A. E. van Vogt: "Die Expedition der Space Beagle"
Broschiert, 352 Seiten, € 10,30, Heyne 2018 (Original: "The Voyage of the Space Beagle", 1950)
Nostalgie-Alarm! Dieses Buch ist eine meiner allerfrühesten SF-Erinnerungen. Anlässlich der Wiederveröffentlichung schnell im Regal gekramt, aber leider muss die alte Donauland-Ausgabe irgendwann mal einem Umzug zum Opfer gefallen sein. Die hatte das (im Gegensatz zur Neuauflage korrekt kugelförmig dargestellte) Raumschiff "Space Beagle" und den Cœurl auf dem Cover, den man heute noch als Archetypus in manchen SF-Bestiarien finden kann. Wegen seiner ikonischen Wirkung ist er über das Schaffen des Autors hinausgewachsen, ein Ork-Effekt in verkleinertem Maßstab.
Als das Buch seinerzeit erschien, war es freilich schon alt: Der 1912 in Kanada geborene Alfred Elton van Vogt war einer der wichtigsten Vertreter des Golden Age of Science Fiction, in dem die SF den Schritt von Magazin-Veröffentlichungen zur Romanform vollzog. "Die Expedition der Space Beagle" spiegelt das wider. Es handelt sich eigentlich um vier Erzählungen, die 1939 bis 1950 in Pulp-Magazinen erschienen und nachträglich zu einem Roman verknüpft wurden. Schauplatz der Handlung ist ein Raumschiff, das ganz im Stil der "Enterprise" in Galaxien vordringt, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat (und in ihrem Fall stimmt "Galaxien" sogar). Benannt nach dem Forschungsschiff, mit dem einst Charles Darwin die Welt bereist hat, entdeckt auch die "Space Beagle" eine Reihe neuer Spezies. Anders als Darwins Tiere sind diese jedoch allesamt brandgefährlich und mit Superkräften ausgestattet.
Die Feinde
Der schon erwähnte Cœurl hat die Gestalt einer Raubkatze mit Tentakeln und kann elektromagnetische Strahlung manipulieren. Er lebt auf einem dem Untergang geweihten Planeten und sieht in der gelandeten "Space Beagle" eine unverhoffte Chance, doch noch dem Hungertod zu entgehen. Cœurl ist hochintelligent und versteht die Technologie der Menschen auf Anhieb – zugleich ist er jedoch ein triebgesteuertes Raubtier, das in einen Blutrausch verfallen kann. Für ein Monster, und das ist er zweifellos, wird der Cœurl bemerkenswert vielschichtig geschildert: Der Konflikt zwischen Intellekt und Instinkt, die melancholische Grundstimmung (er lebte schon zu Zeiten, als sein Planet noch eine Hochzivilisation trug, und streift nun einsam durch die Ödnis) sowie sein nachvollziehbarer Überlebenswunsch wecken Verständnis für das Ungeheuer.
Der dritte Romanabschnitt (ursprünglich die erfolgreiche Kurzgeschichte "Discord in Scarlet") wiederholt im Grunde den Plot der ersten, diesmal jedoch mit klarer Schwarz-Weiß-Zeichnung. Das dämonische Wesen Ixtl, das die "Space Beagle" mitten im Leerraum aufliest, ist ein unsterblicher Bewohner "des vorangegangenen Universums". Es kann durch Wände gehen und legt seine Eier in Menschen ab – ein ferner Urahn von Ridley Scotts "Alien". Anders als der Cœurl wird dieser Invasor an Bord ohne jeden Hauch von Sympathie geschildert. Ixtl, das mit seiner Brut das ganze Universum unterwerfen will, ist der Teufel selbst.
Keine feindliche Absicht hegen die Riim, eine Zivilisation von Vogelwesen, die sich wie Amöben teilen können. Ihre telepathische Kontaktaufnahme löst unter der "Space Beagle"-Besatzung allerdings verheerende Halluzinationen aus. Die Anabis schließlich ist wieder ein Gegner, den es rücksichtslos zu bekämpfen gilt: ein gasförmiges Wesen, das sich über die Galaxie M33 ausgebreitet hat und von der Lebenskraft ihrer Bewohner parasitiert. Auch dieses Wesen will die "Space Beagle" kapern, um sich universell auszubreiten – das eigentliche Monster an Bord ist aber ein ganz anderes ... nämlich van Vogts Held.
