Stefan Brocza: Ob Außenministerin Karin Kneissl an internationalen Treffen teilnimmt, entscheidet ihr persönliches Interesse und nicht politische Notwendigkeiten oder gar Zuständigkeiten.

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Über das zentrale entwicklungspolitische Thema der EU-Ratspräsidentschaft, die beginnenden Post-Cotonou-Verhandlungen und somit auch die Ausgestaltung der künftigen Beziehungen zu allen afrikanischen Staaten südlich der Sahara, hüllt sich Österreich in Schweigen.

Fand sich das Thema anfangs noch prominent im Arbeitsprogramm, scheint man zwischenzeitlich thematisch abgetaucht. Wie die angekündigte Rolle als "Koordinator der EU-Position" konkret aussieht, weiß niemand so recht. Seitens Österreichs und der zuständigen Außenministerin Karin Kneissl hat man offensichtlich das Interesse daran verloren. Das zeigt die Tatsache, dass man es nicht für nötig hielt, als amtierende EU-Ratspräsidentschaft am Treffen der parlamentarischen Versammlung EU-AKP Anfang Dezember im westafrikanischen Benin teilzunehmen.

Diplomatischer Affront

Obwohl man über all die "Leibthemen" der Ratspräsidentschaft sprach – neben Cybercrime, Schmuggel, Sicherheit auch über die Förderung von KMUs in Afrika, also einem der Schwerpunkte des von Kanzler Sebastian Kurz im Dezember für Wien initiierten EU-Afrika-Forums -, glänzte Österreich durch Abwesenheit. Man ließ sich durch Rumänien vertreten. Dieses Nichterscheinen ist mehr als ungewöhnlich und nahe am diplomatischen Affront. Überhaupt scheint es, dass Kneissl einen etwas eigenwilligen Zugang zu ihrer Kompetenz als Entwicklungsministerin hat. In einem im Dezember erscheinenden Interview mit der Zeitschrift "International" etwa lapidar: "Ich kenne dieses Lamento über die österreichische EZA nur zu gut. Hier bin ich leider die falsche Ansprechpartnerin."

Voller Tatendrang

Das Negieren von Zuständigkeiten und Kompetenzen hindert Kneissl aber nicht, voller Tatendrang in anderen Ministerien zu wildern. So erschien sie etwa beim EU-Opec-Energiedialog am 23. November in Brüssel, obwohl internationale wie auch europäische Energiepolitik in die Zuständigkeit der Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger fällt. Zu verlockend war die Chance, sich gekonnt in Szene zu setzen.

Beobachter gehen zunehmend davon aus, dass Kneissl ihr Ressort eher dazu nutzt, sich für die Zeit nach ihrem Ministerdasein in Position zu bringen. Und dafür sind nette Fotos mit arabischen Vertretern und Politikern wohl hilfreicher als eine strapaziöse Reise nach Westafrika, um die eigentliche Ministerarbeit zu erledigen. Dass die Außenministerin damit auch gleich ein wenig das für Kurz so wichtige EU-Afrika-Forum am 18. Dezember torpediert hat, ist wohl ein netter und durchaus gewollter Nebeneffekt. Ein bisschen Distanz zu Türkis-Blau kann ja nicht schaden für das geplante Leben nach der Politik. (Stefan Brocza, 13.12.2018)