Der Tiergarten Schönbrunn will seinen Tieren keine Namen mehr geben. Statt Finjas, Artos' und Nonjas gibt es im Zoo künftig nur noch Eisbären, Mähnenrobben und Orang-Utans. Die Begründung: Der Tiergarten will sich modernisieren. Er will raus aus dem veralteten Konzept, einzelne Individuen zur Schau zu stellen, und stattdessen den Erhalt einer ganzen Population in den Vordergrund stellen.

Das ist ein löbliches Ziel. Doch gleichzeitig offenbart es einen Widerspruch, der inhärent in der Idee von Zoos steckt – und der sich kaum auflösen lässt: Zoos sperren wilde Tiere ein, trennen sie von ihrem natürlichen Lebensraum, um sie dann zur Belustigung von Menschen öffentlich zur Schau zu stellen. Die Abschaffung von Tiernamen wird an dieser Diskrepanz wenig ändern.

Schönbrunner Zoo
Der Schönbrunner Zoo stellt um: Künftig sollen Tiere keine Namen mehr bekommen.
Robert Newald

Das soll nicht heißen, dass Zoos nur schlecht sind. Sie können gerade für Kinder eine lehrreiche Erfahrung sein, die einen Bezug zu den Tieren schafft und Sorge um ihr Schicksal bereitet.

Nur: Ist die Abschaffung ihrer Namen dann nicht kontraproduktiv? Wird uns der Tierschutz wirklich wichtiger sein, wenn wir aufhören, die Tiere zu personalisieren? Es stimmt, dass Tiere keine Menschen sind. Ein Name vermenschlicht sie. Doch gerade diese Vermenschlichung ist das, was Tiere schützt.

Das Schicksal der Tiere, die wir essen, ist uns hingegen egal. Die moderne Massentierhaltung nehmen wir hin. Wenn wir ein Schnitzel im Wirtshaus bestellen, ist es zumeist nachrangig, ob das namenlose Hendl oder Schweindl auf der Alm leben konnte. Oder ob es zusammengepfercht mit zig Artgenossen unter widrigsten Bedingungen krepiert ist. Seien wir ehrlich: Davon wollen wir eigentlich gar nichts wissen. Gleichzeitig verniedlichen wir unsere Hunde und Katzen mit Namen wie Bello oder Muzi, schätzen unsere Haustiere als Freunde und weinen, wenn sie uns eines Tages verlassen.

Das ist ein krasser Widerspruch, der sich auch in unserem Umgang mit Wildtieren offenbart. Vorbei sind die Zeiten, in denen wir uns Wölfe und Bären in unsere Wälder zurückgewünscht haben. Kaum sind sie wieder da, sind sie zu "Problemtieren" mutiert, eine Gefahr für den Menschen, die es zu bekämpfen gilt. Die Politik macht es sich leicht: Der Bär heißt nicht mehr Bruno, und es löst – anders als etwa im Jahr 2006 – kaum noch Protest aus, wenn er erschossen wird.

Die moderne Forschung zeigt, dass Tiere fühlen, leben, leiden. Nur ist das für uns nicht greifbar, vor allem dann nicht, wenn wir keinen direkten Zugang zu ihnen haben. Dann brauchen wir eine Geschichte, eine, in der wir ihre Gefühle mit den unseren gleichsetzen. Tiere zu vermenschlichen und ihnen Namen zu geben gibt ihnen eine Persönlichkeit.

Persönliche Bezüge schaffen Empathie. Wenn etwas "menschelt", löst das in uns Emotionen aus. Emotionen bewegen zu Handlungen. So funktionieren Tiere vielleicht nicht, aber so funktionieren Menschen. Und die gilt es, zum Tierschutz zu motivieren.

Ein Schritt in die richtige Richtung ist die Annahme des EU-Renaturierungsgesetzes im EU-Parlament: Der Natur wieder ihren Raum zu geben und sie wiederherzustellen ist nicht nur aus ethischer Sicht logisch. Wir brauchen ein intaktes Ökosystem, wir brauchen fruchtbare Böden, wir brauchen sauberes Trinkwasser und saubere Luft zum Atmen. Das ist die Lebensgrundlage. Von Menschen und Tieren. (Muzayen Al-Youssef, 13.7.2023)