Dass Ludwigs erster Termin als Wiener Stadtchef just in seinem Heimatbezirk Floridsdorf über die Bühne geht, ist natürlich kein Zufall.

SPÖ Wien

Ludwig hat bereits angekündigt, vermehrt aus dem Rathaus nach draußen zu gehen und Probleme direkt mit der Bevölkerung vor Ort anzusprechen. "Ich möchte dorthin schauen, wo die Menschen nicht so zufrieden sind", sagt Ludwig.

SPÖ Wien

Wien – Es gibt Kaffee und Kipferln. Gratis. Die Passanten und Anrainer vor dem Bahnhof in Wien-Floridsdorf greifen gern zu. Verteilt werden die Goodies von zahlreichen rot gewandeten Parteifunktionären und Helfern, das SPÖ-Logo prangt auf T-Shirts, Pullovern und Regenjacken genauso wie auf der Kipferlverpackung und auf den Kaffeebechern. "Wiener Melange" steht in großen Lettern auf dem mobilen Kaffeewagen.

Der mobile Kaffeewagen der SPÖ.
krud

Und hier schließt sich der Kreis zu Michael Ludwig, der der Frühstücksverteilaktion auf dem Franz-Jonas-Platz einen Besuch abstattet und gleich zu Beginn seiner Amtszeit als Wiener Bürgermeister sorgsam auf Symbole setzt. Als "Wiener Melange" bezeichnete Ludwig etwa auch sein neues Stadtregierungsteam bei der Präsentation. Laut dem neuen Stadtchef besteht es aus bewährten politischen Kräften und neuen Köpfen, es finden sich Vertreter der zerstrittenen parteiinternen Flügel – und die Geschlechterparität blieb erhalten.

Dass Ludwigs erster Termin als Stadtchef just in seinem Heimatbezirk Floridsdorf über die Bühne geht, ist natürlich kein Zufall. Ludwig, der hier auch Bezirksparteichef ist, hat bereits angekündigt, vermehrt aus dem Rathaus nach draußen zu gehen und Probleme direkt mit der Bevölkerung vor Ort anzusprechen. "Ich möchte dorthin schauen, wo die Menschen nicht so zufrieden sind", sagt Ludwig. Ob das sein Vorgänger Michael Häupl nicht oder zu wenig getan hat? Ludwig weicht aus: "Das kann ich nicht beurteilen."

Alkoholverbot als Duftmarke

Nicht weit von hier, genau genommen drei S-Bahn-Stationen entfernt, wurde auf Drängen Ludwigs ein umstrittenes Alkoholverbot auf dem Praterstern verhängt – und noch vor seiner Kür zum Bürgermeister eine erste Duftmarke seiner Politik gesetzt. Diese Verordnung wird auch von Floridsdorfern geschätzt, die auf dem Stern umsteigen müssen. "Auf dem Praterstern ist es zu 80 Prozent besser geworden", sagt ein Passant, während er Ludwig auf dem Franz-Jonas-Platz die Hand schüttelt und ihm gratuliert.

Auch auf dem und rund um den Bahnhof in Floridsdorf wird ein Alkoholverbot diskutiert. Zuletzt forderte das auch SPÖ-Bezirksvorsteher Georg Papai. Der Praterstern, so viel wird am Freitag klar, dürfte jedenfalls nicht die einzige Alkoholverbotszone in Wien bleiben. "Überall dort, wo es Sinn ergibt, werden wir es machen", antwortete Ludwig auf eine entsprechende Frage des STANDARD. Er werde Bezirkschef Papai "unterstützen".

Evaluierung schon nach sechs Monaten

Vor weiteren Alkoholverboten sollen aber erste Ergebnisse des Pilotprojekts auf dem Praterstern abgewartet werden. Michael Häupl sagte – noch als Bürgermeister – Ende April dem STANDARD, dass das "Experiment" auf dem Praterstern "in einem Jahr evaluiert" werde. Nachfolger Ludwig geht das zu langsam: Schlüsse aus dieser Maßnahme sollen "nach dem ersten Halbjahr" gezogen werden, sagte er am Freitag.

