Der Vorstoß von ÖVP-Bezirksvorsteher Markus Figl gegen die Fiakerpferde in der Wiener Innenstadt ist mehr als eine Diskussion über kaputte Straßen. Er ist sogar mehr als eine Diskussion über Tierwohl und ganz bestimmt mehr als eine Diskussion über Geruchsbelästigung der "durch Wind und Reinigung aufgewirbelten Partikel von Rossäpfeln und Urin", wie er in seiner Stellungnahme an den Petitionsausschuss schreibt. Er ist in Wahrheit eine Positionierung in der Frage: Gehört Wien seinen Bewohnern oder seinen Besuchern?

Seine Vision sei eine bewohnte Stadt, schreibt Figl, daran seien alle Handlungen auszurichten. "Geht's den Fiakern gut, geht's dem Tourismus gut, geht's uns allen gut", argumentieren seine Gegner, allen voran die Kutscher selbst, aber auch die Wirtschaftskammer.

Aussagen wie jene Figls müssen natürlich vor dem Hintergrund gesehen werden, wer seine Wähler sind. Er muss es jenen mit Wohnsitz im Ersten rechtmachen, nicht jenen, die in Airbnbs und Hotels sitzen. Wenn er schreibt, dass zertrampelte Straßen nicht nur vom Steuergeld der Bewohner saniert werden dürfen, ist er gedanklich wohl schon im Jahr 2020 bei der nächsten Bezirksvertretungswahl.

Verfrühten Wahlkampf außen vor gelassen, ist es eine legitime Forderung: Die Zeiten, in denen die Wiener in ihrem alltäglichen Leben von Fiakern profitierten, liegen Jahrhunderte zurück. Jetzt existieren die Kutschen ausschließlich, um Touristen in ein Flair zurückzuversetzen, das Wien irgendwann einmal umgab und das künstlich am Leben gehalten werden soll.

Doch Besucher zufriedenzustellen darf – so relevant es sein mag – niemals das oberste Ziel einer Stadtverwaltung sein. Beispiele wie Venedig und Dubrovnik zeigen, was passiert, wenn die Interessen von Touristen über Bedürfnisse der Bewohner gestellt werden: Städte sterben und werden zu unbewohnten Freizeitparks. In der historischen Altstadt von Dubrovnik leben kaum noch Menschen, sie ist eine Kulisse, die täglich von tausenden Kreuzfahrttouristen bestaunt wird. Ist das das Wiener Flair, das wir wollen?

Zu sagen, es fahren bereits genug Fiaker in der Innenstadt, sogar zu sagen, sie sollen weniger sein, ist also durchaus legitim. Altes, Tradition und Brauchtum sollen bewahrt und liebevoll in Erinnerung gehalten werden. Doch sie dürfen nicht zur Belastung werden für jene, die im Heute leben. (Gabriele Scherndl, 16.10.2018)