Reinhold und Christina Six sorgen mit Emmanuel Adonis, Carlos Maestre und Küchenchef Sebastian Slavicek (v. li.) für exquisit französisches Flair im Zweiten.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Haus in der Taborstraße 81 könnte fast ein Modell dafür sein, wie sich die Gesellschaft auf kommende Herausforderungen einstellt. Also, im Idealfall: Die "Residenz am Tabor" beherbergt 40 speziell adaptierte, barrierefreie kleine Wohnungen für Mieter, die nicht ins Altersheim wollen, aber doch ein erhöhtes Maß an Fürsorge abrufbar wissen wollen.

Die Miete umfasst Halbpension und Reinigung, diverse Zusatzdienste und Betreuung sind zusätzlich buchbar. Gegessen wird im Parterre, in einem langgestreckten Lokal mit französischen Fenstern zur Straße und besonders schönem Hofgarten samt alter Platane. Abends wird der Ort zur Brasserie für jedermann, mit südfranzösisch inspiriertem Essen und einer Weinkarte, die eine richtig raffinierte Auswahl heimischer und französischer Spitzenwinzer präsentiert.

Die Gesellschaft vollzieht, nicht zuletzt mit der Pensionierung der Babyboomer, gerade einen massiven Alterssprung, die Jungen werden (auch wegen absurd restriktiver Einwanderungsregelungen) immer weniger. Vielleicht lassen sich mit Modellen wie dieser Mehrfachnutzung gastronomischer Infrastruktur gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen: den zusehends klammen Arbeitsmarkt entlasten, gleichzeitig attraktive Hybridmodelle für Senioren umsetzen – und in einem Aufwasch auch noch Crossfinanzierungsideen für die notorisch unterkapitalisierte Gastronomie entwickeln.

Vins fins

Als gastronomische Partner des Projekts konnten Christina und Reinhold Six gewonnen werden, die in der Johannesgasse das – gerade in Umbau befindliche – Restaurant Pauli betreiben. Reinhold Six ist Sommelier mit jahrelanger Erfahrung in der Schweizer Spitzengastronomie, dementsprechend ausgesucht sind die Weine in der neuen Poldie.

Schon der Hauschampagner Tarlant beeindruckt mit straffem Zug, feiner Perlage und köstlicher Frische – zéro Dosage, sechs Jahre auf der Feinhefe, sechs verschiedene Rebsorten (sogar Petit Meslier und die autochthone Arbanne) bei schlanken 9,50 Euro pro Glas sind ein willkommenes Signal: Da hat jemand ein gutes Händchen und ebensolche Kontakte, um der guten Sachen zu entsprechenden Preisen habhaft zu werden.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Dem Naturwein ist Six nicht explizit verfallen, seine Weinkarte weist mit zahllosen auf Würze und Finesse fokussierten Winzern (Alzinger, Rosi Schuster, Moric, Markus Altenburger, Agrapart, Domaine de l’Ecu, Domaine de l’Octavin …) aber eindeutigen Zug in diese Richtung auf. Attraktiv kalkuliert ist sie auch, knapp hundert Prozent Aufschlag sind in dieser exquisiten Kategorie längst als Mezzie zu werten.

Austern mit Liebstöckel

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Küche hat Sebastian Slavicek über, den Mann kennt man aus dem köstlichen Goldfisch in der Josefstadt als ebenso versierten wie sensiblen Fischkoch. Hier zeigt er, dass er auch Fleisch und Gemüse kann. Austern werden zum Auftakt mit einer dezenten Liebstöckel-Vinaigrette versehen, macht sie gleich noch einmal so belebend.

Salade Niçoise wird in Slaviceks Interpretation zu einer Komposition aus Salatherzen, knackigen Fisolen, eingelegten Radieschen, Wachteleiern und konfierten Tomaten, statt Dosentunfisch kommt taufrische, ganz knapp angegrillte Makrele (von Eishken, eh klar) zum Einsatz, alles badet in einer fein abgestimmten Creme aus Erdäpfeln und Fisolen – sehr attraktiv, richtig gut.

Salade Niçoise
Foto: Gerhard Wasserbauer

Tartare wird von Hand geschnitten, puristisch angemacht, mit knusprigem Ochsenmark aus dem Ofen kombiniert, tolle Idee. Dazu gibt es Brot oder, Brasserie oblige, knusprige Frites. (Severin Corti, RONDO exklusiv, 10.6.2022)

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