Fragen zu Klimaschutz, Technologie und Energiewende hatten die Debatten in der ersten Woche des diesjährigen Forums Alpbach dominiert. Am Sonntag rückten mit dem Auftakt des Programmteils "Europa in der Welt" die aktuelle weltpolitische Lage und die Sichtweisen auf Krieg und Krisen in den Ländern der Östlichen Partnerschaft der Europäischen Union in den Mittelpunkt.

Swetlana Tichanowskaja 
Swetlana Tichanowskaja lebt seit 2020 im Exil.
REUTERS/KUBA STEZYCKI

"Bold Europe", ein starkes, geeintes und mutiges Europa, haben sich die Veranstalter als Generalmotto gewählt – eine fast übermütige Ansage angesichts der Ereignisse seit Beginn des russischen Eroberungskrieges in der Ukraine vor nunmehr eineinhalb Jahren.

Bis zum Abschluss des Forums sollen dann auch wirtschaftliche Fragen und das Thema "Österreich in Europa" mehr und mehr einfließen. Dass nicht nur der Krieg in der Schwarzmeerregion, sondern auch die Entwicklungen in Belarus an den Grenzen zu Polen und Litauen und auch auf dem Balkan für Europa immer mehr zu einem existenziellen Problem werden, sollte am Sonntag gleich zu Beginn bei einer Podiumsdiskussion deutlich werden.

Kampf gegen Autokratie und für Demokratie

Auf der Bühne mit Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP): die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja und ihre "Kollegin" im Kampf gegen Autokratie und für Demokratie und Grundrechte, Oleksandra Matwijtschuk aus der Ukraine. Mit dabei auch die Präsidentin der Republik Kosovo, Vjosa Osmani-Sadriu, deren Land noch immer nicht von allen EU-Staaten anerkannt ist.

Die Menschenrechtlerin Matwijtschuk kämpft seit fast zehn Jahren um die Freilassung von illegal inhaftierten Aktivisten in Russland oder in den besetzten Gebieten der Ukraine. Sie ist eine der Mitgründerinnen der Initiative Euromaidan SOS, die weltweit agiert – gebildet gleich nach der Niederschlagung der Proteste auf dem großen Maidan-Platz in Kiew 2013/14. Kurz danach ließ der russische Präsident Wladimir Putin die Krim annektieren.

Anders als Matwijtschuk, die in ihrer Heimat aktiv sein kann, lebt Tichanowskaja im Exil in Litauen. Sie hatte bei den manipulierten Wahlen 2020 für die Präsidentschaft kandidiert. Ihr Auftreten erinnerte daran, dass in dem vom autokratischen Präsidenten Alexander Lukaschenko mit harter Hand geführten Land 1500 Regimegegner in Haft genommen wurden. Die Opposition ist zerschlagen.

Kampf gegen Autokratie und für Demokratie

Lukaschenko pflegt den Schulterschluss mit dem Kreml und Putin persönlich. Belarus könnte sich indes als nächstes Pulverfass herausstellen beim Versuch Putins, den osteuropäischen Teil der EU zu destabilisieren. Mit der mutmaßlich vom Kreml gesteuerten gezielten Tötung des Chefs der paramilitärischen Wagner-Truppen, Jewgeni Prigoschin, rückte in den Vordergrund, dass Belarus ein zentraler Stützpunkt für die Söldner geworden ist (siehe oben). Die polnische Regierung in Warschau beklagt seit Wochen, dass Belarus versuche, die Grenze zwischen den Ländern zu verunsichern, nicht zuletzt durch "gesteuerte" irreguläre Migration.

Eine Entspannung oder gar tragfähige Friedensbemühungen sind so bald nicht zu erwarten – auch wenn Schallenberg immer wieder betont, dass Russland wie Belarus rein geografisch immer unsere Nachbarn bleiben werden.

"Nicht genug mutig" sei Europa, so Schallenberg, in Bezug auf die EU-Erweiterung des Westbalkans und der Ukraine. Der Außenminister drängte, "das binäre Denken" in EU-Mitgliedsstaaten und Nicht-Mitgliedsstaaten aufzugeben, und ermutigte erneut zu einer "graduellen Integration". (Thomas Mayer, red, APA, 27.8.2023)