Für mindestens ein halbes Jahr Beobachtungszeit spricht sich auch der neue Drogenkoordinator der Stadt, Ewald Lochner, aus. "Das ist eine Premiere in der Stadt, und es geht darum, Erfahrungswerte zu sammeln." Parallel zum Verbot arbeitet man bei der Suchthilfe an zusätzlichen Maßnahmen für die Zielgruppe alkoholkranke Wohnungslose. "Ohne Begleitmaßnahmen sollte man ein Verbot nicht einführen." Man arbeite deswegen daran, eine niederschwellige medizinische Infrastruktur und eine Wohnungsversorgung in der Umgebung zu garantieren, kooperiere dafür auch mit Tageszentren.

Wohin jene Menschen ausweichen, die vom Verbot auf dem Praterstern betroffen sind, könne man noch nicht sagen. "Nur weil drei oder vier Leute mit Bier auf einem Platz stehen, ist das jetzt noch keine Verdrängung." Um solche Effekte zu beschreiben, brauche es einige Monate Beobachtungszeit, sagt Lochner.

"Keine Abwanderungen" nach Floridsdorf

Laut Bezirkschef Papai ist es durch die alkoholfreie Zone auf dem Praterstern bislang "zu keinen merkbaren Abwanderungen" nach Floridsdorf gekommen. Es gebe aber jetzt schon Anrainer, die von einem "Angstraum" rund um den Bahnhof sprechen. Teilweise würden sich Mädchen von ihren Eltern vom Bahnhof abholen lassen, sagt Papai. Seit Jänner 2018 ist ein Sozialarbeiterteam vor Ort, "das wir aus dem Bezirksbudget mitbezahlen". Die Streifentätigkeit der Polizei sei verstärkt, das Licht rund um den Franz-Jonas-Platz verbessert worden.

Auf dem Praterstern kehrt Ruhe ein

Fast genau einen Monat nach dem Start des Verbots auf dem Praterstern ist die Lage vor Ort am Freitagvormittag ruhig. Drei Rumänisch sprechende Männer ziehen mit Plastiksackerln Richtung Wurstelprater, an der vorderen Seite des Bahnhofs sitzen drei Personen vor einem Bier – allerdings tun sie das im Außenbereich eines Cafés und verhalten sich somit regelkonform. "Wir merken einen großen Unterschied", erzählt die Kellnerin. Früher habe sie den ganzen Tag Betrunkene vor dem Fenster sitzen gehabt. Das gebe es nun nicht mehr. "Für die Leute hier ist das gut, die Polizei kontrolliert stark."

Wie viele Personen bereits gestraft wurden – laut Verordnung sind zwischen 70 und 700 Euro bei Missachtung des Konsumverbots fällig -, ist noch nicht bekannt. "Wir warten letzte Zahlen ab und können Mitte nächster Woche Bilanz ziehen", sagt Daniel Fürst von der Wiener Polizei.

Begleitmaßnahmen für Lobautunnel werden präsentiert

Das Thema Alkoholverbot auf öffentlichen Plätzen, das die Grünen ablehnen, ist nur ein strittiges Thema in der rot-grünen Koalition. Ein weiteres Projekt mit weit mehr politischer Sprengkraft ist der Lobautunnel. Ludwig selbst sprach nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das unter Auflagen grünes Licht für den Tunnel gab, von einem "Thema, das sehr sensibel zu behandeln" sei. In den nächsten Tagen sollen von den Grünen eingeforderte Begleitmaßnahmen zum Tunnel präsentiert werden, sagte Ludwig. Das betreffe vor allem den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel. Eine Ausweitung des Parkpickerls in der Donaustadt oder Floridsdorf, ebenfalls ein Wunsch der Grünen, ist laut Ludwig "derzeit nicht angedacht". (Lara Hagen, David Krutzler, 25.5.2018)