Arthur Friedenreich

Berlin - Er war der erste Stürmerstar Brasiliens. Er schoss mehr Tore als Pelé, gilt als Erfinder des Schusses mit Fett'n, erlangte Berühmtheit aufgrund seiner eleganten Spielweise und seiner Körpertäuschungen. Arthur Friedenreich, Sohn eines Hamburger Ingenieurs und einer brasilianischen Wäscherin, ist mit 1329 von der FIFA anerkannten Toren in 26 Jahren der bis heute erfolgreichste Torjäger der Welt. Der Weltruhm blieb aus, weil Friedenreich aufgrund des damals offenen Rassismus nur 22 Länderspiele und keine WM bestritt.

Pelé, der laut Statistik auf 1281 Karrieretreffer kam, spricht voller Bewunderung über den vergessenen Superstar: "Arthur war ein ganz, ganz großer Spieler in Brasilien. Mein Vater hat mir viel von ihm erzählt."Zum Beispiel von seiner Heldentat im Finale der Südamerika-Meisterschaft gegen Uruguay 1919, als Friedenreich in der 150. Minute (!) mit dem Siegestor ganz Brasilien in einen Freudentaumel versetzte.

Unbotmäßigkeit

"In den feierlichen Ernst der weißen Stadien brachte Friedenreich die frech-vergnügte Unbotmäßigkeit der kaffeebraunen Jungen, die ihren Spaß dabei haben, in der Vorstadt einen Ball aus Lumpen zu treten", schrieb der uruguayische Dichter Eduardo Galeano über den im Viertel Luz (Licht) in São Paulo geborenen Friedenreich. Sein Stammklub war der Sport Club Germania, ein Verein für deutschstämmige Spieler. Das Volk verehrte ihren "Pe de Ouro"Friedenreich, den "Goldfuß", seine Mitspieler trugen ihn auf den Schultern durch die Straßen São Paulos. Das Bild trog, der dunkelhäutige Friedenreich musste mit dem Rassismus leben. Fußball war Anfang des 20. Jahrhunderts der reichen weißen Oberschicht vorbehalten.

Zwar durfte der dunkelhäutige Friedenreich aufgrund seiner deutschen Abstammung anfangs in der Seleção mitwirken, doch Fouls an ihm wurden nicht gepfiffen. Damit seine Gegenspieler ihn nicht erwischten, täuschte der Stürmer stets eine Bewegung an, um dann genau in die andere Richtung zu ziehen. Die Körpertäuschung war geboren.

Um seinen weißen Mitspielern ähnlicher zu sein, musste er vor jedem Spiel mit Pomade sein krauses Haar glätten und sein Gesicht mit Reismehl beschmieren. Vor fremdenfeindlicher Ausgrenzung hat ihn das aber genauso wenig bewahrt wie seine vielen Tore und die sieben Meistertitel.

Ein WM-Spiel blieb dem Ausnahmespieler verwehrt. Als die WM 1930 in Uruguay Premiere feierte, schloss der brasilianische Liga-Präsident alle Spieler aus São Paulo von der Teilnahme aus. Vorausgegangen war ein Streit der Hauptstadt-Vereine mit den Klubs aus Rio de Janeiro. Bei der WM 1934 war Friedenreich mit 42 Jahren zu alt.

Frustriert beendete er ein Jahr später seine Karriere, geriet in Vergessenheit, arbeitete in einer Brauerei, ehe er im Alter von 77 Jahren verarmt verstarb. Ein Denkmal in São Paulo erinnert an Arthur Friedenreich. (DER STANDARD Printausgabe 01.07.2006)