Das "Bleeding Edge", der metaphorische Aufenthalt jener Konsumenten, die gern als Erste brandneue Produkte und Technologien verwenden, heißt nicht zum Spaß so. Seit Jänner läuft in meinem Rechner eine Intel-Arc-A770-Grafikkarte in der hauseigenen "Limited Edition" des Konzerns. Und sprichwörtlich geblutet habe ich seitdem ordentlich, vorwiegend Zeit und Nerven. Wer die Saga (hier Teil 1, hier Teil 2) noch nicht kennt: Hier ein kurzes "Was bisher geschah" aus meinem Leben als Intels unbezahlter Betatester.

An Kinderkrankheiten hat es der Karte – jedenfalls auf meinem System – nicht gemangelt. Ein Grafiktreiber, der seine DirectX-Levels vergisst und damit die Grafikkarte bis zu einem Neustart unbenutzbar für viele Programme und Spiele macht. Immer wieder kurze Blackscreens, seltsame Artefakte am Bildschirmrand und hohe Wärmeentwicklung. Dazu kann ich berichten, dass die Blackscreens wohl der Vergangenheit angehören und auch die DirectX-Ausfälle wohl behoben wurden. Zumindest läuft die Karte mittlerweile seit Tagen durch, ohne dass dieses Problem wieder aufgetreten wäre – was zumindest unüblich ist und mich hoffnungsfroh stimmt.

Woran die Wunderheilung liegt, lässt sich schwer festmachen, weil mehrere Änderungen zeitlich nahe beieinanderliegen. Da wäre etwa, das Intel mir eine Ersatzkarte zugeschickt hat, da ich beim ersten Gerät ein Hardwareproblem vermutete. Dazu gab es zwischenzeitlich zwei oder drei Treiberupdates. Und ich habe mein System von 16 auf 32 GB RAM aufgestockt. Als potenzielle Wild Card bleiben auch noch Windows Updates übrig. Und nachdem keines der Changelogs zu den letzten Treibern das DirectX-Problem oder Blackscreens erwähnt, kann ich bestenfalls raten.

Die Oberseite der Intel Arc A770 LE.
Intel

Ausgangslage

Was sich aber auch mit der Austausch-Karte nicht geändert hat ist, dass die GPU in meinem mäßig gut belüftbaren Gehäuse sehr schnell sehr heiß läuft. Einige Minuten höhere Last bringen sie an die 90-Grad-Grenze, bei der die Rechenfrequenz teilweise stark runter gedrosselt wird. Weil meine Optionen für besseren Luftstrom mit fünf Lüftern praktisch ausgereizt sind, musste ich dieses Problem aus einem anderen Winkel in Angriff nehmen. Zeit für ein wenig Modding.

Dass Intels selbstgebaute Karten im Vergleich zu jenen von Boardpartnern wie Acer oder Asrock thermisch misslungen sind, zeigen nicht nur die von mir beobachteten Temperaturverläufe. Auch Steve Burke vom weithin respektierten Youtube-Channel Gamers Nexus – man kennt ihn auch als "Hardware-Jesus" – ging mit der Karte hart ins Gericht, als er sie vor laufender Kamera auseinanderbaute.

Intel's Taped & Glued Arc A770 GPU: Tear-Down & Disassembly of Limited Edition Card
"Hardware-Jesus" Steve Burke ist von der Bauweise der Intel Arc A770 LE - freundlich gesagt - nicht begeistert.
Gamers Nexus

Einer seiner Kritikpunkte, abseits davon, dass sich im laut Intel "schraubenlosen Design" über 70 Schrauben verbergen und großzügig mit Kleber und Klebeband gearbeitet wurde, ist die Backplate. Diese sitzt auf der Oberseite der Karte und ist in den meisten Designs mit Thermal Pads mit darunter liegenden Hardwarekomponenten verbunden. So kann sie einen Beitrag zur Wärmeabfuhr leisten, auch wenn die Wärme durch die in die Karte integrierten Lüfter und Heatsink hauptsächlich seitlich abgeführt wird.

Seitliche Wärmeabfuhr praktiziert auch die Arc A770 LE. Allerdings arbeitet sie mit nur zwei Lüftern und einem relativ kleinen Heatsink. Die Backplate sieht zwar schick aus, eine thermische Verbindung mit dem Innenleben besteht aber nicht. Das ließ Burke spekulieren, dass sie möglicherweise für unnötigen Hitzestau sorgt.

Aus Platte wird Mesh

In meiner Verzweiflung beschloss ich also, diese Theorie zu überprüfen. Also Karte aus dem Rechner ausgebaut, die Aluminiumplatte mithilfe eines Schlitzschraubenziehers etwas hochgestemmt und vorsichtig entfernt. Eine relativ einfache Übung, denn sie ist nur mit doppelseitigem Klebeband befestigt.

Die Backplate diente als Schablone für ein Kunstoff-Mesh, mit dem normalerweise Lüfteröffnungen abgedeckt werden. Dieses sollte gute Abgabe von Wärme nach oben und dabei zumindest ein Minimum an Staubschutz gewähren. Angebracht wurde der mit Präzisionsmesser erzeugte Zuschnitt schließlich ebenfalls mit einem starken, hitzeresistenten doppelseitigen Klebeband. Weil sich Intel für schwarze Platinen und goldlackierte Schrauben (der sogenannte Kingpin-Look) entschieden hat, schaut das Ganze am Ende auch gar nicht so schlecht aus – aber urteilen Sie selbst.

