Österreichs höchstdekorierter Wissenschafter, der Kernphysiker Anton Zeilinger, sprach sich in der Kunst gegen zu viel Dekonstruktion aus.
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Salzburg – Am Ende seiner Festrede kam Nobelpreisträger Anton Zeilinger dann doch noch für einen Moment auf die Kunst zu sprechen: Die Praxis der Dekonstruktion im Musiktheater erfülle ihn mit Sorge, es bestünde nämlich die Gefahr, dass ein Kunstwerk seine Komplexität einbüße. Beispiel Parsifal: Wo bleibe das Mystische, wenn Kundry eines modernen Todes sterbe?

Auf vertrautem Terrain, gestand Zeilinger ein, bewege er sich mit seinen Worten zur Kunst aber nicht. Weswegen seine eklektische Rede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele wohl auch stärker zwischen den Polen Wissenschafts- und Gesellschaftskritik mäanderte. "Ist Wahrheit eine Frage der Mehrheit?", fragte Zeilinger zu Anfang, um am Beispiel von Albert Einstein auch gleich eine Antwort zu geben. Dieser habe seine Theorie der Lichtquanten gegen die Mehrheitsmeinung in der Wissenschafts-Community vertreten. Später habe er für sie den Nobelpreis erhalten.

Gegen zu viel Bürokratie

Zeilinger sprach sich gegen zu viel Bürokratie und Detailregeln aus, betonte die Wichtigkeit von Kreativität und Begeisterung für die Sache. Eine Frage, die ihm unter den Nägeln brenne, sei jene, wie weit die Zukunft vorhersehbar sei. Wenn er selbst, so Zeilinger, schon am Anfang seiner Forschungstätigkeiten seine Ziele hätte definieren müssen, stünde er heute mit keinem Nobelpreis da. Ihm selbst werde "unheimlich, wenn jemand behauptet, zu wissen, wie die Zukunft aussieht".

Man müsse "das Ungewöhnliche finden" und "für das Unvorhersehbare offen sein." In diesem Zusammenhang hob der in Wien lebende Physiker die Wichtigkeit der Grundlagenforschung hervor und betonte die Notwendigkeit internationaler Kooperationen – auch mit Staaten wie Russland oder China. Der Aufruf, sich mit anderen Meinungen auseinanderzusetzen, sich durchaus einmal auch "an den Stammtisch" zu setzen, verband ihn mit seinem Nachredner im Salzburger Festspielhaus, mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Den Redenauftakt machte am Donnerstag aber Festspielpräsidentin Kristina Hammer, die der Kunst Zauberkräfte in diesen unsicheren Zeiten nachsagte: Die Kunst lege den Finger in offene Wunden, die Festspiele stünden für Toleranz und Verständnis. Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) beschwor die Verbundenheit von Mythos und Logos und wies auf das Wunder des Alltäglichen hin: "Lassen Sie uns staunen ob der Schönheit dieser Welt!" Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) wiederum plädierte für die Idee einer neuen Aufklärung – eine, die vernunfts- und emotionsgeleitet sei. (Stephan Hilpold, 27.7.2023)