Wien – Rabatte haben ihren Preis. Händler bitten dafür Lieferanten zur Kasse. Kunden zahlen sie über persönliche Daten. Ihre Einkäufe lassen detaillierte Rückschlüsse auf künftiges Kaufverhalten und folglich auch gezielte Werbung zu. Fließen Daten von einem Unternehmen zum anderen, droht missbräuchliche Verwendung. Dennoch steht das Sammeln von persönlichen Profilen hoch im Kurs. Gelten diese doch als unerlässliches Mittel modernen Marketings.

Lebensmittel haben sich empfindlich verteuert. Das heizt die Jagd nach Rabatten an.
IMAGO/Martin Wagner

Vier Jahre ist es her, dass die Lebensmittelkette Rewe das Kundenbindungsprogramm Jö-Bonusclub in Österreich lancierte. Zwei Mal geriet Jö ins Visier der Datenschutzbehörde: Die Rewe-Tochter soll Kunden nicht ausreichend über die weitere Nutzung ihrer Daten informiert haben. 2021 verhängte die Behörde acht Millionen Euro an Strafe, gegen die der Konzern rechtlich vorging. Entsprechende Verfahren laufen.

Um neuen Konflikten vorzubeugen, baut der Rabattclub nun vor. Ab sofort stuft Jö die Kunden in drei Klassen ein. Wer den Goldstatus und auf seine Person zugeschnittene Vorteile will, muss neben Namen und Geburtsdatum Mail- und Wohnadresse preisgeben. Basismitglieder verzichten auf individualisierte Angebote. Bei der dritten Option reichen Alias-Name und E-Mail-Adresse.

Wahlfreiheit

In Zeiten multipler Krisen sei Kundenbindung wichtiger denn je, sagt Mario Günther Rauch. Der Geschäftsführer des Jö-Bonusclubs lobt die neue Wahlfreiheit für Mitglieder, derer man mittlerweile stattliche 4,4 Millionen zähle. Viele Konsumenten wollten aber individualisierte Services, "und dafür brauchen wir Informationen". Was den Datenschutz betrifft, zähle sein Unternehmen zu den Vorreitern.

Hannes Stummer, Datenschutzexperte von Epicenter Works, widerspricht. Personalisierte Angebote ließen sich technisch auch über Pseudonyme realisieren, erläutert er auf Anfrage des STANDARD. Keiner müsse dafür das Grundrecht auf Datenschutz aufgeben. Das werde den Kunden aber weiterhin nahegelegt.

790 Millionen Euro hätten Clubmitglieder seit 2019 bei 17 Partnern eingespart, rechnet Rauch vor. Konsumentenschützer sehen Händler dennoch mehr von der harten Währung der Daten profitieren als deren Kunden von Ermäßigungen, die anderswo wieder eingepreist würden. Abgesehen davon, dass Rabatte dazu verleiteten, mehr zu kaufen, als geplant war, und von Preisvergleichen abzusehen.

Wer zahlt die Kosten?

Die Kosten derartiger Rabattprogramme sind in jedem Fall immens. Günter Thumser, Chef des Markenartikelverbands, spricht von dafür nötigen Werbebudgets in zweistelliger Millionenhöhe. "Und der Handel versteht es aufgrund seiner starken Nachfragemacht hervorragend, diese Aktivitäten mehrheitlich von Lieferanten finanzieren zu lassen."

Viele Produzenten würden auch "nachdrücklich dazu ermahnt", dem Handel die gesammelten Daten abzukaufen, zeigten bisherige Erfahrungen. Ihr Wert sei für die Industrie umstritten, sagt Thumser. "Welcher Zulieferer hat schon die Expertise, mit riesigen Datenkonvoluten umzugehen?"

Spar folgt dem Beispiel der Rewe nach wie vor nicht. "Bei uns sind alle Kunden gleich", quittiert Konzernsprecherin Nicole Berkmann knapp. "Wir wurden auch ohne Rabattclub zum Marktführer in Österreich." Der Aufwand stehe in keiner Relation zum Nutzen. "Wir haben nichts davon zu wissen, dass jemand zweimal in der Woche Butter kauft." (Verena Kainrath, 14.6.2023)