Werner Kogler: "Die SPÖ hat den Umweltschutz nicht verstanden, da können sie in ihr Parteiprogramm reinschreiben, was sie wollen."

Hendrich

In der Flüchtlingspolitik will Kogler auf Humanität und Ordnung setzen, das müsse sich nicht ausschließen.

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STANDARD: Die SPÖ hat den Klimaschutz entdeckt und will, zumindest wenn es nach Parteichef Christian Kern geht, verstärkt auf Umweltthemen setzen. Dann brauchte es die Grünen nicht mehr, oder?

Kogler: Es ist gut, wenn sich auch andere, in diesem Fall der Kollege Kern, dieser Überlebensfrage annehmen. Ich bin nur skeptisch, ob er damit bei den Sozialdemokraten durchkommt. In der Praxis arbeitet und spielt die SPÖ in Umweltfragen konsequent auf der falschen Seite. Es sind sozialdemokratische Politiker wie Hans Niessl im Burgenland oder Michael Ludwig in Wien, die Milliarden in umstrittene Großprojekte stecken.

STANDARD: Also stellt das neue SPÖ-Programm keine ernsthafte Bedrohung für die Grünen dar?

Kogler: Nein, gar nicht. Das sind nur Feiertagsschriften. Die SPÖ arbeitet oft genug gegen die Umwelt und gegen die Gesundheit. Da braucht es die Grünen, schon allein aus ökologischer Sicht.

STANDARD: Innerhalb der SPÖ gab es ohnedies gleich Widerstand. Hans Peter Doskozil hat dafür plädiert, dass sich die SPÖ nicht rot-grünen Randthemen widmen soll, sondern dem, was die Menschen wirklich bewegt. Das sei nach wie vor die Flüchtlingsproblematik.

Kogler: Doskozil ist von der Hierarchie der Fragestellungen falsch gewickelt. Es geht bei den Umweltthemen um ganz große Anliegen, um die Überlebensbedingungen der Menschen. Programmatisch-ideologisch hat die SPÖ die wirtschaftliche Wertschöpfung immer gegen die Natur organisiert.

STANDARD: In Wien regieren die Grünen mit der SPÖ, das klingt nach einem Widerspruch in sich.

Kogler: Alles, was wir für den öffentlichen Verkehr und für den Radverkehr durchgesetzt haben, und das kann sich anschauen lassen, das mussten die Grünen öfter an den Sozialdemokraten vorbei organisieren. Beim Ausbau der Radwege, den jetzt auf einmal alle Parteien ausgerufen haben, wurden wir nicht nur im Stich gelassen, sondern boykottiert, auch von den Roten – obwohl wir in einer Koalition mit ihnen sind.

STANDARD: Der Lobautunnel ist das nächste Streitprojekt.

Kogler: Da sieht man das Grundproblem: Die SPÖ hat den Umweltschutz nicht verstanden, da können sie in ihr Parteiprogramm reinschreiben, was sie wollen. Da wird für ein paar Kilometer Autobahn das Naturschutzgebiet geopfert, damit holt man noch viel mehr Verkehr nach Wien herein. Mit der Hälfte dieser Milliardenbeträge könnte man die Öffi-Verbindungen vernünftig ausbauen. Aber das geht mit der SPÖ nicht. Mit Schwarz-Blau übrigens auch nicht.

STANDARD: Sie waren in den vergangenen Jahren immer auch ein Rot-Grün-Verbinder. Wenn Sie der SPÖ einen Ratschlag geben sollten und wollten: Auf welche Themen sollte sie stärker setzen?

Kogler: Das ist die Umweltfrage. Die SPÖ müsste glaubwürdig in Richtung Umweltschutz einbiegen, das wär schon gut. Wenn wir alle miteinander Schwarz-Blau bei der nächsten, spätestens bei der übernächsten Wahl ablösen wollen, muss die SPÖ so breitentauglich auftreten, dass sie Wähler zurückholen kann – ohne die Prinzipien Freiheit, Menschenwürde, Menschenrechte zu verlassen.

