In einer fernen Zukunft ist die Menschheit aufgrund ihrer eigenen Fehler ausgestorben, und die Biber haben die Macht über die Erde übernommen – natürlich keine normalen Biber, sondern aufrecht gehende Biber, die Gebäude bauen und stets neue Technologien erforschen können. Willkommen in Timberborn, einem Spiel des polnischen Indie-Studios Mechanistry, das aktuell im Early Access zu haben ist. Das bedeutet: Es ist noch nicht ganz ausgereift, aber definitiv schon spielbar. Und es macht Spaß, wie wir im STANDARD-Test feststellen durften.

Pionier des Lumberpunk

Auf dem eigenen Steam-Shopauftritt ordnen die Entwickler ihr Spiel dem Genre des "Lumberpunk" zu. Wer den besagten Begriff googelt, der findet rasch heraus, dass es sich hier um einen Neologismus ist, Timberborn also guten Gewissens als Pionier einer neuen popkulturellen Bewegung verstanden werden kann.

Timberborn

Was Lumberpunk wiederum sein soll, das wird schon in den ersten Spielminuten klar: Während sich bei Steampunk alles um rostiges Metall und heiße Luft dreht, steht beim Lumberpunk das Holz im Mittelpunkt – und wer könnte mit diesem Baustoff besser umgehen als die fleißigen Biber, die bereits Jahrtausende Erfahrung damit gesammelt haben?

Das Dämmern einer neuen Ära

In puncto Spielprinzip geht es bei Timberborn darum, eine neue Zivilisation aufzubauen – es handelt sich also um ein klassisches Städte-Aufbauspiel, wie etwa Sim City oder Die Siedler, fein garniert mit postapokalyptischen Elementen. Zu diesem Zweck startet man das Spiel mit einem Dorfzentrum und einer Handvoll erwachsener Biber, denen man diverse Aufgaben zuteilt.

Eine bereits fortgeschrittenen Biberstadt.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

So machen die Biber gleich zu Beginn das, was sie am besten können: Sie fällen Holz, einen der Rohstoffe des Spiels. Dieses wiederum kann genutzt werden, um Gebäude zu bauen und mit diesen den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern. So sind Wasserpumpen nötig, damit die kleinen Freunde nicht verdursten. Über Bauernhöfe werden Felder bearbeitet, an denen Nahrung angebaut wird: Karotten können sofort verspeist werden, Kartoffeln werden zu Chips weiterverarbeitet.

Die besagte Weiterverarbeitung gilt wiederum auch für den Rohstoff Holz: Die Baumstämme werden im Sägewerk zu Holzplatten zurechtgeschnitten, aus denen wieder neue Gebäudearten errichtet werden. Das Sägewerk wiederum benötigt Strom, welcher unter anderem in einem Laufrad produziert wird – das erinnert an ein gewaltiges Hamsterrad und sieht entsprechend drollig aus.

Dieser fleißige Biber produziert eifrig Strom.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Neue Gebäudetypen können jeweils erforscht werden, indem Forschungspunkte ausgegeben werden, die von Forschern generiert werden. Mit der Zeit verfügt die eigene Siedlung dann nicht mehr nur über die besagten Standard-Gebäudetypen, sondern auch über Biber-Tempel, Biber-Karussels und gewaltige Biber-Holzstatuen. Deren Nutzung spiegelt sich in diversen Kennzahlen – etwa "Spaß" oder "Spiritualität" – wider.

Mit dieser Statue huldigen wir der fleißigen Biber-Arbeiterschaft.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Durststrecken überwinden

Gebremst wird der Aufbau des eigenen Biberimperiums durch periodisch eintretende Trockenphasen. In selbigen trocknet der Fluss aus und gibt somit kein Wasser mehr her, kurz darauf gehen auch die Felder ein und Nahrungsmittel werden knapp. Wer hier nicht rechtzeitig vorgesorgt hat, dessen Biberbevölkerung verhungert oder verdurstet – womit das Spiel dann auch beendet ist.

Mit einer Dürreperiode ist nicht zu spaßen.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Dieser Biberapokalypse wirkt man clever entgegen, indem das Wasser in entsprechenden Silos und die Nahrung in Lagerhäusern gebunkert wird. So können sich die Biber jeweils bedienen – übrigens: Wenn sie aus den Silos trinken, erinnert das auf sehr drollige Weise an jene Wasserspender, die in Hamsterkäfigen hängen – und überstehen auch diese Durststrecke. Hat man dieses Konzept einmal verstanden, so sterben die Biber im besten Fall nur noch an Altersschwäche.

