Satire Prigoschin Mittel-Alter
Kündigt zunächst einen Abstecher nach Moskau an, ehe er dann doch in Richtung Weißrussland eine Abzweigung wählte: Jewgeni Prigoschin, hier am vergangenen Samstag in Rostock am Don.
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Stets ist es der Juni, der das Bedürfnis nach gewaltigen Sommern weckt. In den Wiener S-Bahnen dünstet man auf hoher Garstufe. Myriaden von Schülern stehen sich, der Liebe zum Lehrstoff überhoben und zu Exkursionen genötigt, die kurzbehosten Beine in den Bauch.

Auf allen Seiten trifft man Anstalten für die Sommerfrische. Söldnerführer Jewgeni Prigoschin, ohnehin meist im Freizeitlook unterwegs, nutzt noch rasch die Annehmlichkeiten der Vorsaison. Er ist, nach einer Probefahrt auf Russlands Autobahnen, mit seinen liebsten Prätorianern Hals über Kopf nach Weißrussland verreist. Interessanterweise hat er viele Millionen Dollar in der Russischen Föderation zurückgelassen. Mag sein, er muss jetzt um die sündteuren Minsker Haubenlokale einen Bogen schlagen. Doch als Putins sprichwörtlicher Koch kann er selbst am besten für das leibliche Wohl seiner Lieben – Killer, Marodeure, Mordbrenner – sorgen.

Zwergpudel zwischen den Knien

Als kleiner Babyboomer freute ich mich inständig auf die Italienfahrten mit den Eltern. Sie glichen, zumal in den frühen Jahren der Kreisky-Ära, regelrechten Expeditionen. Der Zwergpudel wurde von der Beifahrerin zwischen die Beine geklemmt. Das Auto, ein röchelnder Ford Taunus, wurde um zwei Uhr in der Nacht gestartet – das heißt, man war bereits um vier hinter Judenburg und steckte auf der Bundesstraße zwischen gigantischen Fernlastern fest. Nach erfolgtem Grenzübertritt bemerkte meine Mutter, dass sie die Reisechecks – "Travellerschecks" – in der Küchenlade liegen gelassen hatte. Der alttestamentarische Zorn des Vaters war hinter Udine verraucht. Alle Reiseteilnehmer inklusive des Hundes wurden, mit Blick auf die bescheidene Barschaft, zu äußerster Sparsamkeit verpflichtet.

Für mich, den dicken, blauäugigen Buben, ging das Leben im Adria-Bad seinen gewohnten Gang. Hotelgehilfinnen steckten mir Wassereis zu, und ich konnte – in aller Unschuld – mit Arbeiterkindern aus Forlì die großen Landschlachten des Zweiten Weltkrieges nachspielen. Die Krieger waren sämtlich aus Plastik. Das Gute daran: Ihre Zahl schrumpfte, des Sandes wegen, mit jedem Urlaub noch mehr. (Ronald Pohl, 28.6.2023)