Die Grundstücksgeschäfte von Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl (ÖVP) sorgten dafür, dass die Öffentlichkeit nun näher hinschaut, was in Österreichs Kommunen vor sich geht. Eine Auswahl an Fällen aus Salzburg, Niederösterreich und Tirol:

Ein Chaletdorf in Salzburg.
Nach einem ebenfalls umstrittenen Grundstücksdeal in Alpschwendt auf dem Pass Thurn stehen bereits die erste Chalets.
Mike Vogl

Chalets auf Bauernland: Grundstücksdeals im Pinzgau ziehen Ermittlungen nach sich

Als Villen, in die sich wohlhabende Apokalyptiker im Falle eines Weltuntergang zurückziehen können – so wurden die Luxuschalets und das Hotel im Oberpinzgau noch im Vorjahr beworben. Auf dem Pass Thurn entstehe auf rund 1200 Meter Höhe eine "autarke Arche Noah", hieß es damals auf der Website des Six-Senses-Projekts. DER STANDARD berichtete, auch internationale Medien wurden aufmerksam. Die dystopischen Bilder und Slogans sind mittlerweile entfernt – nun wirbt man wieder mit Sport, Natur und Wellness für den Erwerb der noblen Zweitwohnsitze an der Grenze Salzburgs zu Tirol.

Die Luxuschalets sind nur eines von vielen umstrittenen Investorenprojekten im Pinzgau, die die Debatte um das Geschäft mit dem Betongold anheizen. Denn damit einige wenige Bauunternehmer mit den Grundstücksdeals gut verdient haben, müssen die notwendigen Widmungen und Baubewilligungen für die Verkäufe und Bauprojekte von Bürgermeistern und der Grundverkehrsbehörde abgesegnet worden sein. Das sei ein Ausverkauf der Heimat, kritisiert die Salzburger SPÖ-Politikerin Karin Dollinger. Sie stellte in den vergangenen Jahren unzählige Landtagsanfragen zu den Grundstücksdeals. Etwa jene, wie es sein konnte, dass Nichtlandwirte überhaupt Grünland erwerben durften. Denn eigentlich ist es nur Bauern erlaubt, landwirtschaftlich genutztes Grünland zu kaufen.

Vernichtender Rechnungshofbericht

Nachdem die Pinzgauer Grundverkehrskommission nicht einmal dem zuständigen Landesrat Josef Schwaiger (ÖVP) mitteilen wollte, wer wie viele Flächen im Pinzgau erworben hatte, schaltete die Salzburger SPÖ den Landesrechnungshof (LRH) ein. Der LRH prüfte die Grundverkehrskommission und stellte in seinem Bericht im Februar 2022 fest, dass diese das Gebot der Rechtsstaatlichkeit weitgehend missachtet habe. Die Dokumentation der Verkäufe sei mangelhaft, dazu sei nicht festgestellt worden, ob die Käufer Landwirte oder bereits Großgrundbesitzer seien. Es sei nicht einmal geprüft worden, ob ortsübliche Preise für die Grundstückspreise verlangt wurden.

Die SPÖ brachte eine Sachverhaltsdarstellung bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ein, der Akt wanderte über die Staatsanwaltschaft Salzburg letztlich zur Staatsanwaltschaft Linz, um jeglichen Anschein einer Befangenheit zu vermeiden. Die Ermittlungen gegen den Leiter der Grundverkehrskommission und Bezirkshauptmann Bernhard Gratz sowie weitere Personen werden noch einige Zeit dauern, sagt die Sprecherin der STA Linz auf Anfrage. Vor dem Herbst werde es keinen Zwischenbericht geben, es seien sehr viele Akten der Grundverkehrsvorgänge herbeigeschafft worden. Die "relativ umfangreichen" polizeilichen Ermittlungen laufen.

Beim Land Salzburg hat man nach dem vernichtenden Rechnungshofbericht das Grundverkehrsgesetz überarbeitet und statt bisher fünf Bezirkskommissionen eine landesweite Kommission eingesetzt, die seit 1. März alle Fälle abarbeitet. Jeder Kaufvertrag muss nun dieser Behörde vorgelegt werden. Damit einher geht eine "Entmachtung" der Bürgermeister, die ihre Kontrollfunktion damit abgeben.

