Das Klima in der Koalition erschwert Kompromisse. Also setzt jetzt eine Hälfte auf Aktionismus.

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Aufschlussreich war der am Montag eilig einberufene Lebensmittelgipfel in erster Linie hinsichtlich des Zustands der türkis-grünen Koalition. Der zuständige Wirtschaftsminister war gar nicht anwesend, dafür der Landwirtschaftsminister, der mit den Bauern allerdings jene Gruppe vertritt, deren Einfluss auf die steigenden Endkundenpreise nicht maßgeblich ist.

Angesichts der großen Zahl an Teilnehmern kann sich jeder ausmalen, dass Wirtschaftsforscher, Sozialpartner und Vertreter des Handels in den zwei Stunden zu kaum mehr gekommen sind, als ihre vorgefertigten Statements darzulegen. Für eine sachlich-kontroversielle Diskussion war schlicht keine Zeit eingeplant.

So sieht das Ergebnis des von Sozial- und Konsumentenschutzminister Johannes Rauch (Grüne) initiierten Treffens denn auch aus: Es ist alles kompliziert, und keine der von Opposition und Teilen der Sozialpartner als effektiv gepriesenen Maßnahmen und Preisbremsen kristallisierte sich als Königsweg heraus.

"Wer gegen die unbestritten enorm gestiegenen Lebensmittelpreise populär klingende Rezepte vorschlägt, blendet aus, dass die meisten dieser Maßnahmen Kollateralschäden nach sich ziehen."

Das ist fast schon wieder ein Glück. Denn wer gegen die unbestritten enorm gestiegenen Lebensmittelpreise populär klingende Rezepte vorschlägt, blendet aus, dass die meisten dieser Maßnahmen Kollateralschäden nach sich ziehen, die verantwortungsvolle Politik besser nicht in Kauf nehmen sollte. Man käme aus dem Reparieren von noch teureren Folgeschäden kaum mehr heraus. Das liegt im Wesen der ökonomischen Preisbildung und an der ebenso langen wie feingliedrigen Wertschöpfungskette in der Lebensmittelverarbeitung.

Wer woran wie viel verdient – gerechter- oder ungerechterweise –, ist in einer globalen Wirtschaft kaum mehr auszumachen, hängt es doch von den jeweiligen Grundstoff-, Arbeits- und Energiekosten ab, die Hersteller in ihren Erzeugerpreisen unterzubringen trachten. Transport- und Distributionskosten kommen noch oben drauf, ehe die Wurst, der Reis oder die Butter in Supermarkt- und Geschäftslokalen landen, deren Mieten inflationsbedingt ebenso gestiegen sind wie Arbeits- und Energiekosten der Handelsunternehmen. Wenigstens das hat sich inzwischen bis zur Regierung herumgesprochen.

Noch ein Gipfel

Vor dem Sommer ist mit einer Preisbremse, wie immer eine solche aussehen mag, eher nicht zu rechnen. Denn erst der nächste Gipfel soll einer der Bundesregierung werden, dann also mit dem ressortzuständigen Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP), selbst ein Ökonomieprofessor. Allzu viel erwarten sollte man freilich auch von dieser Zusammenkunft nicht. Denn die Ergebnisse der aufwendigen Branchenuntersuchung der Bundeswettbewerbsbehörde werden bis dahin noch nicht vorliegen, und manche Ergebnisse stehen bereits fest: Die Konzentration und damit die Handelsmacht der Handelskonzerne in Österreich ist sehr hoch, aber die Bevölkerungszahl im Vergleich zu Deutschland klein. Dies und das Angebot an regionalen Produkten – ein erklärtes Ziel von Konsumenten und Politik – machen zumindest einen Teil der höheren Preise nachvollziehbar. Der Rest ist extrem kompliziert, wie bereits die vergleichsweise einfache Branchenuntersuchung der Kartellbehörde zum österreichischen Treibstoffmarkt gezeigt hat.

Einkommensschwachen helfen

Das soll nicht heißen, dass es nicht hilft, wenn den Handelsriesen auf die Finger geschaut wird. Im Gegenteil, jede Überprüfung zeigt Wirkung. Denn welches Unternehmen will schon als Preistreiber an den Pranger gestellt werden?

Bleibt der Regierung vorerst also nur, den Einkommensschwachen und Bedürftigen bei den Grundnahrungsmitteln unter die Arme zu greifen. Und das möglichst bald, denn angesichts mehrerer Mieterhöhungen, enorm hoher Energiekosten und steigender Kreditzinsen ist ihre Belastungsgrenze erreicht. (Luise Ungerboeck, 8.5.2023)