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Reinhold Dörflinger (r.) mit Bundespräsident Heinz Fischer (l.) Ende Juli während einer Wanderung im Dachsteingebiet

Foto: APA/HBF/Dragan Tatic
Wer bei der Bergrettung ist, ist eigentlich rund um die Uhr einsatzbereit - sofern es der Beruf zulässt. Die ehrenamtliche Tätigkeit kann die Freizeitplanung ganz schön über den Haufen werfen, dafür sind die Retter nicht wegzudenken für Menschen, die auf heimischen Höhen in Not geraten. Der Präsident des Österreichischen Bergrettungsdienstes, Reinhold Dörflinger, erzählt im Gespräch mit derStandard.at/Karriere über den Ablauf von Rettungseinsätzen, Tragödien von Urlaubern im Gebirge und die Vereinbarkeit des freiwilligen Nebenjobs mit Beruf und Freizeit.

derStandard.at: Wie kommt es zu einem Einsatz der Bergrettung?

Reinhold Dörflinger: Wenn der Alarmruf über die Notrufnummer 140 kommt, landet er in der Landesalarm- und Warnzentrale. Diese verständigt dann die nächstgelegene Ortsstelle. Die potenziellen Retter werden dann automatisch über SMS informiert, wo der Treffpunkt ist und dann geht der Einsatz los. Wir haben unter der Woche und am Wochenende Bereitschaft.

derStandard.at: Wieviele Einsätze gibt es im Jahr?

Dörflinger: Wir haben österreichweit an die 7.000 Einsätze jährlich. Es ist natürlich wetterbedingt, aber grundsätzlich sind wir 365 Tage im Jahr rund um die Uhr einsatzbereit. Wir haben den Winter- , Pisten- und Lawinendienst, im Frühling Skitouren, sehr viele Vermisstensuchen, viele Gletscherspaltenbergungen - es ist permanent etwas los.

derStandard.at: Wie lange dauert ein Einsatz?

Dörflinger: Unter einer Stunde kommt man nicht weg. Stundeneinsätze sind eher Einsätze im Nahbereich. Sucheinsätze können auch über Tage dauern. Im Schnitt kann man sagen, dass ein Einsatz zwei bis drei Stunden dauert. Manche Einsätze müssen auch in der Nacht abgebrochen werden und in der Früh geht es weiter.

derStandard.at: Sind die Einsätze ehrenamtlich?

Dörflinger: Ja, ich mache das seit über 30 Jahren. Ich war nie frei gestellt für diese Sache, sondern habe alles nebenbei freiwillig gemacht. Die Freizeit teilt man eben 50:50, die Familie muss natürlich mitspielen. Wenn irgendwo eine Störung war, habe ich das oft mit einem Ausflug für die Familie verbunden.

derStandard.at: Wie sieht es mit der Vereinbarkeit mit dem Beruf aus?

Dörflinger: Die Mitglieder gehen vom Job weg um Einsätze zu machen, wenn es möglich ist. Es gibt immer welche auf Reserve, wenn jemand zum Beispiel von einer Maschine nicht weg kann. Bei uns sind alle Berufsgruppen vertreten. In Kärnten haben wir 840 Bergrettungsmitglieder, natürlich auch Frauen.

derStandard.at: Wer sind diejenigen, die die Notrufe auslösen?

Dörflinger: Schon eher unerfahrene Urlauber. Manche haben keine passende Ausrüstung mit und auch keine Ausbildung. Man muss bedenken, jeder Einsatz ist kostenpflichtig. Wir verrechnen eine Aufwandsentschädigung, die die Kosten abdecken soll, die bei der Bergung entstehen. Da haben wir schon große Probleme bei Touristen, die keine Bergekostenversicherung besitzen.

derStandard.at: Was sind die Hauptprobleme, mit denen Touristen am Berg zu kämpfen haben?

Dörflinger: Das Problem sind vor allem die Wetterumschwünge, die Touristen oft nicht kapieren - nämlich, dass es so schnell gehen kann. Die denken sich oft, es wird schon nichts passieren. Im Gebirge kann ein Wetterumschwung aber sofort Vereisung, Schneefall und Kälte bringen. Man muss bedenken, dass es im Tal 35 Grad haben kann und oben hat es plötzlich Minusgrade.

Im Winter gibt es schon oft Tragödien. Letztes Jahr ist ein Vater mit seinem Sohn ins Hochalmgebiet gegangen, sie haben kurze Ärmel gehabt und nichts Warmes im Rucksack. Der Sohn hat überlebt, weil er noch mehr Kräfte hatte und noch in tiefere Regionen gekommen ist. Bis man aber dann den Vater gefunden hat, war er erfroren.

derStandard.at: Was raten Sie präventiv, damit es zu derartigen Unglücken nicht so leicht kommt?

Dörflinger: Die Menschen sollen fragen, wie das Wetter wird und sich in den Hütten eintragen, wohin sie gehen. Wenn sie den Gipfel erreichen, sollten sie sich ins Gipfelbuch einschreiben, damit die Rettungsmannschaft einen Anhaltspunkt hat.

Aber nicht so, wie in Salzburg vor wenigen Wochen: Da hat eine Gruppe gesagt, sie geht irgendwo hin, dann hat es eine groß angelegte Suchaktion gegeben, 150 Leute waren insgesamt unterwegs. Dann sind wir draufgekommen, dass sie irgendwo in Jesolo in Italien geurlaubt haben. So etwas darf nicht passieren. Das zahlt dann der Steuerzahler.

derStandard.at: Was ist für Sie das Schöne an dem ehrenamtlichen Beruf?

Dörflinger: Dass ich den Menschen helfen kann, wenn sie im unwegsamen Gelände Probleme haben und sie sicher wieder ins Tal bringen kann. So wie das ein Rettungsmann im flachen Gelände macht, machen wir das eben am Berg.

derStandard.at: Wie ist das für Sie, wenn jemandem nicht mehr geholfen werden kann?

Dörflinger: Das ist sehr tragisch, aber wir leben damit, wir haben auch eine psychologische Betreuung.

derStandard.at: Gibt es auch etwas, das Sie manchmal stört?

Dörflinger: Vor allem stört mich, dass manchen Geretteten nicht einmal ein Dankeschön über die Lippen kommt. Es kommt sehr oft vor, dass das die Menschen als eine Selbstverständlichkeit auffassen.

derStandard.at: Wie sind Sie zur Bergrettung gekommen?

Dörflinger: Angefangen habe ich 1967 im Österreichischen Bergrettungsdienst in der Ortsstelle Klagenfurt, damals bin ich als einfaches Mitglied dazu gestoßen aufgrund eines Vorfalles in meiner Familie. Das war der Ausgangspunkt, wobei ich in jungen Jahren schon auf den Bergen unterwegs war, mit neun war ich schon am Sonnblick mit meinem Vater und hab das Bergsteigen schon immer gemocht. Das ist auch die Voraussetzung im Bergrettungsdienst. In den Siebzigern habe ich gemeinsam mit einem Kollegen die Funkangelegenheiten in Kärnten aufgebaut.

derStandard.at: Wie verbringen Sie Ihren Urlaub? Dörflinger: Ich mache gerne Urlaub am Meer, aber natürlich auch Almurlaub und gehe sehr gern private Bergtouren. (mat, derStandard.at, 16.8.2007)