Bereits 2019 wurde der Hollersbacher Bürgermeister wegen Amtsmissbrauchs zu einer Geldstrafe in Höhe von 12.600 Euro verurteilt, nachdem er den Bau zweier Wohnhäuser trotz fehlender Flächenwidmungen bewilligte. Er tritt bei der kommenden Gemeinderatswahl nicht mehr an.

Helmut Doschek vor einem Windpark
Ex-Bürgermeister Helmut Doschek ortete Ungereimheiten beim Windkraftgeld.
Christian Fischer

Windradgeld für Maustrenk: Ein Vizebürgermeister sollte Sponsorgelder allein verteilen

Es sollte ein Segen für die niederösterreichische Stadt Zistersdorf und ihre Teilgemeinden werden: ein neuer Windpark mit bis zu sieben Windrädern im Gemeindegebiet, das spült Geld nicht nur in die Stadtkassa. Die Betreiber würden zusätzlich auch die örtlichen Vereine mit Sponsorgeldern unterstützen – ein durchaus üblicher Passus in Verträgen zwischen Kommunen und Energiefirmen. Auf diese Weise soll die Akzeptanz für die oft umstrittenen Kraftwerke in der Umgebung gesteigert werden.

Verhandelt wurde der Deal vom Zistersdorfer Vizebürgermeister Elmar Schöberl (ÖVP). Bis zu 195.000 Euro sollte es für das Dorfleben im Gemeindeteil Maustrenk geben, im Juni 2022 wird der Vertrag in der Stadtratssitzung von Zistersdorf beschlossen – auch mit der Unterschrift des damaligen Bürgermeisters Helmut Doschek (ebenfalls ÖVP).

Doch der zieht sie drei Wochen später zurück. Entsetzt, wie er sagt. Denn in dem Vertrag wurde seinem Vize Schöberl die alleinige Befugnis über die Verteilung des Geldes zugesprochen. "Im Zuge der Planung und Entwicklung des oben genannten Windparks beabsichtigt der Sponsor, die Gemeinde finanziell zu unterstützen, wobei diese Unterstützungen der gesamten Katastralgemeinde Maustrenk zugutekommt und die Aufteilung der finanziellen Unterstützungen allein dem Vizebürgermeister Elmar Schöberl" obliege, heißt es in dem Dokument.

"Hinterhältige Art"

"Er hat diesen Passus hineinimplementieren lassen", sagt Doschek zum STANDARD: "Niemand von uns wusste, dass das drinsteht – weil es das noch nie gegeben hat." Schlussendlich wurde der Vertrag nach dem nachträglichen Bürgermeister-Veto neu formuliert, nun entscheidet der Gemeinderat über das Geld.

Für Doschek war die – laut seiner Darstellung heimlich in den Vertrag geschummelte – Verteilungsbefugnis de facto das Ende der Zusammenarbeit mit seinem Vize. "Diese hinterhältige Art ist das, was für mich so vertrauenszerstörend war", sagt er. Er vermutet, dass sich Schöberl mit den Leuten in seinem Heimatort Maustrenk gut stellen wollte und Vereinen schon im Vorfeld die Windradgelder versprochen hat.

Der Konflikt zwischen dem Bürgermeister und seinem Vize gärte nach dem Vorfall für Monate, bis Doschek der Stadtpartei im Mai 2023 die Absetzung des Vizebürgermeisters vorschlug. Doch da sei die Stimmung schon gekippt gewesen, erzählt er: "Offenbar hat eine solide Gegnerschaft in meiner eigenen Fraktion die Chance genutzt", sagt Doschek. Plötzlich hätte niemand mehr mit Schöberls Vorgehen ein Problem gehabt. Am nächsten Tag erklärte Doschek seinen Rücktritt als Bürgermeister, sein Rückhalt in der Partei war verloren. Die ÖVP wählte einen Nachfolger: Elmar Schöberl.

Dieser weist auf STANDARD-Anfrage alle Anschuldigungen seines Parteikollegen Doschek zurück: "Von meiner Seite wurde an dem Vertrag nichts geändert", das Schriftstück sei so von den Windkraftfirmen gekommen. Der Passus mit Schöberls Befugnis hätte dem damaligen Bürgermeister nur "im Nachhinein nicht gefallen".

Doschek bleibt bei seinen Vorwürfen. Er ist mittlerweile fraktionsfreier Gemeinderat und überlegt, bei der nächsten Wahl mit einer eigenen Liste anzutreten.

