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Viel Pracht braucht in Hinkunft auch viele ehrenamtlich tätige "Freunde": Die Albertina sucht Informationspersonal - kann und will es aber offenbar nicht bezahlen.

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Nein, keine Hasenverwirrung soll hier neuerlich erzeugt oder gar angeprangert werden. Keine Hasenehre und keine Hasenschande. Davon hat es schließlich schon genug gegeben. Verwirrungen anderer Art geben zu denken, die am Rande wohl auch mit Ehre und Schande zu tun haben.

Schon vor längerer Zeit erreichte mich ein ungewöhnliches Schreiben, das mich verwirrte. Der Absender auf dem Kuvert lautete: Magistrat der Stadt Wien, darunter befand sich ein Stempel des Pädagogischen Instituts der Stadt Wien. Nichts Ungewöhnliches, dachte ich vorerst, hatte ich doch vor Jahren mit dem Pädagogischen Institut zu tun.

Das Kuvert aber enthielt einen Brief der Albertina, gezeichnet von der "Kulturvermittlung". Man wolle die Serviceleistung für die Besucher und Besucherinnen aus der ganzen Welt verbessern und man plane einen Informationsstand im "eleganten" Eingangsbereich der Albertina, in zentraler Nähe zum Eingang, den Kassen, dem Shop und dem Café.

Für diesen Informationsstand würde man Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen suchen, ehrenamtlich, versteht sich. Information solle man geben zur Orientierung im Palais (Etwa: Wo bitte sind die Toiletten?), zu den Ausstellungen (vielleicht: Wo ist denn der Hase jetzt?) und zum Neu- und Umbau (Was hat eigentlich das Marmorfoyer gekostet?). Eine lebende Fremdsprache möge man optimalerweise beherrschen und an mindestens (!) drei Halbtagen im Monat zu je vier Stunden Zeit und Freude (!) haben, den Besuchern im weitläufigen Albertina-Palais behilflich zu sein.

Als Dank dürfe man Mitglied der Freunde der Albertina sein, auch die Shop-Produkte um zehn Prozent billiger erstehen. Und einen Katalog pro Jahr dürfe man sich aussuchen, nach freier Wahl. An den Führungen dürfe man natürlich auch teilnehmen. Und eine Freikarte pro Ausstellung für eine weitere Person würde man bekommen. Und - welche Ehre: Vierteljährlich würde man zu einem (verpflichtenden?) Info-Termin eingeladen, bei dem es ein Glas Sekt geben würde.

Meine Verwirrung war noch größer geworden. Hier war etwas, das ich nicht verstand, obwohl ich als Germanistin des Lesens und Dekodierens schräger Texte kundig bin.

Hier sprach mich also jemand an (Der Magistrat der Stadt Wien? Das Pädagogische Institut? Doch die Albertina selbst?), der mir - ja, jetzt begriff ich erst nach dem dritten Durchlesen - allen Ernstes vorschlug, im eleganten (!) Foyer des Palais zu stehen, zur Verfügung zu stehen für Gottes Lohn und die Liebe zur Kunst. "Ohne das Engagement der Freunde der Albertina ist die Verwirklichung dieses Vorhabens nicht möglich", hieß es im Text.

Mir kamen die angloamerikanischen Methoden in den Sinn, ältliche gebildete Herrschaften, vorzugsweise Damen, versteht sich, für Wohltätigkeitsveranstaltungen zu gewinnen, für den guten Zweck, fürs Pfarrwohl, für die Mission, die soziale Tat. Und eine soziale Ader hatte ich ja schon immer gehabt, ich gebe es zu, hatte es doch in meinem Berufsleben viel Freiwilliges gegeben, dem allgemeinen Motto früher Jahrhunderte erliegend: "Teachers don't earn money, they have satisfaction instead."

Die Albertina, wie bedenklich, könne oder wolle sich offensichtlich keine bezahlten Mitarbeiter leisten, wurde mir plötzlich klar, keine Studenten, die mit einem Stundenlohn von zehn Euro, abzüglich Steuern, diese Aufgaben übernehmen. Ist diese Aktion vielleicht jetzt eine allgemeine Gepflogenheit?

Ist es Usus, dass Pensionisten nun verstärkt in öffentlichen Einrichtungen ehrenamtlich mitarbeiten und so zum Gemeinwohl beitragen? Gäbe es vielleicht schon ein Schreiben der Richtervereinigung, etwa, das den Altgedienten vorschlägt, die Klienten in den Amtsgebäuden am Eingang in Empfang zu nehmen, deren Fragen zu beantworten und sie schließlich in die passenden Stockwerke zu schicken? Oder die Aufforderung der Ärztekammer an pensionierte Ärztinnen und Ärzte, ehrenamtlich im eleganten Foyer (natürlich nicht Palais) des AKH einen Informationsstand zu besetzen? Als Dank zehn Prozent Vergünstigung beim Kauf von Medikamenten in bestimmten Apotheken?

Und wie, bitte schön, ist denn die Albertina an meine Adresse gekommen? Wieso wusste man, dass ich vor Jahren am Pädagogischen Institut gearbeitet hatte und jetzt in die Jahre gekommen war? Sollte es da geheime Verbindungen geben? Leichtfertigen Datenaustausch? Wo kein Datenschutz, da auch kein Hasenschutz, dämmerte mir. Und jetzt bin ich ja doch beim Hasen gelandet, obwohl ich gar nicht wollte.

Der musste auch herhalten fürs Renommieren. So einfach ist das. So billig. Und er kann sich nur mit sanftem Erblassen wehren. Da bin ich schon besser dran, denke ich. Ich muss ja nicht dienen, aber ich darf: im Harriet Hartmann Court, im eleganten Eingangsbereich. Freilich wird es Menschen geben, denen diese angebotene Arbeit Freude macht. Für mich aber lauert hinter diesem "Angebot" eine Absicht, die verstimmt und die nach Ausbeutung riecht. Zugegeben, nur für feine Nasen. Für Hasennasen. (DER STANDARD, Printausgabe vom 18.4.2005)