STANDARD: Warum zieht das Flüchtlingsthema nach wie vor so?

Kogler: Da muss man auch einmal die Medien fragen. Kurz entfacht hier in Orchestrierung und in Tateinheit mit dem Boulevard giftige Winde, in die sie ihr eigenes Segel wieder reinhängen können. Das ist weit weg von der realen Problemlage. Diese schwarz-blaue Regierung macht absichtlich die Probleme größer und scheut die Lösungen. Sie machen absichtlich noch das Falsche, keine Deutschkurse, um die Integration zu behindern, damit das Problem ständig im Raum steht.

STANDARD: Was haben Sie dem entgegenzusetzen?

Kogler: Man muss sich um eine Dehysterisierung bemühen und das, was Schwarz-Blau macht, enttarnen. Es geht um die soziale Frage. Diese Regierung räumt den Kleinverdienern alles runter, sie fördert jene, die eh schon viel haben, die, die wenig haben, kriegen nix, und denen, die fast nix haben, nimmt man noch etwas weg. Und da geht es längst nicht mehr nur um die Ausländer.

STANDARD: Die Grünen haben sich mit dem Thema Ausländer und Flüchtlinge nie leichtgetan, aus dem ergab sich auch eine von mehreren Bruchlinien mit Peter Pilz. Wie wollen sich die Grünen dem Thema künftig stellen?

Kogler: Keine Änderung in der Haltung und in den Grundprinzipien, allerdings muss man mehrere Prinzipien gleichwertig betonen. Es geht um Humanität und um Ordnung. Das müssen wir richtig rüberbringen. Der Boulevard hat uns Grüne in ein völlig falsches Eck gedrängt. Als ob wir alle ansatzweise entrechteten Menschen der Welt von Südchile bis Nordostsibirien mit einem Escortservice nach Österreich holen wollen. Das ist ein glatter Unsinn. Da müssen wir uns auch verständlich machen. Es war ein Fehler, dass wir uns diese Zuschreibung gefallen haben lassen.

STANDARD: Sie meinen die Zuordnung als "Willkommensklatscher", wie es immer wieder heißt?

Kogler: Sollen sie uns doch Gutmenschen schimpfen, wenn ihnen böse lieber sind.

STANDARD: Wann wird es einen neuen Parteichef, eine neue Parteichefin geben? Oder werden Sie den Laden weiterschupfen?

Kogler: Die Wahl steht knapp vor dem Jahreswechsel an. Der Vorstand wird kleiner werden, wir werden die Verantwortung bündeln. Ob ich so weitermache, hängt von mehreren Bedingungen ab. Es muss gelingen, junge Leute reinzuholen und sie mit ein paar alten Kämpfern abzumischen, die wirklich uneitel den Karren ziehen. Es muss eine kulturelle Änderung geben, eine wirkliche Verbreiterung der Partei, und das wird man an den Strukturen und Statuten der Partei messen können. Zum Beispiel soll eine breite Mitgliederbasis in einer Urabstimmung die Spitzenkandidatin oder den -kandidaten wählen. Auf dieser Basis breiter legitimiert hat diese Person dann die Möglichkeit, auf die Teamauswahl mehr Einfluss zu nehmen.

STANDARD: Also weniger Basisdemokratie?

Kogler: Nein, zuerst mehr.

STANDARD: Dann aber weniger.

Kogler: Es geht um Öffnung und Verbreiterung, dann um die Professionalisierung in der Teamarbeit. Wir müssen schlagkräftiger werden. Wir brauchen auch mehr Radikalität in der Darstellung grüner Herzensangelegenheiten. Wir müssen in der Sprache und im Auftritt breiter verständlich werden. Wir sollen den Leuten nicht nach dem Mund reden, aber eine Sprache sprechen, die auch im Wirtshaus verstanden wird. Das haben wir immer unterschätzt. (Michael Völker, 18.8.2018)