Im Bereich der Freizeitaktivitäten macht sich die Inflation derzeit besonders stark bemerkbar.

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Lokalaugenschein am langen Wochenende zum 1. Mai im Wiener Wurstelprater: Menschenmassen schieben sich durch die Gassen, vor den Anbietern bilden sich lange Schlangen. Dennoch, eines hebt sich gegenüber früheren Besuchen ab: das enorme Preisniveau. Ob Fahrgeschäfte, Getränke und Süßigkeiten oder die Gastronomie – die Kosten dafür sind in neue Sphären vorgestoßen. Derzeit holt man sich den Adrenalinkick schon beim Bezahlen der Tickets, die anschließende Hochschaubahnfahrt wirkt dagegen fast entspannend. Abschrecken dürften die Preissprünge aber angesichts des starken Besucherandrangs nur wenige.

Diese Wahrnehmung steht stellvertretend für die Inflationsentwicklung in Österreich, wo die Teuerung mit 9,8 Prozent nochmals an Fahrt aufgenommen hat. Denn immer teurere Dienstleistungen, insbesondere im Bereich Freizeit, haben im April Energie und Lebensmittel als stärkste Preistreiber abgelöst. Eine Entwicklung, die wohl anhalten dürfte – denn dort hat die sogenannte Lohn-Preis-Spirale eingesetzt.

Hohe Personalkosten

Dienstleistungen sind sehr personalintensiv, ein Großteil der Kosten fällt also zur Entlohnung der Arbeitskräfte an. Und die sind nicht nur knapp, sondern werden auch immer teurer. Im Mai werden etwa die Einkommen in der Gastronomie und Hotellerie um durchschnittlich 9,3 Prozent steigen, was die Unternehmen wiederum an ihre Kundschaft weiterreichen werden. Dazu kommt: Verkürzt ein Betrieb aus Personalmangel die Öffnungszeiten, müssen die Fixkosten auf weniger Gäste aufgeteilt werden. Es wird also teurer.

Andere Bereiche der Wirtschaft haben zudem über die Jahre hinweg starke Produktivitätsgewinne verzeichnet, die bei vielen Dienstleistungen ausgeblieben sind. Im Friseursalon oder Wirtshaus läuft fast alles so ab wie vor Jahrzehnten. Es herrscht also Stillstand, verglichen mit den Veränderungen im Bankwesen oder beim Einkauf im Supermarkt. Dank Strichcodes und Scannerkassen – zunehmend auch zum Selbstbezahlen – sowie Karten- oder Handyzahlungen sind dort die Abläufe schneller und effizienter geworden, was auch den Preisauftrieb langfristig etwas abfedert.

Diese Entwicklung, also Preissprünge bei Dienstleistungen, kommt zwar nicht überraschend, hat aber schneller und stärker als erwartet eingesetzt. Und sie zeigt auch, dass ein Großteil der Bevölkerung selbst schon üppige Lohnsteigerungen erhalten hat und sich damit das gestiegene Preisniveau für Freizeitaktivitäten auch leisten kann.

Kein Aktionismus

Selbst wenn die Teuerungswelle noch nicht abebben will: Erbaulich ist der nachlassende Preisauftrieb bei Haushaltsenergie oder Lebensmitteln. Diese zwei Bereiche werden voraussichtlich dazu beitragen, dass die Inflation bis Jahresende doch merklich zurückgeht. Das bedeutet aber auch, dass die Regierung angesichts der im Frühjahr hochgeschnellten Inflation nicht in neuerlichen Aktionismus verfallen und mit Geld um sich werfen darf.

Es war wichtig und richtig, einkommensschwachen Haushalten in Phase eins der Inflationswelle unter die Arme zu greifen, als deutlich höhere Energie- und Nahrungspreise zu stemmen waren. Nun sind aber auch die meisten Einkommen schon gestiegen, und die Inflation rückt in den sozial verträglicheren Freizeitbereich. Auch wenn es bitter ist, heuer beim Urlaub oder Besuch im Wurstelprater kürzertreten zu müssen – es ist eher zumutbar als bei Nahrung und Energie. (Alexander Hahn, 2.5.2023)