Putzige kleine Biberbabys

Wie bitte, Altersschwäche? Ja, richtig: Die Biberbevölkerung wächst und altert. Und da die Erwachsenen irgendwann altersbedingt ins Holz beißen, muss entsprechend für Nachwuchs gesorgt werden.

Dies geschieht, indem Unterkünfte gebaut werden, sodass die Biber nicht mehr unter freiem Himmel, sondern in den eigenen vier Wänden schlafen. Weiters sind Chillout-Plätze angesagt, wie etwa Feuerplätze und Dachterrassen, bei denen sich die Bewohner in Liegestühlen räkeln und dabei ihre protzigen Biberschwänze in die Höhe ragen lassen.

Auf den Dachterrassen können die Biber chillen.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Macht man hier alles richtig, so zeugen die erwachsenen Biber schon bald putzige kleine Biberbabys, die wiederum nach einiger Zeit erwachsen werden und ihren Beitrag zum Aufstreben der Bibergesellschaft leisten können.

Abwechslung erwünscht

Bei Timberborn gibt es zwei Fraktionen: Die "Rustikalruten" und die "Eisenzähne". Die Erstgenannten sind Biber wie sie im Buche stehen, emsige kleine Arbeitstiere mit einem ausgeprägten Faible für Holz. Die Eisenzähne hingegen haben den Holzweg verlassen und den Einsatz von Eisen und Wissenschaft erlernt, um moderne Maschinen zu bauen. Dementsprechend sammeln sie auch lieber Metall aus alten Ruinen der Menschen, um so spezielle Gebäude errichten zu können.

Die Eisenzähne haben den traditionellen Weg verlassen.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Zu Beginn des Spiels entscheidet man sich für eine der Fraktionen und spielt diese anschließend. Das klingt nach viel Abwechslung – allzu groß sind die Unterschiede aber dann doch nicht: Im Endeffekt werden bei beiden Völkern Gebäude errichtet, um so die Stadt weiterzuentwickeln.

Ebenso können zu Beginn Karten ausgewählt werden, auf denen gespielt wird. Außerdem gibt es einen eigenen Landschaftseditor, mit dem man sich selbst Spielkarten gestalten kann. "Sich selbst" bedeutet in dem Fall allerdings auch: Es gibt keinen Multiplayer, Timberborn ist ein reines Singleplayerspiel.

Im Karteneditor können eigene Landschaften erstellt werden.
Foto: Der Standard/Stefan Mey

Hinzu kommt, dass – bei aller Drolligkeit – nach einiger Spielzeit Langeweile aufkommt, wenn mehrere Dürreperioden durchlaufen und alle Gebäudetypen errichtet worden sind. Bei den Siedler-Spielen gab es Mutiplayer-Modi und die Möglichkeit, gegen feindliche Völker zu kämpfen, bei Sim City gab es den Godzilla-Angriff – und auch bei Timberborn wären die Developer gut beraten, ergänzend zum eigentlich kreativen Szenario zumindest optional Elemente zu integrieren, die einen langfristigen Spielspaß ermöglichen.

Fazit: Ein wenig Drolligkeit für die tristen Winterabende

Diesen Kritikpunkten zum Trotz ist klar ersichtlich, warum das Indie-Spiel schon jetzt knapp 1.900 "äußerst positive" Rezensionen auf Steam eingesammelt hat: Das Setting ist innovativ und kreativ genug umgesetzt, um Abwechslung in den sonst oft grauen Gaming-Einheitsbrei zu bringen. Sowohl die Gebäude als auch das Verhalten der Biberlein haben mir beim Testen nicht selten ein entzücktes "Moooiiiii" entlockt.

Das Spielkonzept funktioniert auch, wiewohl es noch ausbaufähig ist. Optionale Konflikte zwischen den Fraktionen wären ebenso eine brauchbare Erweiterung wie ein Multiplayer-Modus, bei dem man gemeinsam mit Freunden Bäume fällen kann. Bis dem so ist, bleibt Timberborn ein interessanter Pionier im noch unbesetzten Genre des Lumberpunk – und ein gutes Spiel, um bei einer Tasse Kakao den Tag ausklingen zu lassen. (Stefan Mey, 10.12.2021)

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Ein Exemplar des Spiels wurde von Mechanistry zur Verfügung gestellt.