Foto: Standard/Andy Urban
Es ist das zehnte Großkino in Wien. Der Verdrängungskampf wird härter - vor allem bei rückläufigen Besucherzahlen.

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Wien - "Wir gehen als zehntes Großkino in den Ring und werden Kino-Power machen", gibt sich Baumeister Richard Lugner kampfeslustig. Am Dienstag, einen Tag vor der Premiere, bei der die Seitenblicke-Gesellschaft die neue Lugner Kino City einweihen wird, sind noch 800 Bauarbeiter wie die Heinzelmännchen im Dauereinsatz - offizieller Eröffnungstermin für die Kinobesucher ist dann der 1. September.

Auch die Konkurrenz sei nervös, weiß Lugner. Schließlich ist das Ziel für das Kinozentrum mit 13 Sälen und 1840 Sitzplätzen hochgesteckt: 550.000 Besucher erwartet der Baumeister für das erste Jahr. Lugner weiß auch schon, wer sich fürchten muss: "Dem Apollo-Kino und der Millennium City werden wir Besucher wegnehmen."

Tatsächlich ist der Wiener Kinomarkt schon jetzt mit Großkinos übersättigt, die Besucherzahlen sind rückläufig. Im ersten Halbjahr 2005 verzeichneten die österreichischen Kinos mit rund sieben Millionen Besuchern einen Rückgang von 18,3 Prozent. Das Lugner-Kino ist bereits das zehnte Kino mit über 1500 Sitzplätzen. "Man kann auch in einem hochbesetzten Markt erfolgreich sein - wenn man andere verdrängt", bestätigt Wolfgang Richter, Geschäftsführer von Regioplan Consulting, Spezialist für Standortanalysen. Er kann sich vorstellen, dass künftig weitere Großkinos aufsperren könnten, wenn sie an einem gut erreichbaren Einkaufszentrum liegen - andere würden verdrängt.

Das Kinosterben ist längst Alltag in Wien: Nach dem Megaplex-Boom in den 1990er-Jahren, mussten viele Großkinos Einbußen hinnehmen, 2002 wurde das Kino in der Lassallestraße geschlossen, das Multiplex bei der Reichsbrücke wird umgebaut.

Lugner will mit der Lage direkt am Gürtel im 15. Bezirk punkten, wo es eine hohe Bevölkerungsdichte, aber wenig Angebote gibt. Gratis-Parkplätze, Gratis-Sportübertragungen, die neue Glasbrücke über den Gürtel und natürlich das nunmehr um zwei Ebenen erweiterte Lugner-Einkaufszentrum sollen zusätzlich Gäste anziehen. "Wir wollen nicht über den Preis kämpfen, sondern mit einer qualitativ hochwertigen Entertainmentlandschaft", beschreibt Lugner seine Strategie. Besonders stolz ist er auf die Sessel, die mit verstellbaren Lehnen ausgerüstet sind und mit 1,40 Meter Abstand zur nächsten Reihe genügend Beinfreiheit bieten. Für anspruchsvolle Besucher gibt es in vier Sälen einen VIP-Bereich, die "Lugner Lounge" mit einem Reihenabstand von zwei Metern.

Herbert Dörfler, Präsident des Verbandes der Wiener Lichtspieltheater, glaubt, dass vor allem "daneben produzierte" Blockbuster und die Internetpiraterie den Kinos an die Substanz gehen. Er ist aber überzeugt, dass sich der Kinomarkt nach einem schlechteren Zyklus wieder erholt. Die Krisen der Multiplexe seien zum Großteil hausgemacht - beispielsweise zu hohe Betriebskosten. Problematisch sei, dass die Megaplexe in Marktnischen vordringen, die traditionell den kleineren Programmkinos vorbehalten sind: Immer öfter werden dort auch Filme in Originalsprache angeboten.

Damit die kleinen und mittleren Kinos in Wien nicht ganz unter die Räder kommen, setzt die Gemeinde auf ihre Kinoförderung: 726.000 Euro werden dafür jährlich bereitgestellt. Für Herbert Dörfler ist das zu wenig: Da "die Suppe dünner" werde, sei dringend mehr Kinoinvestitionsförderung für kleinere Kinos nötig. (Karin Krichmayr, Peter Mayr, DER STANDARD - Printausgabe, 31. August 2005)