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Jungunternehmer in Österreich müssen in Finanzierungsrunden oft wochenlange Verfahren in Kauf nehmen.

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Seit dem Juli 2020 reguliert das Investitionskontrollgesetz (InvKG) bestimmte Investitionen aus Drittstaaten in österreichische Betriebe. Dadurch sollen Schlüsselunternehmen, wie Großhersteller oder Einzelhändler, vor Akquisitionen durch ausländische Investoren, die die "Sicherheit oder öffentliche Ordnung" gefährden können, geschützt werden.

Bereits vor seinem Inkrafttreten hatten Wirtschaftskammer, Industrie- bzw. Branchenvertreter das Gesetz als überschießend, bürokratisch und unklar kritisiert und negative Auswirkungen auf die heimische Start-up- und Risikokapital-Szene befürchtet.

Ein Blick auf die InvKG-Praxis der letzten 18 Monate zeigt: Diese Warnungen waren gerechtfertigt. Das InvKG hat neue Hürden für das österreichische Risikokapitalökosystem, das vielen anderen europäischen Staaten ohnehin hinterherhinkt, errichtet.

Übermäßig viele Verfahren

Laut InvKG gilt bei "besonders sensiblen Bereichen" wie F&E in den Bereichen Arzneimittel, Impfstoffe, Medizinprodukte und persönliche Schutzausrüstung, bereits eine Prüfpflicht ab zehn Prozent Beteiligung; in "anderen Bereichen", in denen es zu einer Gefährdung der Sicherheit oder öffentlichen Ordnung kommen kann, erst ab 25 Prozent. Das InvKG zählt diese "anderen Bereiche" demonstrativ auf und nennt dabei u. a. die Sektoren Informationstechnik, Gesundheit, Lebensmittel, künstliche Intelligenz oder Biotechnologien. Zwar sollen "kritische Infrastrukturen" und "kritische Technologien" von der Prüfpflicht erfasst sein, doch werden diese Begriffe nicht präzise definiert. Das erlaubt der Behörde eine weite Auslegung der betroffenen Sektoren.

Dies hat in der Praxis dazu geführt, dass bei Überschreiten der maßgeblichen Beteiligungsgrenzen für nahezu jede M&A-Transaktion durch einen Drittstaatserwerber in den aufgezählten Sektoren prophylaktisch ein Genehmigungsverfahren eingeleitet wird. Seit Inkrafttreten des Gesetzes waren das rund 100 Transaktionen. Unter dem Vorgängerregime, das vom Außenwirtschaftsgesetz geregelt wurde, gab es in acht Jahren nur 25 Verfahren.

Strategische Beratung

Für innovative Jungunternehmen mit hohem Wachstumspotenzial spielt die Finanzierung mit Risiko- und Wagniskapital durch externe Investoren eine wichtige Rolle, zumal diese den Start-ups auch strategische Beratung und Netzwerke bieten. Erschwerend kommt hinzu, dass viele Start-ups in den Sektoren tätig sind, die von dem InvKG als "sensible Bereiche" eingestuft werden.

Damit verfehlt das Gesetz das Ziel, denn Jungunternehmen sind für weiteres Wachstum nicht auf Schutz vor chinesischen oder russischen Käufern, sondern auf Venture-Capital aus dem Ausland angewiesen, insbesondere auch die USA und Großbritannien.

Zwar nimmt das InvKG Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von unter zwei Millionen Euro von seinem Anwendungsbereich aus – für den Venture-Capital-Bereich hat diese Ausnahme allerdings nur geringe Bedeutung: Gerade Start-ups befinden sich typischerweise in der Seed-Phase, in der Forschungsarbeit und die Entwicklung von Konzepten bzw. Prototypen im Vordergrund stehen. Wenn schon ein geringer Kapitalbedarf so viel administrativen Aufwand verursacht, verlieren Venture-Capital-Investoren aus Drittstaaten schnell das Interesse.

Um kurzfristigen Kapitalbedarf zu decken, ist die Venture-Capital-Praxis von rasch aufeinanderfolgenden Finanzierungsrunden charakterisiert. Dass das nicht mit einem Genehmigungsverfahren vereinbar ist, das mindestens neun Wochen dauert, liegt auf der Hand. Betroffene Unternehmen müssen sich daher seit eineinhalb Jahren entscheiden, ob sie die langen Vorlaufzeiten und den erhöhten administrativen Aufwand eines InvKG-Genehmigungsverfahrens in Kauf nehmen oder auf attraktive Investoren aus Drittstaaten verzichten.

Benötigte Adaptionen

Der weite Anwendungsbereich des InvKG trifft vor allem jene Start-ups, die vom Sinn und Zweck des Gesetzes nicht erfasst sein sollen. Vor diesem Hintergrund erscheint eine praxisrelevante Erleichterung für Venture-Capital-Investments dringend erforderlich.

Eine solche könnte zum einen durch eine präzisere Definition der von der Genehmigungspflicht erfassten kritischen Technologien und Infrastruktur erfolgen, zum anderen durch die Aufnahme einer Wesentlichkeitsschwelle, die die tatsächlichen Gegebenheiten im Zusammenhang mit ausländischen Venture-Capital-Investitionen besser berücksichtigt, erreicht werden. (Stephan Strass, 14.3.2022)