Ungewöhnliches gesellschaftliches Biotop
Die außerirdischen Bedrohungen sind für van Vogt kaum mehr als Katalysatoren für die zwischenmenschlichen Vorgänge an Bord. Die riesige "Space Beagle" dürfen wir uns am ehesten als fliegende Universität mit angeschlossener militärischer Abteilung vorstellen. Es gibt jede Menge Bürokratie, Hierarchien und Konflikte zwischen den Abteilungen. Und wer die Expedition leitet, das wird regelmäßig in demokratischen Wahlen bestimmt – ein ziemlich einzigartiges Szenario unter all den unzähligen SF-Romanen über Weltraummissionen. Ironie am Rande übrigens: Was Geschlechterrollen anbelangt, ist der Roman so altmodisch, dass er heute schon wieder unter dem Motto "Besondere Genderverhältnisse" beworben werden könnte. Alle 1.000 Besatzungsmitglieder sind männlich, ihr Sexualtrieb wird durch chemische Beimischungen im Essen unterdrückt.
Im Mittelpunkt der vier Episoden steht Elliott Grosvenor, Vertreter der noch jungen Wissenschaft des Nexialismus, einer Disziplin, die angetreten ist, alle Fachgebiete zu etwas Ganzheitlichem zu vereinen. Doch sie versteht sich nicht als bloße Schnittstelle, sie arbeitet auf eine neue Art des Denkens hin. Verschiedenste Psycho-Techniken und den Verstand beeinflussende Geräte gehören daher ebenfalls zu ihrem Repertoire. Wem das verdächtig bekannt vorkommt: Van Vogts Nexialismus entstammt nicht nur derselben Ära wie die Dianetik, der Autor stand damals auch in engem Kontakt mit Scientology-Gründer L. Ron Hubbard, seinerseits ursprünglich SF-Autor (erst als immer klarer wurde, in welche Richtung Hubbard abglitt, wandte sich van Vogt von ihm ab). Es war eine Zeit, in der man meinte, den menschlichen Geist völlig neu strukturieren zu können.
Von den anderen Abteilungsleitern an Bord – in seinen Augen Fachidioten – wird Grosvenor anfangs geringgeschätzt, aber das wird er noch ändern. Einer seiner wenigen Freunde attestiert ihm, der potenziell gefährlichste Mann an Bord zu sein. Zu Recht! Van Vogt beschreibt Grosvenor als die personifizierte Vernunft – doch pure Vernunft darf niemals siegen, wussten schon Tocotronic. Mit Manipulation und psychischer Gewalt arbeitet sich Grosvenor im Lauf des Romans an die Spitze der Befehlskette, stets im Gefühl, das Richtige zu tun (wobei ihm der Autor Recht gibt, indem er Grosvenor alle Probleme lösen lässt). Das liest sich aus heutiger Sicht durchaus gruselig – und kippt ins Komische, wenn ausgerechnet der allein gegen alle agierende Grosvenor über den ungezügelten Egoismus Einzelner schimpft, gemünzt natürlich auf seine Widersacher.
Obsolete Ansichten
Achtung ringt Grosvenor als Einziger ausgerechnet der Bord-Archäologe ab. Im Nachwort verweist der SF-versierte Politikwissenschafter Rainer Eisfeld darauf, wie stark van Vogt von den Thesen des Historikers Oswald Spengler beeinflusst war. Spenglers zyklisches Geschichtsbild wird hier in Bausch und Bogen auf vollkommen fremdartige Zivilisationen und Denkweisen angewandt – wieder mit unbeabsichtigt komischer Wirkung, etwa wenn die dominante Lebensform des vorangegangenen Universums der "bäuerlichen Entwicklungsstufe" zugeordnet wird. Die anthropozentrische Selbstherrlichkeit, mit der ein einziges Erklärungsschema über alles drübergestülpt wird, ist nicht nur ein geistiger Zwilling von Grosvenors Nexialismus-über-alles – sie wirkt heute auch ähnlich veraltet wie der Wissensstand des Romans in Sachen Physik.
Alles in allem war's also eine ambivalente Wiederbegegnung mit einem Stück Kindheit. Was seine philosophischen Aspekte anbelangt, lässt sich "Die Expedition der Space Beagle" heute nur noch als Zeitdokument lesen, als Einblick in die SF- und Ideengeschichte. Die kreativen Alien-Schöpfungen hingegen sorgen dafür, dass es nach wie vor als Abenteuerroman funktioniert. Beides zusammen ergibt eine auf jeden Fall interessante Lektüre.