Eine Luftaufnahme des Wilden Kaisers
In der Region rund um den Wilden Kaiser frönen viele Großverdiener ihrem Wohlstand.
Getty Images

Geisterdörfer für den Geldadel: In Tirol werden Freizeitwohnsitze lax kontrolliert

Auch hunderte Kilometer weiter, im Bundesland Tirol, geht es ums Geld. Bürgermeisterinnen und Ortschefs lassen sich dort jährlich Millioneneinnahmen entgehen. Ihnen obliegt die alleinige Kontrolle sogenannter Freizeitwohnsitze. Im Tiroler Raumordnungsgesetz werden diese als Wohnsitze definiert, die nicht einem "ganzjährigen Wohnbedürfnis" dienen. In traumhafter Bergkulisse frönen Großverdienende in Ferienhäusern und Chalets ihrem Wohlstand und verwandeln kleine Ortschaften in nebensaisonale Geisterdörfer.

Ohnehin knapper Wohnraum wird verteuert. Mitte April hat die schwarz-rote Landesregierung eine Raumordnungsnovelle aufgelegt, die ein Verbot von neuen Freizeitwohnsitzen in 142 sogenannten Vorbehaltsgemeinden enthält. Dabei handelt sich um Kommunen, in denen der Druck auf den Wohnungsmarkt besonders groß ist.

Schon vor Jahren hat der Gesetzgeber außerdem eine Freizeitwohnsitzquote von acht Prozent beschlossen. Theoretisch. Aktuelle Zahlen zeigen, dass diese Quote in jeder vierten Ortschaft, konkret in 70 von 277 Gemeinden, überschritten wird. Im Bezirk Kitzbühel wird das behördliche Maximum von acht Prozent lediglich in vier von 20 Gemeinden eingehalten. Im idyllischen Westendorf etwa gibt es 620 Freizeitwohnsitze, über ein Viertel aller Haushalte. Wie ist das möglich?

Vielerorts gab es schon vor Einführung der Quote viele Freizeitwohnsitze. In manchen Fällen braucht es bürgermeisterliche Raffinesse und Kreativität. Ein Beispiel: Zur Jahrtausendwende half der damalige Kitzbühler Bürgermeister und Anwalt Horst Wendling (FPÖ) der niederbayrischen Schauspielerin Uschi Glas dabei, vor Gericht das Recht zu erstreiten, einen "Arbeitswohnsitz" in der Gamsstadt zu errichten – ein gesetzliches Novum.

Geschätzt 10.000 illegale Freizeitwohnsitze

Auf dem Stand von Juli gab es in Tirol 16.357 genehmigte, legale Freizeitwohnsitze. Seit 2020 werden für solche Residenzen Abgaben fällig: Mindestens 100 Euro pro Jahr sind es etwa für einen Freizeitwohnsitz mit bis zu 30 Quadratmetern. Für mehr als 250 Quadratmeter Wohnnutzfläche müssen bis zu 2200 Euro jährlich bezahlt werden. Im Jahr 2020 nahmen die Gemeinden über die Freizeitwohnsitzabgabe 6,4 Millionen Euro ein, 2021 waren es schon 7,9 Millionen. Hauptprofiteur mit 5,4 Millionen Euro war in diesen beiden Jahren der Bezirk Kitzbühel.

Zu den genehmigten Domizilen kommen Schätzungen zufolge rund 10.000 Immobilien, die illegal für Ferienzwecke genutzt werden. Rezente Fälle, wie etwa ein vom russischen Oligarchen Arkadi Rotenberg finanziertes und unzulässigerweise als Freizeitwohnsitz genutztes Chalet in Kitzbühel, zeigen einen laxen behördlichen Umgang mit Verdachtsmomenten. In besagtem Chalet war seit 2013 niemand gemeldet, wie die Gemeinde dem STANDARD auf Nachfrage bestätigte.

Warum wird nicht sorgfältiger kontrolliert, obwohl die Kommunen auch finanziell profitieren würden? Warum schauen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister offenbar so oft weg? Die Gründe dürften irgendwo zwischen Ressourcenmangel, Überforderung und, ja, auch Verfilzungen und Eigeninteressen liegen. Gegen eine von der Liste Fritz geforderte unabhängige, beim Land angesiedelte Kontrollinstanz sträubt sich die ÖVP bisher, verwiesen wird auf den Entzug von Kompetenzen.

(Sebastian Fellner, Maria Retter, Stefanie Ruep, 11.8.2023)