Grafenegg Festival-Eröffnung 2023, Cornelius Obonya
Mal Mahner, mal dienstbare Kraft: Cornelius Obonya bei der Eröffnung des Grafenegg Festivals.
Sebastian Philipp

Grafenegg – Das Leben, ein Traum? Traumhaft schön war auf jeden Fall schon einmal das Wetter zur Eröffnung des Grafenegg Festivals. Der Schlosspark wurde am Freitagabend zum temporären Idyll, vor dessen Mauern Streit und Hader Halt machten. Selbst Cornelius Obonya, oft ein großer Wütender vor dem Herrn, trat hier im Zeichen der Harmonie auf. Ein überraschender Rollenwechsel: Erst vor zweieinhalb Monaten hatte der Schauspieler die Kunstschaffenden dazu aufgerufen, zur Eröffnungsrede Wilfried Haslauers bei den Salzburger Festspielen den Saal zu verlassen, aus Protest gegen dessen Koalition mit der FPÖ.

In Grafenegg, dem kulturellen Leuchtturm- und Prestigeprojekt des Landes Niederösterreich (Gesamtförderung 2022: 4,43 Millionen Euro), ließ sich der Publikumsliebling als Sprecher im "Sommernachtstraum" freudvoll von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner beklatschen – die ja ebenfalls mit der FPÖ ein Arbeitsabkommen geschlossen hat. Das "situationselastische" Verhalten, das Obonya Haslauer Ende Mai zum Vorwurf gemacht hat, scheint der Schauspieler auch selbst virtuos zu beherrschen: dort empörter Mahner, hier dienstbare Kraft.

Shakespeare als Ein-Personen-Lesung

Shakespeares an Rollen, Verkleidungen und Verwandlungen überreiches Bühnenstück wurde von Carolin Pienkos (auch Textfassung) als eineinhalbstündige Ein-Personen-Lesung mit (Felix Mendelssohn Bartholdys) Musik eingerichtet: eine gewagte Unternehmung. Da wäre es wohl eine gute Idee gewesen, dem Publikum auf den zwölf Bildschirmen über dem Orchester die verwirrende Phantastik der Handlung verständlicher zu machen. Diese Idee hatte Obonyas Gattin, die die Aufführung als "halbszenisch" bezeichnete, leider nicht. Stattdessen wurden auf den Bildschirmen in der von reichlich Natur umgebenen Open-Air-Arena des Wolkenturms reichlich Naturaufnahmen gezeigt.

Immerhin: Obonya zog alle Register seines enormen Könnens, man wähnte sich bei der Wiedergabe eines Bully-Herbig-Märchenhörspiels, feat. Ralf Schmitz. Die Solistinnen (Nikola Hillebrand, Patricia Nolz) und die Damen des Wiener Singvereins sangen Mendelssohns Schauspielmusik elfenzart. Und das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich konnte beim populären Hochzeitsmarsch ein paar Punkte wiedergutmachen, die es vor der Pause abgegeben hatte.

Da hatte Chefdirigent Yutaka Sado versucht, sein Orchester mit beiläufiger James-Last-Lässigkeit durch Richard Strauss' wendungsreiche Tondichtung "Till Eulenspiegels lustige Streiche" zu leiten: auch keine so gute Idee. Abgesehen von der letzten Präzision ging auch der grelle Schalk dabei flöten. Auf harmonischen Jubel folgte die Abwanderung aus dem vermeintlichen Paradies: Aus der Traum. (Stefan Ender, 12.8.2023)