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Foto: APA/Galerie Belvedere
Wien/Los Angeles - Das Schiedsgericht, das den Bloch-Bauer-Erben die fünf Klimt-Gemälde aus der österreichischen Galerie Belvedere zugesprochen hat, muss noch einen weiteren Fall verhandeln, der eine zusätzliche Facette hat: Neben den Bloch-Bauer-Erben beansprucht auch die Erbengruppe Müller Hofmann Gustav Klimts "Portrait der Amalie Zuckerkandl", das seit 1988 im Eigentum der Österreichischen Galerie Belvedere steht. Der nächste Verhandlungstermin ist am 28. Februar.

Zwei Fragen zu klären

Das Schiedsgericht steht nun vor der schwierigen Aufgabe, gleichzeitig zu klären, ob ein Restitutionsfall vorliegt, und wenn ja, an wen das Bild zurück zu geben ist. Die Familie Müller Hofmann wird vom Wiener Rechtsanwalt Alfred Noll vertreten, der das dem Schiedsgericht "bis jetzt vorliegende Material für ausreichend" hält. Der einzig unstrittige Punkt für beide Parteien ist laut Noll und dem Anwalt der Gegenseite E. Randol Schoenberg der Umstand, dass das Bild 1938 nachweislich im Palais Bloch-Bauer in der Elisabethstraße hing. Die Differenzen fangen beim Eigentumsnachweis an.

"Schoenberg hat keinen Eigentumsnachweis, der Bloch-Bauer als Besitzer belegen würde", meint Noll. Das Bild wäre nämlich in seiner bewegten Geschichte "mehrfach zwischen den eng befreundeten Familien hin und hergegangen", so Noll. Auch im "Sicherstellungsbescheid" von 1939 wurde es nicht als "sicherzustellender Bestand" der Sammlung Bloch-Bauer aufgenommen. Möglicherweise minderte die Darstellung einer Jüdin im Nazi-Verständnis den Kunstwert, so Noll.

In Geldnot verkauft

Ursprünglich besaß Amalie Zuckerkandl das Porträt, das Klimt kurz vor seinem Tod 1918 gemalt und nicht mehr fertig gestellt hatte. Im Gegensatz zur reichen Industriellenfamilie Bloch-Bauer befand sich Zuckerkandl nach ihrer Scheidung 1919 öfters in Geldnöten, weshalb sie das Bild bereits in den zwanziger Jahren zweimal an Bloch-Bauer verkauft hatte. Er unterstützte die Freundin auch später laufend mit Geldbeträgen.

Heute nicht mehr zu klären ist, ob Ferdinand Bloch-Bauer aus dem Exil in Zürich die Anweisung gab, das Bild zwecks Finanzhilfe wieder an Zuckerkandl zu übergeben, was Noll für "plausibel" hält. Das wäre für den Anwalt auch die Erklärung dafür, warum die Familie Bloch-Bauer das Bild nach 1945 nicht vermisst und folglich nicht beansprucht hatte. Noll: "Mein Argument ist, es gibt kein Argument, warum nicht die Müller Hofmanns die rechtmäßigen Eigentümer sein sollten".

"Fantasie"

Schoenberg kontert, dass die Beweislast umgekehrt sei: "Noll hat keine legale Handhabe, und er weiß das." Die Möglichkeit eines Geschenkes sei "eine Fantasie", für die es "keinerlei Beweise gibt". "Wir wissen, dass das Bild in Ferdinand Bloch-Bauers Schlafzimmer hing, und dass seine Sammlung 'zur Gänze liquidiert' wurde, wie es in einem Bundesdenkmalamts-Bescheid heißt. Das Bild war in Ferdinand Bloch-Bauers Sammlung und wurde aus dieser entfernt. Was für Beweise braucht man mehr?"

Theorie "nicht sinnvoll"

Darüber hinaus würde selbst eine Schenkung durch Bloch-Bauer an die Familie Müller Hofmann unter das Nichtigkeitsgesetz fallen, erläutert Schoenberg. "Noll hat keine Beweise und eine Rechtstheorie, die nicht einmal sinnvoll ist", so der Anwalt. Das Bild habe nicht Zuckerkandl oder ihre Tochter, sondern der "nichtjüdische Schwiegersohn Wilhelm Müller Hofmann verkauft. Ich glaube, dieser wollte eine Kommission erhalten. Die Frage ist: Wäre das alles ohne die Machtergreifung der Nazis geschehen? Klarerweise nicht".

