Frau sitzt mit Koffer am Boden in Spanien
In Spanien könnte der Praxis von Billigairlines, versteckte Zusatzkosten für das Handgepäck zu verrechnen, nun ein Ende gesetzt werden.
EPA

Sie zählen zu den "goldenen Kühen" der Luftfahrtbranche und sind seit vielen Jahren gängige Praxis: versteckte oder zumindest überaus undurchsichtige Zusatzkosten und Gebühren für Handgepäcksstücke, teils auch angepasst an deren Größe und Gewicht. Das sorgt neben gewisser Unruhe beim Packen nicht selten für sinnlose Diskussionen mit dem Bodenpersonal beim Check-in oder Boarding. Oft enden diese Diskussionen mit dem Zücken der Kreditkarte – schlicht um nicht den Flug zu verpassen. Das könnte nun, vorerst einmal ein Spanien, ein Ende finden.

Eine Höchststrafe von bis zu einer Million Euro wegen solcher versteckter Zusatzkosten droht in Spanien nun mindestens sieben Billigfluglinien, wie das Konsumministerium kürzlich bekanntgab. Das Ministerium unter dem nach der Parlamentswahl vom 23. Juli noch amtsführenden Minister Alberto Garzón von der postmarxistischen Vereinigten Linken hält sich bei den Namen bis dato bedeckt, um die "Unschuldsvermutung" zu gewährleisten.

Ryanair und Easyjet

Das eingeleitete Sanktionsverfahren betreffe zumindest Ryanair, Easjet, die von Iberia-IAG betriebene Low-Cost-Tochter Vueling und Volotea, wie der Konsumentenschutzverein FACUA-Consumidores en Acción bekanntgab. Spanische Konsumentenschützer kämpfen seit mehreren Jahren gegen diese Praktiken. Nur Tage vor der Bekanntgabe des Sanktionsverfahrens klagte die katalanische Dependance der Organización de Consumidores y Usuarios ("Organisation der Konsumenten und Nutzer", OCU) wegen derselben Praktiken auch Aegean Airlines, Finnair, Norwegian Air Shuttle, Singapore Airlines sowie Vueling und Ryanair auf regionaler, katalanischer Instanz.

Das spanische Konsumministerium hat seit der Reform des "Gesetzes zum Schutz von Konsumentinnen und Konsumenten" im Mai des Vorjahrs die Kompetenz, auch gegen Großunternehmen und Konzerne schmerzhafte Sanktionen zu verhängen. Da es sich bei der Verrechnung versteckter Zusatzkosten für das Handgepäck um ein "sehr schweres Vergehen" handelt, liegt der Strafrahmen zwischen 101.000 und einer Million Euro. Handgepäckskosten müssten schlichtweg im Ticketpreis inkludiert sein. Zudem kann das Ministerium gegen "unrechtmäßige Gewinne" vorgehen. Bei "sehr schweren Vergehen" variiert das Strafmaß zwischen dem Sechs- und Achtfachen der eingehobenen Summen bzw. deren unrechtmäßig erwirtschaftetem Gesamtbetrag.

Kein Bargeld akzeptiert

Auch dass diese Zusatzkosten nicht beim Ticketkauf ersichtlich waren und am Flughafen selbst nicht mit Bargeld, sondern nur mit Kredit- oder bestenfalls Debitkarte bezahlt werden konnten, war für das Ministerium ein Grund zum Einschreiten.

Zudem wird sanktioniert, wer Zusatzkosten für den Nebensitz für die eigenen oder in Obhut befindlichen Kinder oder für auf einen selbst angewiesene ältere oder eben pflegebedürftige Personen verrechnet – ebenso Usus bei vielen Fluglinien, die nun nach den Pandemiejahren nicht nur in Spanien einen Rekordsommer feiern. IAG, bestehend aus Iberia und British Airways, erwirtschaftete im ersten Semester einen Gewinn von 921 Millionen Euro (2022: minus 654 Millionen). Allein im August werden auf spanischen Flughäfen 11,4 Millionen internationale Gäste landen, was ein Plus von 8,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet.

Online-Positionierung

Den Fluglinien brächten diese versteckten Gebühren im Preiskampf Vorteile, sei es in der klassischen Werbung (Print, TV, Radio, Plakate) oder eben online, wo sich die Angebote wiederum auf die Positionierung der mutmaßlichen "Schnäppchen" der Fluglinien in Preisvergleichsportalen und weiteren gängigen Suchmaschinen auswirkten, begründet das Konsumministerium sein Vorgehen.

Für einen kuriosen Kleinerfolg sorgte übrigens der gemeinsame Protest von Fluggästen und den Konditoreien auf Mallorca, der mit Anfang Juni erwirken konnte, dass die lokaltypische, im Schmalz gebackene und mit "Engelshaar" (Kürbis) gefüllte Blätterteigschnecke namens Ensaïmada auch im Familienformat als zusätzliches Handgepäck kostenlos von der Urlaubsinsel ausgeflogen werden darf. Und zwar maximal zwei Stück pro Fluggast.

Auswirkungen auf Züge

Diese Handgepäckspraktiken haben auch im Schienenverkehr sukzessive Nachahmer gefunden, insbesondere bei den staatlichen Hochgeschwindigkeitszügen AVE und AVlow – der "Low Cost"-Variante – sowie seit Ende des Vorjahrs bei deren privaten Mitbewerbern Iryo (Trenitalia, Globalvia, Air Nostrum-Iberia) und Ouigo (französisch-staatliche SNCF). Nicht ausgeschlossen wird vom Ministerium, auch bei diesen zu prüfen und sie gegebenenfalls ebenfalls zu sanktionieren. (Jan Marot aus Granada, 8.8.2023)