes Wahlmüller von Global 2000 fordert zusätzlich ein Sofortmaßnahmenpaket für Klimaschutz, das im Rahmen eines Klimagipfels rasch eingeleitet werden sollte.

Kritik an Intransparenz

Wie auch die Forschenden des CCCA sowie Global 2000 kritisiert auch die Wirtschaftskammer (WKÖ), dass wichtige Szenarien und Studien, auf denen der NEKP basiert, nicht öffentlich gemacht wurden. Die Intransparenz untergrabe die fachliche Diskussion, sagt Karlheinz Kopf, Generalsekretär der WKÖ.

Außerdem betont er, Österreich müsse bereits eine Strategie für den Austausch von Emissionsrechten mit anderen Mitgliedsstaaten erarbeiten. Denn ein EU-Gesetz gibt vor: Wenn ein Staat mehr CO2 ausstößt als in den EU-Zielen vereinbart, muss er sich Rechte für die Emissionen von einem Mitgliedsstaat kaufen, der es schafft, weniger auszustoßen als vorgesehen. Diese Möglichkeit müsse "kosteneffizient" genutzt werden, um Strafzahlungen zu vermeiden, so Kopf. Denn wird das EU-Ziel verpasst, drohen hohe Strafzahlungen. Wege, um die Emissionen schnell genug zu senken, gäbe es allerdings reichlich. (Alicia Prager, 30.8.2023)