Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Von Montag bis Freitag täglich eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Es war heute morgen. In – besser rund um - die Hofburg. Aber nachdem mein Mitläufer erkannte, dass die Menschenmasse hier auf Sisi oder Lipizzaner wartete, sondern Hiesige, waren wir zunächst ratlos – und hatten dann ein deja vu. Es war, als wäre der Film von damals ins echte Leben getreten.

Zugegeben: Wir gehören beide zu jener Spezies Mensch, die das bloße Vorhandensein von PS nicht sonderlich erregt. (Keine Angst: Wir haben andere Krankheiten.) Aber vielleicht entschuldigt das ja unsere Ahnungslosigkeit: Wir hatten Gumball nämlich vergessen.

Respektlose Polizei

Und so trabten wir nichts ahnend in eine stattliche Menschenmenge - und brauchten eine Weile, bis wir heraus hatten, worauf die Leute warteten: Erst als wir einem Radarpistolentrupp-Polizisten lauschten, der einem ob dieser Respektlosigkeit den Stars gegenüber ziemlich empörten Passanten erklärte, dass es ihm völlig wurscht wäre, wer in einem Wagen säße, wenn der mit überhöhter Geschewindigkeit auf einen Zebrastreifen (oder eine Kindergartengruppe) zurase, schnallten wir: Gumball 3000. Ein paar Leute führen Boliden Gassi – und die Meute steht am Straßenrand und klatscht.

Mein Mitläufer dürfte denselben Gedanken gehabt haben: „Klingt irgendwie nach Deathrace 2000“, grinste er, „aber ob die da auch das Publikum punkten?“ Auf alle Fälle, meinte mein Buddy, habe er schon damals, als er David Carradine und Silvester Stallone mit ihren Autos quer durch die USA fahren sah, überlegt, ob man dieses Setting nicht tatsächlich in die Realität umsetzen könne.

Fummelkino

Wir hatten „Deathrace“ in den frühen 80er-Jahren gesehen: Sowohl die Mädchen als auch wir hatten Eltern zu Hause. Wir hätten uns also genauso in einen usbekischen Schwarzweiß-Landschaftsfilm gesetzt. Aber es lief eben „Deathrace“. Nur: Fummeln war nicht. Denn auch ohne jede cineastische Vorbildung war uns 14-Jährigen klar, dass sich die Filmfolie wohl für ihren Inhalt schämen musste. Und weil das nicht geht, schämten wir uns. Stellvertretend für das Celluloid. Wegschauen ging nicht.

Bei Deathrace fahren Menschen um die Wette und bekommen nicht nur fürs Schnellfahren, sondern auch – und vor allem – fürs Passanten-und-sonstiges-Personal-Niedermähen Punkte Irgendwann wird auch der Papst „gepunktet“. Aber in der Regel sieht man jubelnde Fans am Straßenrand, die sich überfahren lassen – und das auch noch cool finden. Zugegeben: Es gibt Handlung. In Spurenelementen. Es geht um Freiheit, Unterdrückung und ein despotisches Regime. Oder so ähnlich.

Unauffindbar

Auf jeden Fall, waren sich seither alle, die damals dabei waren einig, ist „Deathrace 2000“ der mit Abstand dümmste Film, den wir je gesehen hatten. Und noch Jahre später versuchten wir, den Film auf Video oder DVD zu besorgen – einfach zu beweisen, dass wir uns das nicht bloß eingebildet hatten. Vergeblich.

Nun aber, sagte mein Mitläufer, werde alles gut werden: Anstelle der Deathrace-Szenen aus dem Netz könnten wir Bilder von hier & jetzt vorlegen: 10.000 Menschen, die einen halben Tag lang darauf warten, dass ein paar Sportwägen vorbeifahren. Und enttäuscht sind, dass die, die da kommen, sich dann doch nicht trauen, im Stadtgebiete sämtliche Regeln des Andere-Überleben-Lassens zu brechen.