Wien/Linz – Richterin Marion Hohenecker hat heute den Antrag der Verteidiger von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, die Liveticker-Berichterstattung aus dem Gerichtssaal zu verbieten, abgelehnt. Grassers Anwälte hatten beantragt, die Richterin in ihrer Funktion als Sitzungspolizei möge die Liveticker untersagen, unter anderem weil sie falsch berichten würden.

"Ich habe hier für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Nachdem die Liveticker die Verhandlung nicht stören, scheint es mir nicht zwingend, dem Antrag auf Untersagung des Livetickers stattzugeben", sagte sie und zitierte den "Wiener Kommentar" zu dem Thema. Eventuelle medienrechtliche Verfahren hätten mit dem Prozess nichts zu tun.

Nicht Gegenstand der Hauptversammlung

"Dieser Prozess beschäftigt die ganze Republik, weil die Vorwürfe, die im Raum stehen, massiv sind", sagte sie. "Dieser massive Vorwurf bedarf einer genauen Auseinandersetzung." Im Gerichtssaal zählten aber nur "Zahlen, Daten und Fakten" und nicht medienrechtliche Auseinandersetzungen, so die Richterin.

Auch Staatsanwalt Alexander Marchart ergriff das Wort: Alles, was die Grasser-Anwälte vorgebracht hätten, habe mit der Beurteilung von Schuld oder Unschuld der Angeklagten gar nichts zu tun. Medienartikel oder Medienverfahren seien nicht Gegenstand der Hauptverhandlung. Es sei auch völlig unschlüssig, was das Interview von Gabriela Moser mit der Hauptverhandlung zu tun habe oder mit den Livetickern, sagte Marchart. Eine Beeinflussungsmöglichkeit auf Zeugen oder Schöffen dadurch sehe er nicht. Hingegen habe Grasser selbst außerhalb der Hauptverhandlung mit einer potenziellen Zeugin Kontakt aufgenommen.

Kritik der Journalistengewerkschaft

Die Journalistengewerkschaft hat die jüngsten Vorgänge im Grasser-Prozess als "indiskutabel" bezeichnet. "Versuche, journalistische Arbeit in welcher Form auch immer einzuschränken, sind indiskutabel", sagte Eike Kullmann, Vorsitzender der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp, am Mittwoch. Solche Versuche kämen einem "Anschlag auf die Pressefreiheit" gleich.

Grasser-Anwalt Manfred Ainedter hatte auch Anzeigen gegen die frühere Grünen-Abgeordnete Moser wegen eines Interviews bekanntgegeben – und gegen die APA-Redakteurin, die dieses geführt hatte. Auch das kritisierte Kullmann als "nicht nachvollziehbar" und "absolutes No-Go". Ebenso der APA-Redakteursbeirat: Er wies in einer Aussendung "Einschüchterungsversuche gegen eine APA-Journalistin im laufenden Buwog-Prozess auf das Schärfste zurück". Die Sachverhaltsdarstellung sei "als plumper Angriff auf die Pressefreiheit zu werten". (APA, 18.7.2018)