Schicht für Schicht wurden in Österreich Arbeitszeit- und Konsumentenschutzregeln verbessert – übermäßig vergoldet, meinen Wirtschaftslobbyisten.

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So wasserfest, wie von Justizminister Josef Moser (ÖVP) dargestellt, ist der Schutz durch die EU-Richtlinie gegen Änderungen oder Verschlechterungen in Sachen Urlaubsanspruch und Arbeitszeit nicht. Wohl enthält die "Richtlinie 2003/88/EG vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung" eine sogenannte Nichtrücktrittsklausel. Diese besagt, dass bessere Regelungen wie die fünfte Urlaubswoche, die zum Zeitpunkt des EU-Beitritts bereits bestanden haben, nicht verschlechtert werden dürfen.

Einen immerwährenden Schutzschild gegen eine Reduzierung des Jahresurlaubs stellt das allerdings nicht dar. Denn die Regierung kann ein neues Gesetz machen und darin Verschlechterungen wie eine Verkürzung des Jahresurlaubsanspruchs auf zum Beispiel viereinhalb Wochen verordnen. Sie darf die Rücknahme nur nicht mit dem niedrigeren Niveau der EU-Richtlinie begründen. Denn im maßgeblichen Artikel 23 der EU-Richtlinie heißt es: "Unbeschadet des Rechts der Mitgliedsstaaten, je nach der Entwicklung der Lage im Bereich der Arbeitszeit unterschiedliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie Vertragsvorschriften zu entwickeln, sofern die Mindestvorschriften dieser Richtlinie eingehalten werden, stellt die Durchführung dieser Richtlinie keine wirksame Rechtfertigung für eine Zurücknahme des allgemeinen Arbeitnehmerschutzes dar."

Neues Gesetz

Europarechtsexperte Walter Obwexer stellt klar: "Artikel 23 der Richtlinie nimmt den Mitgliedsstaaten keineswegs das Recht, ein neues Gesetz zu machen. Es müssen dabei nur die Mindestvorschriften der EU-Arbeitszeitrichtlinie eingehalten werden." Die sind schlechter als einige österreichische Standards, sehen pro Jahr und Arbeitnehmer nur einen Mindesturlaub im Ausmaß von vier Wochen vor.

"Unionsrechtlich wäre eine Absenkung nicht verboten", sagt Obwexer, Professor am Institut für Europa- und Völkerrecht der Universität Innsbruck. "Die Frage ist nur, ob es aus Sicht des Arbeitnehmerschutzes sinnvoll ist."

Die Regierung versicherte vorsorglich, dass weder Verschlechterungen des Urlaubsgesetzes geplant sind noch beim Mutterschutz, und auch die fünfte Urlaubswoche bleibe unangetastet. Metallgewerkschaftschef Rainer Wimmer hält derartige Beteuerungen für billige Ablenkungsmanöver: "Zuerst wird eine Liste voller Grauslichkeiten erstellt, und wenn die Öffentlichkeit Wind davon bekommt, streitet man alles ab und diffamiert Kritiker als Lügner." Die Arbeitnehmer hätten dieses böse Spiel aber längst durchschaut, sagt Wimmer mit Verweis auf die sogenannte Gold-Plating-Liste. Diese wurde von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer erstellt, sie haben 489 Rechtsmaterien zusammengetragen, bei denen Österreich die EU-Mindeststandards übererfüllt.

Weiterer Sprengstoff

Dazu gehören Arbeitszeit- und Urlaubsbestimmungen ebenso wie Verbraucher- und Umweltrechtsbestimmungen, sie enthält also weiteren Sprengstoff:

  • Papierrechnungen: Der Anspruch auf kostenlose Papierrechnungen für Telekommunikationsleistungen ist Netzbetreibern wie A1 Telekom Austria ein Dorn im Auge. Detto die Universaldienstverordnung, die vorschreibt, wie viele öffentliche Fernsprecheinrichtungen pro Einwohner und Quadratkilometer der Universaldienstbetreiber, also A1, betreiben muss und wie die flächendeckende Versorgung mit Telefon zu gewährleisten ist.
  • Konsumentenschutz: Über 70 Wünsche betreffen den Verbraucherschutz. Banken wünschen sich, dass bei vorzeitiger Rückzahlung eines Verbraucherkredites das Limit für Entschädigungsforderungen der Bank fällt. Auch Verbandsklagen gemäß Konsumentenschutzgesetz gegen rechtswidrige Geschäftsbedingungen in Verbraucherverträgen könnten abgedreht werden. Bei Zahlungsdienstleistungen sollen Kunden nicht erst ab leichter Fahrlässigkeit (mit 50 Euro) haften, sondern verschuldensunabhängig.
  • Girokonto für jedermann: Die Pflicht für Banken, auch für Geringverdiener Basiskonten einzurichten, könnte reduziert werden; das Verbot der Überwälzung von Bankomatgebühren auf Endkunden wieder fallen.
  • Abfallwirtschaft: Aufzeichnungs- und Meldepflichten gehen weit über das unionsrechtlich geforderte Ausmaß hinaus und könnten im Müll landen. (red, 12.7.2018)