"Arier-Nachweis" durch Verkauf finanziert

Alfred Noll hält entgegen, es sei nachweislich, dass Amalies Tochter Hermine Müller Hofmann das Bildnis ihrer Mutter 1942 verkaufen musste, um sich als "Halbjüdin" einen "Arier-Nachweis" zu finanzieren. Dies tat sie in der Galerie des emigrierten Freundes Otto Kallir, wo sie von dessen statthaltender Geschäftsführerin Vita Künstler 1.600 Reichsmark (RM) erhielt, obwohl der Versicherungswert bei 10.000 RM gelegen hatte.

Hermine konnte so in Bayern untertauchen und überlebte den Nationalsozialismus. Mutter Amalie Zuckerkandl und Schwester Nora Stiasny wurden dagegen 1942 in den Osten deportiert und vermutlich im Vernichtungslager Belzec ermordet.

1948 bot Künstler Hermine zwar einen Rückverkauf an, den diese aber mangels Mitteln nicht hätte tätigen können, aber aus Dankbarkeit für die frühere Hilfe auch nicht wollte. Auch ein Rechtsstreit mit der Republik Österreich kam für Hermine, die Menschen und Vermögen verloren hatte, nicht in Frage. Künstler schließlich schenkte 1988 das Porträt der Österreichischen Galerie im Gegenzug dafür, ein Schiele-Bild ihres Besitzes nach einem Verkauf an Ronald Lauder ausführen zu dürfen. Nach ihrem Tod 2001 gelangte es schließlich ins Belvedere.

Nichtigkeitsgesetz

Noll: "Für die Restitutionsfrage ist entscheidend, wer damals ein Geschäft gemacht hat, das unter dem Nichtigkeitsgesetz betrachtet, nichtig wäre. Durch den nachweislichen Notverkauf ist die Nichtigkeit hier gegeben." Zudem sei das Bild unentgeltlich in den Bestand des Belvedere gelangt, so Noll, was nach dem Restitutionsgesetz ebenfalls erforderlich ist, wie auch der Umstand, dass es kein Rückstellungsverfahren nach 1948 gab.

Auch Schoenberg bezieht sich auf die Nichtigkeit, setzt diese aber schon früher an, nämlich bei der Entfernung des Bildnisses aus Bloch-Bauers Schlafzimmer. "Die Schenkung durch Vita Künstler war sicher rechtmäßig, aber zuvor war das Bild Gegenstand eines Rechtsgeschäftes unter dem Nichtigkeitsgesetz", so Schoenberg.

"In der selben Position wie Arisierer"

"Obwohl die Müller Hofmans zweifelsfrei Opfer sind, stehen sie hier in der selben Position wie die Arisierer, denn Wilhelm Müller Hofmann hat das Gemälde auf irgendeine Weise von Bloch-Bauer bekommen. Es ist egal, wie er es bekommen hat, es fällt jedenfalls unter das Nichtigkeitsgesetz", sagte Schoenberg, der jedoch "nicht leugnen will, dass der Zuckerkandl-Familie "schreckliche Sachen angetan" wurden und der auch ein anderes Familienmitglied in einem anderen Fall vertritt.

Den von der Gegenseite geäußerten Vorwurf, dass es unmoralisch sei, den Verwandten der im KZ umgekommenen Amalie Zuckerkandl das Bild vorzuenthalten, weist Schoenberg zurück. "Was ist moralisch daran, ein Bild seinem rechtmäßigen Besitzer wegzunehmen?", kontert Schoenberg in Hinblick auf Ferdinand Bloch-Bauer.

Abschluss für April erwartet

Für den Verhandlungstermin am 28. Februar erwartet Noll, dass "entweder Schluss sein wird, oder dass die Parteien zu einer letzten Stellungnahme eingeladen werden". Schoenberg hofft, dass der Fall im März oder April abgeschlossen sein wird. Im Vergleich mit den anderen Klimt-Bildern sei der Fall "rechtlich einfacher", jedoch durch die Ermordung von Zuckerkandl "emotional schwieriger". Noll auf die Frage, was er tun werde, sollte Maria Altmann das Bild zugesprochen bekommen: "Wir werden jedes Urteil zur Kenntnis nehmen, auch wenn es meiner Meinung nach falsch sein sollte".

(APA)