Erschöpfung, Lustlosigkeit oder sogar Depression: Der männliche Zyklus beziehungsweise die Andropause kann ähnliche Symptome hervorrufen, wie sie viele Frauen im Wechsel erleben. Nur spricht bei den Männern niemand darüber.

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Den Zyklus kennt man in erster Linie von Frauen. Im Schnitt dauert er 28 Tage und geht einher mit hormonellen Veränderungen – die auch Stimmungsschwankungen, plötzliche Anfälle von Wut oder Niedergeschlagenheit oder Fressanfälle mit sich bringen können. Doch auch Männern haben eine Art Zyklus – und einen Wechsel, wenn sich mit dem Älterwerden die Hormone verändern.

Anders als bei Frauen dauert der Hormonzyklus nicht rund vier Wochen, sondern 24 Stunden. In diesem Zeitraum verändern sich nämlich die männlichen Geschlechtshormone, allen voran das Testosteron. Dessen Spiegel verläuft in einer wellenförmigen Bewegung, mit einem Höchststand in der Früh, im Laufe des Tages nimmt die Konzentration permanent ab. In der Nacht wird dann wieder nachproduziert. Aber die Männer können aufatmen. Diese Schwankungen lösen bei ihnen in aller Regel keine ähnlichen Symptome aus, wie manche Frauen sie aus der zweiten Hälfte ihres Zyklus kennen.

Bei den Frauen endet der Zyklus, wenn sie in den Wechsel kommen und in der Folge die Menopause einsetzt. Auch hier gibt es eine Analogie bei den Männern. Denn mit dem Älterwerden lässt die Testosteronproduktion nach, es kann zur sogenannten Andropause kommen. Diese kann mit den gleichen typischen Symptomen einhergehen wie der Wechsel, etwa Schweißausbrüche, Erschöpfung, generelle Lustlosigkeit oder auch Libidoverlust.

Griffiger Lifestyle-Begriff

Den Begriff Andropause findet Michael Eisenmenger, Urologe in Wien und spezialisiert auf Männergesundheit, dabei nicht ideal, "aber er ist halt griffig". Dass sich bei Männern aber etwas verändern kann, bestätigt er. Zwei Körperbereiche sind für den Spiegel des männlichen Geschlechtshormons hauptverantwortlich, der Hypothalamus und die Hoden. "Der Hypothalamus steuert die Testosteronproduktion über einen Feedbackmechanismus, er wirft sie an, sobald der Level im Blut zu weit abgesunken ist. Beim älteren Mann funktioniert er aber nicht mehr so konstant. Parallel lässt die Testosteronsekretion in den Hoden nach, das kann in Kombination dann zu Problemen führen."

Die Veränderung ist aber bei weitem nicht so massiv wie bei der Frau, der Testosteronspiegel sinkt um 1,2 bis 1,6 Prozent pro Jahr. Das beginnt bereits ab einem Alter von 40 Jahren, viele merken es gar nicht. Doch immerhin sechs Prozent der Männer haben massive Hormonprobleme, der medizinische Fachausdruck dafür lautet funktioneller Hypogonadismus. Typische Symptome sind Antriebslosigkeit, Libidoverlust, Schweißausbrüche, Müdigkeit, Gereiztheit oder auch körperliche Folgen wie Osteoporose.

Der Bauch ist schuld

Auslöser der Probleme ist sehr oft ein ungesunder Lebensstil. Bei Übergewicht etwa lagern sich die Fettzellen bei den Männern vorwiegend im Bauch an. Speziell das viszerale Fett beeinflusst aber die Hormonproduktion, weil die Bauchfettzellen Aromatase produzieren. Das ist ein Enzym, das Testosteron in Östradiol umbaut, ein weibliches Geschlechtshormon. Das greift wiederum in den Regelmechanismus des Hypothalamus ein, der ohnehin schon sinkende Testosteronspiegel wird weiter abgesenkt.