Die Karte sieht auch mit Mesh ganz schick aus.
DER STANDARD/Pichler

Test-Vorlauf

Um einen halbwegs objektiven Vergleich zu ermöglichen, wurden vor und nach der Umsetzung des Mods drei Testläufe mit der Benchmarking-Software Furmark 1.35 durchgeführt. Vor den Durchläufen durfte das System einige Minuten ausgeschaltet abkühlen, die Grafikkarte wurde nach dem Hochfahren mit dem Abspielen von fünf Minuten 1080p-Video auf typische "Betriebstemperatur" gebracht.

Anschließend lief sie 90, 180 und 300 Sekunden in 1440p-Auflösung durch den Stresstest in 1440p-Auflösung, bei der sie einen fellbewachsenen Ring bei dynamischem Hintergrund und achtfacher Kantenglättung visualisierte. Temperatur und Rechenauslastung wurden mittels des Informationsoverlays der Treibersoftware Arc Control beobachtet, wobei für die Dokumentation der Wärmeentwicklung der jeweils letzte angezeigte Wert der GPU-Temperatur vor Ende des Benchmarks herangezogen wurde.

Zwischen den einzelnen Durchläufen durfte die Karte jeweils auf das zuvor ermittelte Basisniveau abkühlen. Die Raumtemperatur lang bei den ersten Tests vor der Entfernung der Backplate bei 26 bis 27 Grad, während der zweiten Benchmarks bei 25 bis 26 Grad. Die Auslastung der GPU wurde kontinuierlich mit 100 % ausgewiesen.

Meine Erwartung war, dass sich die Basistemperatur nicht signifikant ändert, denn die Recheneinheit steckt tief im Inneren der Karte, weswegen das Öffnen des "Deckels" erst einmal kein Auswirkung hat. Unter längerer Last rechnete ich aber mit zumindest langsamer ansteigender Innentemperatur, da die Wärme, die von den Lüftern nicht ausreichend abgeleitet werden kann, sich nicht mehr sofort oben anstauen konnte.

Ergebnis

Diese These wurde bestätigt. Mit Backplate stieg die GPU-Temperatur vom Ausgangsniveau von 51 bis 52 Grad binnen 90 Sekunden auf 73 Grad. Der 180-Sekunden-Durchlauf endete bei 80 Grad. Und bei der Fünf-Minuten-Variante wurde die Karte mit 88 Grad fast ans Limit gebracht.

Nach dem Ausbau der Platte und Installation des Meshs lag die Starttemperatur bei 49 bis 50 Grad. 90 Sekunden Furmark-Last ließen diese auf 69 Grad hochschnellen, 180 Sekunden auf 76 Grad und die vollen fünf Minuten auf 82 Grad. Das zeigt – zumindest im Falle meines Systems –, dass die Backplate in der Tat ein relevanter Faktor für die Wärmeentwicklung der GPU ist.

Diese wurde durch die Entfernung klar verlangsamt, wobei der Effekt sich bei höheren Temperaturen zu verstärken scheint. Bei den Höchstwerten liegt der Vorteil bei gleicher Lastzeit bei vier bis sechs Grad. Gemessen am reinen Anstieg von der Basistemperatur liegt er bei zwei bis fünf Grad oder sieben bis elf Prozent.

Meiner subjektiven Beobachtung nach sinkt außerdem die Temperatur nun bei Lastreduktion erheblich schneller. Das Erreichen des 90er-Plateaus wird immer noch nicht gänzlich verhindert, aber hinausgezögert. Intervalle, in denen die Karte ihre Rechenfrequenz drosselt sind nun seltener und kürzer. Es steht anzunehmen, dass eine Entfernung des Meshs das Ergebnis (zulasten von stärkerer Verstaubung) noch etwas verbessern kann.

Die gemoddete Karte im Einsatz.
DER STANDARD/Pichler

Fazit

Wer sich für die A770 interessiert, sei beraten, anstelle der ohnehin nur noch als Restbestand erhältlichen Intel Limited Edition lieber die Varianten von Boardpartnern zu kaufen. Zur Auswahl stehen faktisch ohnehin nur die Bifrost-Edition von Acer sowie die große, aber ausgesprochen kühl laufende Phantom Gaming-Edition Asrock mit ihrem riesigen Heatsink und drei Lüftern. Sie gibt es allerdings nicht mit 16 GB VRAM, sondern ausschließlich mit acht. Die ausgesprochen hübsche "Photon"-Edition von Gunnir müsste man für viel zu teures Geld aus China importieren. 

Womit wir zurück beim "Bleeding Edge" sind. Wer unbedingt aufrüsten muss, verlässliche Performance auch in älteren Games will und nicht warten möchte, bis Intel mit seinen Treibern endlich das Maximum aus der Karte holt, sollte einen Bogen um die erste Arc-Generation machen. Sinkende Grafikkartenpreise eröffnen auch gute Alternativen von Nvidia und AMD im selben Preisbereich. Wer bereits die A770 LE und ein Temperaturproblem hat, ist natürlich eingeladen, meinen Versuch zu wiederholen. (gpi, 3.7.2023)