Allein die blanken Zahlen sind verheerend: 106 Beschuldigte, 31 Einstellungen, keine Anklage, niemand kam je in Haft. Was Karl Nehammer als türkiser Innenminister sieben Tage nach dem jihadistischen Terroranschlag im November 2020 in der Wiener Innenstadt noch als großen Schlag gegen den politischen Islam inszeniert hatte, wirkt mehr als zwei Jahre später wie ein fataler Irrtum.

Schlimmer noch: Mit der sogenannten Operation Luxor gegen angebliche Muslimbrüder und mutmaßliche Hamas-Terroristen in Österreich haben die Behörden bisher nichts als Schaden angerichtet. Nicht nur aus Sicht zahlreicher Unschuldiger.

Pauschaler Terrorvorwurf

Die Ermittlungen zerbröseln zusehends, auch weil sie teils dilettantisch geführt werden. Da wären beispielsweise die fragwürdigen Einflüsterer, denen offenbar blindlings vertraut wurde. Oder der pauschale Terrorvorwurf gegen alle Beschuldigten auf dem Durchsuchungsbefehl der Grazer Staatsanwaltschaft, der in den allermeisten Fällen von Anfang an rechtlich zum Scheitern verurteilt war. Der tausende Seiten fassende Akt ist zu einem Labyrinth aus unzähligen vagen Verdachtslagen verkommen, die Ermittler einfach nicht auf den Boden bekommen – und in vielen Fällen vielleicht nie werden. Mittlerweile wurde sogar das Verfahren gegen den angeblichen Muslimbrüder-Anführer eingestellt. All das wird die handelnden Institutionen des Staats zu Recht Vertrauen kosten.

Vor zwei Jahren verkaufte Karl Nehammer als Innenminister die Ermittlungen noch als "entscheidenden Schlag" gegen den politischen Islam.
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Wie es zu all dem kommen konnte, muss daher unnachgiebig untersucht und aufgearbeitet werden. Die Staatsanwaltschaft wird sich ebenso erklären müssen wie das Innenministerium, das über den österreichischen Sicherheitsbehörden steht. Nicht zuletzt, weil derart viele Ressourcen in die Verfolgung angeblicher Muslimbrüder gesteckt wurden, während sich der spätere Wiener Attentäter, damals schon amtsbekannt und vorbestraft, in Wien ungestört bewaffnen und seinen Anschlag vorbereiten konnte.

Verheerender Bumerang

Und dann ist da noch ein anderes Problem. Dass es unter den Beschuldigten der Operation Luxor durchaus extreme Ansichten gibt, zeigt mitunter der erst kürzlich öffentlich gewordene Fall eines beschuldigten Predigers. Dieser soll seinen Zuhörern in einer Wiener Moschee unter anderem vorgeworfen haben, "verwestlicht" zu leben, von der säkularen, liberalen Denkweise gar "befallen" zu sein, was einer "Schädigung des Islams" gleichkomme.

Das macht den Prediger zwar noch zu keinem Terroristen, er treibt damit aber einen Keil in die Gesellschaft, indem er sie in ein "Wir" und "die anderen" einteilt. Er dürfte mit seiner Denkweise unter den Beschuldigten kein Einzelfall sein.

Zu scheitern drohende Ermittlungen wie in der Operation Luxor kosten solch problematische Aufpeitscher nur ein müdes Lächeln. Die Behörden sind gerade dabei, sie in ihrer Gesinnung weiter zu bestärken, sich in Sicherheit zu wiegen. So schnell wird aus einem vermeintlichen Schlag ein möglicherweise verheerender Bumerang. (Jan Michael Marchart, 12.1.2022)