Hat Mann den Verdacht, dass etwas mit dem Hormonhaushalt nicht stimmt, sollte er seinen Testosteronlevel überprüfen lassen – und zwar in der Früh, betont Eisenmenger, weil da ja der Spiegel am höchsten ist im Tagesverlauf. "Das ist wirklich wichtig, weil das hormonelle Gleichgewicht einfach enorm viel steuert. Man hat gar nicht am Schirm, wo das Testosteron überall mitmischt." Blutarmut und starke Müdigkeit können etwa davon kommen, ebenso ein unerklärlicher Verlust von Muskelmasse. Ein weiterer Hinweis ist auch ein sogenanntes Bagatelltrauma, wenn man sich trotz leichter Belastung etwas bricht. "Dann sollte man auch beim Mann durchaus an Osteoporose denken."

Michael Eisenmenger ist Urologe und nennt sich selbst "Der Männerarzt". Die männliche Gesundheit ist ihm ein besonderes Anliegen.
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Fehlt es am männlichen Geschlechtshormon, kann man außerdem über eine Hormonersatztherapie nachdenken. Im Normalfall wird dann Testosteron in einer Creme über die Haut verabreicht, ähnlich wie das auch Frauen bei der Hormonersatztherapie bekommen. Früher gab es auch Kapseln, berichtet Eisenmenger, die belasteten aber die Leber. Und theoretisch gibt es auch ein Testosteronimplantat, das setzt der Experte aber nicht ein: "Ich verschreibe Testosteron in einer öligen Flüssigkeit, das man in den Gesäßmuskel spritzt. Das ist aber nicht so wie beim Bodybuilding, wo sich manche wirklich hohe Dosen reinjagen für mehr Muskelmasse. Mit dieser Therapie wird unter medizinischer Kontrolle ein Defizit ersetzt." Das ist deshalb wichtig, weil es bei falscher Anwendung auch Nebenwirkungen geben kann, etwa Herzbeschwerden, ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder auch Depressionen.

Penis als Antenne des Herzens

Hormonersatztherapie hat bei manchen einen schlechten Ruf. So wird etwa die Nebenwirkung kolportiert, dass sich dadurch das Risiko für Prostatakrebs erhöhe. Doch Eisenmenger beruhigt: "So eine Therapie kann kein Karzinom auslösen. Ja, die Prostata ist bei älteren Männern oft vergrößert, aber das passiert von selbst. Was man aber weiß, ist, dass die Prostata bei niedrigem Testosteronspiegel nicht so viel PSA produziert." Dabei handelt es sich um das Prostataspezifische Antigen, ein Enzym, das ein Karzinom anzeigen kann, wenn sein Wert erhöht ist. "Ist der Testosteronspiegel zu niedrig, ist auch das PSA niedrig, das Gleichgewicht stimmt nicht mehr. Mit der Ersatztherapie steigt das PSA wieder. Dann kann es sein, dass man ein Karzinom entdeckt. Es ist aber nicht durch die Therapie entstanden, die lässt nur die Werte realistisch werden", betont der Experte.

Neben der Therapie empfiehlt Eisenmenger außerdem, den Lebensstil anzupassen und so viel abzunehmen, dass der Body Mass Index (BMI) Richtung 25 geht. "Das funktioniert am besten, wenn man kalorienärmer, aber proteinreicher isst, außerdem viele Ballaststoffe. Und mehr Bewegung gehört natürlich dazu."

Und er pocht auch darauf, dass Mann zur internistischen Abklärung gehen soll: "Testosteronmangel kann zu Libidoverlust führen und auch zu Erektionsproblemen. Hinter denen können aber auch Herzprobleme stecken." Denn die Penisarterie sei nur halb so dick wie die Herzkranzgefäße. Kommt es da zu Ablagerungen und Plaques, kann sich das auf die Erektionsfähigkeit auswirken. Studien zeigen, dass eine gestörte Erektion auf ein erhöhtes Herzinfarktrisiko innerhalb der nächsten Jahre hinweisen kann. "Der Penis ist sozusagen die Antenne des Herzens. Stimmt mit ihm etwas nicht, sollte man dringend zum Arzt." (Pia Kruckenhauser, 16.5.2023)