In seinem Gastkommentar tritt Wilfried Altzinger dafür ein, die "exorbitanten Vermögensungleichheiten" in Österreich zu verringern. Das sogenannte Grunderbe wäre ein kleiner Hebel.

Am 22. Oktober des Vorjahres ist mit Dietrich Mateschitz einer der vermögendsten Österreicher gestorben. Sein Gesamtvermögen soll laut Medienberichten 25 Milliarden Euro betragen haben. Keine Statistik weist aus, wie viel es tatsächlich gewesen ist. Ein Betrag in dieser Größenordnung ist für die meisten Menschen nur schwer vorstellbar, auch für Studierende an meiner Universität, der WU Wien. Auf die Frage, wie viele Universitäten in der Größe der WU Wien mit diesem Vermögen gebaut werden könnten, bekomme ich zumeist Antworten zwischen zwei und fünf. Tatsächlich wären es jedoch 50. Ein schier unvorstellbares Ausmaß an Vermögen.

50
So viele Universitäten könnte man rein theoretisch mit dem Mateschitz-Vermögen bauen.

Generell zeigen die Statistiken der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), dass Vermögen zwar in allen Euroländern stark konzentriert ist, in Österreich jedoch besonders. Die obersten zehn Prozent der Haushalte besitzen knapp 60 Prozent des Gesamtvermögens, das oberste Prozent knapp 23 Prozent. Die vermögensärmere Hälfte der österreichischen Haushalte besitzt hingegen mit 3,6 Prozent des Gesamtvermögens so gut wie kein Vermögen.

Starke Netzwerke

Da Vermögensbildung zentral über Erbschaften und Schenkungen erfolgt, werden diese Vermögensungleichheiten ständig perpetuiert. Vermögen ermöglicht jedoch nicht nur einen besseren Zugang zu Bildung und Gesundheit, sondern bewirkt über familiäre Netzwerke auch Zugang zu weiteren wichtigen Schaltstellen der individuellen Karriere. So trifft sich in Reit- und Golfklubs eine sehr viel andere Gesellschaftsschicht als in Fußball- oder Volleyballklubs. Die Chancenungleichheit in unserer Gesellschaft wird de facto durch den "Zufall der Geburt" bestimmt.

Vermögen vermag nicht nur Kapitaleinkommen in Form von Zinsen, Mieten, Dividenden und sonstigen Erträgen zu lukrieren, sondern (großes) Vermögen hat auch weitreichenden Einfluss bis in die politische Elite. Die zahlreichen Chats des ehemaligen Generalsekretärs im Finanzministerium, Thomas Schmid, legen ein beredtes Zeugnis ab. Der Chat an seinen damaligen Kabinettsmitarbeiter – "Vergiss nicht – du hackelst im ÖVP Kabinett!! Du bist die Hure für die Reichen!" – war dabei zwar sicherlich die einprägsamste, jedoch nicht die einzige Bekundung eines Naheverhältnisses zur ökonomischen Elite Österreichs.

Besseres Leben

Dieses Missverhältnis zwischen Wirtschaft und Politik kann zwar durch stärkere Transparenz, Intensivierung der Aufsichtsorgane sowie eine Stärkung der Rechenschaftspflicht, unabhängiger Medien sowie des Justizapparates verbessert werden, eine echte Korrektur kann jedoch nur durch eine egalitärere Verteilung der Vermögensverhältnisse erfolgen. Neben Erbschafts- und Vermögenssteuern wird dabei zunehmend öfter auch die Frage einer "Erbschaft für alle" diskutiert.

Ein Startgeld ins Erwachsenenleben ab 18 Jahren würde die Ungleichheiten beim Vermögen verringern, aber nicht aufheben.
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Vorgeschlagen wird dabei ein Grunderbe beim Eintritt ins Erwachsenenalter, finanziert durch eine Erbschaftssteuer. Schätzungen zeigen, dass in Österreich im Jahresdurchschnitt aktuell 30 bis 40 Milliarden Euro vererbt beziehungsweise verschenkt werden. Genaue Daten dazu liegen leider nicht vor. Unter der Annahme von einem Freibetrag von 500.000 Euro und einem linearen Steuersatz von fünf Prozent würde dies ein jährliches Erbschaftssteueraufkommen von 1,5 bis zwei Milliarden Euro bedeuten.

Aktuell überschreiten jährlich 90.000 Frauen und Männer die Altersgrenze von 18 Jahren, womit die Finanzierung einer "Grunderbschaft" von 20.000 Euro pro Person möglich wäre. Da Vermögensungleichheit eine enorme Ungleichheit der Lebenschancen bewirkt, ist jede Verringerung der exorbitanten Vermögensungleichheiten erwünscht. Wichtig dabei ist jedoch, dass ein Grunderbe nicht den universellen Zugang zu Grundleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge wie Bildung, Gesundheit und Altersversorgung ersetzt, sondern ergänzend eingeführt wird.

Selbstverständlich müsste bei einer Einführung eines Grunderbes neben der Frage der Finanzierung und der Frage der Höhe auch die Frage der Anspruchsberechtigung geklärt werden: etwa wie viele der ersten 18 Lebensjahre dabei in Österreich inklusive eines sozialversicherten Elternteils verbracht wurden.

Mehrere Hebel

Zweifelsohne würde ein Grunderbe die Dispositionsfreiheit eines Individuums erheblich verbessern und somit dessen individuelle Verhandlungsmacht als auch generell die Chancengleichheit in unserer Gesellschaft stärken. Die Einführung eines Grunderbes kann jedoch nur ein Schritt in Richtung Chancengleichheit sein. Letztendlich kann die Vermögensungleichheit (und die damit verbundene Chancenungleichheit) nur durch eine Regulierung oligopolistischer Marktstrukturen, eine Intensivierung der Arbeit der Wettbewerbsbehörden, eine Verstärkung der Transparenz sowie mittels radikaler Maßnahmen zur Eindämmung der globalen Steuerhinterziehung erfolgreich bekämpft werden. (Wilfried Altzinger, 6.4.2023)