Justizministerin Alma Zadić (Grüne).
Im Büro der grünen Justizministerin Alma Zadić kann man das Verhalten des Koalitionspartners nicht nachvollziehen.
APA/ROBERT JAEGER

Der erste Ministerialentwurf in rein weiblicher Form sorgt innerhalb der türkis-grünen Bundesregierung weiter für Diskussionen. Unlängst rückte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) aus, um die grüne Justizministerin Alma Zadić aufzufordern, den Gesetzestext zu ändern. Die Türkisen wollen, dass beide Geschlechter darin vorkommen – wie es der Verfassungsdienst im Kanzleramt in einer Stellungnahme eingemahnt hatte. Ein Gesetz in rein weiblicher Form hält Edtstadler jedenfalls für keinen Beitrag, der die Gleichstellung der Geschlechter oder die Sichtbarkeit von Frauen fördere.

Schon seit Tagen hört man aus dem Büro der Justizministerin vor allem Unverständnis über das Verhalten des Koalitionspartners. Der Entwurf sei von Anfang an in weiblicher Form formuliert und "detailliert" mit den Türkisen abgestimmt worden, betont ein Sprecher im Gespräch mit dem STANDARD einmal mehr. Die ÖVP habe den Gesetzesentwurf sogar freigegeben. Kritik an der weiblichen Form sei in den "unzähligen Verhandlungsrunden" nie geäußert worden. Deshalb sieht man sich im Ministerium von Zadić auch nicht dazu veranlasst, "an der mit der ÖVP abgesprochenen weiblichen Formulierung im Gesetz Änderungen vorzunehmen".

"Geschlechtergerechte Sprache allgemein nicht im Fokus"

Im Zentrum des türkis-grünen Koalitionszwists steht der Entwurf eines Bundesgesetzes zu "flexiblen Kapitalgesellschaften". Den hatte Zadić Ende Mai gemeinsam mit Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) medienwirksam präsentiert. Auch mit dem Hinweis, dass im Gesetzestext nur von Gesellschafterinnen die Rede sei. Damals habe sich allerdings niemand dafür interessiert.

Erst als das Ö1-"Mittagsjournal" vor einer Woche die Stellungnahme des Verfassungsdienstes aufgegriffen hatte, ging die Volkspartei auf Abstand zu dem Entwurf. "Ich wüsste nicht, welchen Beitrag das zu einer geschlechtergerechten Sprache leisten soll. Ich halte das für keine Verbesserung", war prompt vom türkisen Christian Stocker zu hören. Das sei bloß der Versuch, "ein Sommerloch" zu füllen. Stocker plädierte schließlich dafür, beide Geschlechter im Gesetzestext anzuführen.

Aber wie oft wies der Verfassungsdienst bisher eigentlich auf die Paarform hin, wenn Gesetzestexte in rein männlicher Form verfasst wurden? Im Jahr nehme die anwaltliche Vertretung der Bundesregierung durchschnittlich zu weit über 50 Gesetzesvorhaben Stellung. "Im Fokus steht dabei die Prüfung der Vereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht", wird dem STANDARD mitgeteilt. "Allgemein stehen Fragen der geschlechtergerechten Sprache nicht im Fokus." Der Verfassungsdienst verweist auf legistische Richtlinien aus dem Jahr 1990, wonach der geschlechterneutralen Formulierungen der Vorzug zu geben sei. "Alternativ oder in Fällen, in denen dies nicht möglich ist, sollen die weibliche und die männliche Form angeführt werden."

Und was sagt eigentlich Brunner, der den Entwurf mit Zadić vor etlichen Wochen gemeinsam präsentiert hatte? Der Finanzminister dürfte sich aus dem Streit – so gut es geht – heraushalten wollen. In "materieller Hinsicht" sei das Gesetz unter anderem mit ihm abgestimmt worden, formuliert Brunner auf Nachfrage des STANDARD etwas umständlich. Die "redaktionell legistische Ausgestaltung" obliege jedem Ressort selbst. (Jan Michael Marchart, 2.8.2023)