Teamchef Ralf Rangnick herzt den überragenden Marko Arnautovic nach einem nahezu perfekten Spiel zum Jahresabschluss. Man freut sich nun auf ein Wiedersehen im März.

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Man soll sich natürlich nicht am Unglück anderer erbauen, aber die italienischen Pressestimmen am Tag nach dem 0:2 gegen Österreich waren durchaus lesenswert. Corriere dello Sport schrieb: "Österreich erteilt den Azzurri zwei Ohrfeigen, und es hätte noch schlimmer enden können. Konfus und zögerlich: Die Squadra ist nur noch der Schatten ihrer selbst. Österreich ist zwar nicht das Wunderteam der 1930er-Jahre, die Rangnick-Truppe glänzt aber mit Arnautovic, der Stärke, Form und Führungsqualitäten beweist." La Repubblica: "Italiens Traurigkeit wegen des Ausschlusses aus der WM in Katar wächst noch mehr unter den Hieben Österreichs, das Italien demütigt." Da aller erfreulichen Dinge drei sind, sei noch Il Messaggero erwähnt: "Die glanzlosen Italiener wurden geohrfeigt."

Teamchef Ralf Rangnick hält von Watschen wenig. Also genoss er den vorzüglichen Sieg, der kaum Wünsche offenließ "Was wir die ersten 70 Minuten gespielt haben, war schon ein Fußball, der dem sehr nahekommt, wie ich mir das auch in Zukunft vorstelle. Das Zuschauen hat mir großen Spaß gemacht." Der 64-jährige Deutsche gilt als Perfektionist. "Es war ein guter Schritt in die richtige Richtung. Daran müssen wir uns immer wieder orientieren. Im Idealfall über 90 Minuten."

Negative Bilanz

Das Länderspieljahr 2022 ist Geschichte, die Bilanz negativ, allerdings täuscht sie etwas. Franco Foda hatte noch ein 2:2 gegen Schottland und das bittere 1:2 im WM-Playoff in Wales zu verantworten, danach übernahm Rangnick. Drei Siege, ein Remis, vier Niederlagen. Wobei, abgesehen von Andorra, ausschließlich gegen ranghöhere Länder gekickt wurde. Zweimal Frankreich, zweimal Kroatien, zweimal Dänemark. Der Abstieg aus der Eliteklasse der Nations League konnte trotz des 3:0 zum Auftakt bei den Kroaten nicht verhindert werden. "Es fehlten Kleinigkeiten, es hätten ein paar Punkte mehr sein können."

Vor dem Italien-Match griff Rangnick in die Psycho-Kiste. Bei der Abschlussbesprechung tat er kund, er wolle nach Abpfiff Folgendes nicht hören. Man habe zwar gut gespielt, aber nicht gewonnen. "Das Wort ’aber’ wurde gestrichen." Das Wort ’nicht’ ebenfalls.

Der Teamchef ergötzte sich an der Laufbereitschaft, der Intensität, am Engagement. "Was die Einstellung betrifft, mache ich mir überhaupt keine Sorgen." Sie haben das System kapiert, frönen dem pro-aktiven Fußball, der von Red Bull und Rangnick kultiviert wurde. "Viele Spieler haben den Stil in ihrer DNA, das erleichtert das Ganze." Gegen Italien gab es keinen Schwachpunkt, David Alaba, Marko Arnautovic und Nicolas Seiwald ragten trotzdem etwas heraus. Junior Adamu (21), Stürmer bei Meister Salzburg (ideale DNA) bekam ein Sonderlob. "Er hat ein richtig gutes Spiel gemacht." Eine Steigerung folgte für Arnautovic: "Viel besser kannst du nicht spielen, auch gegen den Ball."

Überangebot

Auf gewissen Positionen herrscht ein Überangebot, speziell in der Innenverteidigung. Alaba ist selbstverständlich gesetzt. Gegen Italien ließ Nebenmann Philipp Lienhart nichts abrennen. Er sprang für den verletzten Kevin Danso ein. Eine kleine Baustelle bleibt die linke Abwehrseite, wobei sich Max Wöber langsam daran gewöhnt. Die Tormannfrage lässt Rangnick offen, aber es gibt kaum Argumente, die gegen Heinz Lindner sprechen.

Jetzt ist Pause. Um nicht den Kontakt zu verlieren, finden ab Jänner regelmäßige Videokonferenzen satt. "Nicht immer alle zusammen, aber in Gruppen werden wir taktische Dinge besprechen und Videos durchgehen."

Wo viel Licht ist, ist auch Schatten. Quasi ein Naturgesetz. Gegen Italien verloren sich nur 18.000 Fans im Wiener Ernst-Happel-Stadion. Die Ansetzung, ein Sonntag Ende November um 20.45 Uhr, fiel unter die Rubrik Wahnwitz. Dafür sind TV-Verträge verantwortlich, vielleicht sollte der ÖFB daran schrauben. Denn die Basis sind immer noch die Menschen vor Ort. Rangnick: "Für die Qualifikation wünsche ich schon, dass wir in Stadien spielen, die ausverkauft sind. Damit der Funke überspringt." Die EM-Quali beginnt am 24. März mit dem Heimspiel gegen Aserbaidschan. Drei Tage später wird Estland begrüßt. Diese rangniedrigeren Gegner sollten geohrfeigt werden. Wie Italien. Austragungsort wird wohl das neue Linzer Stadion sein. Nicht das ungemütliche Happel.

Rangnick reiste am Montag nach Pula, um bis Freitag mit den Jahrgängen 2000 bis 2005 zu trainieren. "Wir denken voraus. Die EM 2024 in Deutschland und die WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko sind Wettbewerbe, wo was los sein wird. Mit vielen, echten Fußballfans. Da muss man keine Zuschauer einkaufen wie jetzt in Katar." Was Rangnick noch sagte: "Frohe Weihnachten." (Christian Hackl, 21.11.2022)