Stefan Glantschnig ist 32, war Sous-Chef in einem Münchner Dreisterner und zeigt jetzt, dass er das Zeug zum großen Koch hat.

Foto: Majken Corti

Der Weissensee: Berühmt für sein seychellenblaues Wasser, den außerordentlich feinschlammigen Grund (Iiiiiih!), die fantastischen Fische des studierten Limnologen und Berufsfischers Martin Müller, das prachtvoll kuhweidige Südufer – und, natürlich, für die hyperregionale, grandios sensible Hochküche von Hannes Müller (nicht verwandt) im Restaurant Forelle in Techendorf. Als ob das nicht genug Gründe wären, diesen funkelnden Solitär unter den alpinen Seen als Geheimtipp zu erhalten, gibt es seit diesem Sommer noch einen weiteren, die Serpentinen hier hinauf in Angriff zu nehmen. Also pssst!

Stefan Glantschnig kommt aus dem nahen Gailtal und war lang Sous-Chef bei Manuel Ressi in Hermagor. Das ist der Mann, der über sieben Jahre Heinz Reitbauers Küchenchef im Steirereck war und in der damals dort heranwachsenden, goldenen Generation heimischer Überköche (Philip Rachinger, Lukas Nagl, Max Natmessnig …) als "ziemlich bester Koch von überhaupt" gehandelt wird. Solche Referenzen waren Glantschnig aber längst nicht genug, weshalb er sich noch ein paar Jahre beim für Perfektionismus berüchtigten Münchner Dreisterner Jan Hartwig schleifen ließ. Und sich auch dort zum Sous-Chef hochkochte.

Mehr als Wirtshaus

Jetzt ist er seit ein paar Monaten retour in Kärnten und hat das elegant an den See geschmiegte Hotel Neusacherhof samt prächtigem Strand-Spa übernommen. Das Restaurant nennt er Wirtshaus, es gibt auch herrliches Loncium vom Fass – und scheinbar vertraute Gerichte wie Räucherforelle, Backhendl oder Apfelschmarren mit Grantenschleck. Alles durchaus in wirtshaustauglichen Portionen.

Die Klasse und Hingabe, mit der der junge Spitzenkoch sich zu derlei Klassikern der bürgerlichen Küche herabbeugt, sie mit dem Know-how und der Detailversessenheit der Hochküche neu erstehen lässt, sind aber ein Erlebnis.

Forelle etwa, eine mächtige Tranche, räuchert Glantschnig knapp und kalt, so entwickelt sie hinreißend satten Schmelz bei gleichzeitig souveränem Biss – so kühl und vornehm, wie das auf der Zunge schmilzt, mag einem auch Lachs der richtig edlen Art bloß ordinär vorkommen.

Cremiges Kräuterjoghurt voll Sommerduft fährt mit zarter Säure dazwischen, obendrauf ploppt Saiblingskaviar, Bottarga vom Seekarpfenmilchner pfeffert mit Umami drüber, hauchzarte und doch knackig gehobelte Gurke schiebt saftig mit an, ja bistdudeppert ist das gut.

Gott des Gebackenen

Zander mit Zitronencouscous und obendrauf saftige Bouchotmuscheln und angedörrte Paradeiser.
Foto: Majken Corti

Dann das Backhendl, tatsächlich eine Erscheinung, ein Gott des Gebackenen: prachtvolle, am Bein belassene Hendlteile, bis hin zur Brust von solcher Kraft, dass ihnen beim zarten Zsamdrücken instagrammäßig der Juice ins Fließen kommt. Die Panier extrem knusprig und doch hauchzart wie Tempura, jeder Biss wie eine Offenbarung des Hendlmäßigen. Dazu gibt’s herrlichen Schnittsalat, wie es sich gehört mit fruchtsaurem Kernöldressing, eine Verneigung in der Perfektion vor dem, was Österreich wirklich liebt.

Den einen oder anderen expliziten Schlenker in die Hochküche (soll nicht heißen, dass dieses Backhendl nicht zwei Sterne verdiente!) lässt sich Glantschnig aber nicht nehmen. Zander, ein vor Kraft geradezu vibrierendes Filet, wird ideal an den Garpunkt gebraten, sodass es sich muskulös entblättern lässt, dazu gibt’s zart bissige Saubohnen in leuchtendem Grün, einen Zitronencouscous, der geradewegs aus Alain Ducasse’ monegassischem Mittelmeertempel entsprungen scheint und ideale Fluffigkeit mit zarter Konsistenz verbindet, vor allem aber einen cremig anmutenden Fächer wunderbar nuancierter Zitrusaromen ausbreitet. Obendrauf gibt es (siehe Bild) wollüstig saftige Bouchotmuscheln und angedörrte Paradeiser. So schaut große Fischküche aus – auch wenn der See vorm Fenster da ausnahmsweise gar nichts beisteuert. Aber in den ist man vorher eh selbst hineingehupft. (Severin Corti, RONDO, 19.8.2022)

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