Hannes Androsch kritisierte das Kulturhauptstadt-Programm als zu "global-exotisch".

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Im Jahr 2024 richtet Bad Ischl mit der gesamten Region Salzkammergut den österreichischen Beitrag zum EU-Kulturhauptstadt-Programm aus. Nicht weniger als 23 teilnehmende Gemeinden aus Oberösterreich und der Steiermark müssen unter einen Hut gebracht werden. Dass das Projekt einen schlechten Start inklusive Streit und Intendantenwechsel hingelegt hat, versetzte dem Vorhaben einen Dämpfer. Seit aber mit Elisabeth Schweeger eine erfahrene, auf Interessenausgleich achtende Kulturmanagerin am Werk ist, scheint die Planung zügig voranzuschreiten.

Einer aber scherte nun aus, und zögerte nicht, in die geglätteten Wogen des Traunsees erneut Steine zu werfen: Hannes Androsch. Der 84-jährige Industrielle mit jahrzehntelangen geschäftlichen und privaten Verwurzelungen im Salzkammergut verließ im Protest ein Personenkomitee, dem u. a. Prominente wie Hubert von Goisern, Helga Rabl-Stadler, Klaus Maria Brandauer, Tom Neuwirth oder Franz Welser-Möst angehören. Androschs Kritik: Das Programm des Kulturhauptstadtjahres bilde zu wenig die Tradition der Region ab und biete stattdessen "Global-Exotisches" und "amerikanische Modeströmungen". Postwendend widersprochen wurde in einem offenen Brief von Hubert von Goisern: Androschs Rundumschlag sei "schmutzig, um nicht zu sagen: intrigant". Er, Goisern, habe Vertrauen in Schweeger und ihr Team.

85 Prozent lokale Teilnehmende

Ein Blick auf die nackten Zahlen zeigt: Vom Überborden des "Global-Exotischen" kann keine Rede sein. Von den derzeit bereits fixierten 95 Projekten werden mehr als 85 Prozent von lokalen und regionalen Projektträgern umgesetzt. Dass das Salzkammergut von allseits bekannten Klischees wie Kaiser, Nazistollen und Postkartenidylle wegkommen und sich auch ein wenig neu erfinden will, ist klar und Sinn und Zweck der ganzen Übung. Klar ist auch, dass es sich noch keine Kulturhauptstadt leisten konnte, ausschließlich im eigenen Saft zu braten. Es braucht Impulse von außen, es braucht den ein oder anderen zugkräftigen, international bekannten Namen. Und ja, es braucht das Globale im Lokalen: "Think global, act local" war einmal ein Ansatz, dem auch die Sozialdemokratie, als deren Vertreter Androsch sich vielleicht noch sieht, zu folgen wusste.

Im Programm von Salzkammergut 2024 manifestiert sich dieser Ansatz unter dem Schlagwort "globallokal". Weitere Schwerpunkte sollen sein: "Macht und Tradition" (Erinnerungskultur), "Kultur im Fluss" (kultureller Austausch) und "Sharing Salzkammergut" (Tourismus). Letzteres dürfte in Androschs Ohren aber schon wieder zu "amerikanisch" klingen. In der "Kronen Zeitung" ärgerte er sich, dass eine Ausstellung über das Salzkammergut den schönen, gewitzten Titel "Salt Lake City" trage. Das Salzkammergut sei aber doch "keine Mormonenhauptstadt". Danke fürs Witze-Erklären. Und danke fürs Verabschieden aus dem Personenkomitee. Ironiebefreit zu sein hat noch keiner Kulturhauptstadt gutgetan. (Stefan Weiss, 4.2.2023)