Die von der Regierung geplanten Deutschklassen sind höchst umstritten.

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Wien – Eine Verschiebung der Einführung der geplanten Deutschförderklassen um ein Jahr fordert die Pflichtschullehrer-Gewerkschaft. "Da personelle, infrastrukturelle und ressourcenmäßige Details nicht erklärt sind, ist ein Start mit dem Schuljahr 2018/19 aus unserer Sicht als höchst problematisch anzusehen", heißt es in deren Stellungnahme zum Begutachtungsentwurf.

Erst im Schuljahr 2016/17 starteten die derzeitigen Sprachstartgruppen und Sprachförderkursen, mit denen außerordentliche Schüler beim Spracherwerb unterstützt werden sollen. Die Erfahrungen mit dieser Regelung hätten eigentlich laut Gesetz bis Jänner 2019 evaluiert werden sollen. "Wir bedauern, dass das BMBWF entgegengesetzt dieser Bestimmung eine erneute Reform der Sprachfördermaßnahmen gesetzlich fixieren möchte, ohne die Erfahrungswerte der Expert/innen an den Schulen mit den gegenwärtigen Sprachfördermaßnahmen evaluiert zu haben", bemängeln die Personalvertreter. "Es wird dadurch auch die Autonomie an den Schulstandorten unterbunden." Die Begutachtungsfrist für den Gesetzesentwurf endet heute, Donnerstag.

Mit den Deutschförderklassen werden die bisherigen Sprachfördermaßnahmen (maximal elf Wochenstunden) ausgeweitet: Schüler, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, um dem Unterricht folgen zu können, müssen ab kommendem Schuljahr verpflichtend 15 (Volksschule) beziehungsweise 20 (Neue Mittelschule, AHS-Unterstufe) Wochenstunden eine Deutschförderklasse besuchen. Diese sogenannten außerordentlichen Schüler werden in diesen Stunden nach eigenem Lehrplan in Deutsch unterrichtet, für Gegenstände wie Zeichnen, Musik oder Turnen werden sie altersgemäß anderen Klassen zugeteilt. Eingerichtet werden Deutschförderklassen ab sechs außerordentlichen Schülern pro Schulstandort.

Ein Wechsel in die regulären Klassen ist nach jedem Semester bei entsprechenden Sprachkenntnissen möglich. Werden die erforderlichen Sprachkenntnisse in der Deutschförderklasse während des Wintersemesters erlangt, kann im darauffolgenden Sommersemester der Unterricht in der betreffenden Klasse (mit Deutschförderkurs) besucht werden. Ansonsten muss im Regelfall die Schulstufe wiederholt werden.

Drohender Bildungslaufbahnverlust

Die Pflichtschullehrer haben deshalb auch inhaltliche Bedenken. Diese Klassenwiederholungen würden zu einem Bildungslaufbahnverlust von ein bis zwei Jahren führen. Als Folge würden die betroffenen Schüler nach ihrer Aufnahme in den regulären Unterricht dann mit bis zu zwei Jahren jüngeren Kindern in einer Klasse sitzen. Weiters wird der "Qualitätsverlust" für jene Kinder bemängelt, deren Sprachkenntnisse zwar grundsätzlich vorhanden, aber verbesserungswürdig sind. Das Ausmaß für deren Sprachförderkurse würde von derzeit elf auf sechs Stunden pro Woche sinken. Weitere Probleme sieht die Gewerkschaft in der zusätzlichen Belastung für Lehrer und Schüler durch die semesterweise stattfindenden Testungen der außerordentlichen Schüler, die darüber entscheiden, ob die Kinder in eine Regelklasse wechseln dürfen.

Grundsätzlich begrüßt werden die Deutschförderklassen dagegen von der AHS-Lehrergewerkschaft. Sie kann allerdings nicht nachvollziehen, warum es nur Unterstützungsmaßnahmen für außerordentliche Schüler geben soll. "Der Prozentsatz der SchülerInnen, die als 'außerordentliche SchülerInnen' geführt werden, entspricht nur dem Bruchteil der SchülerInnen, die aufgrund ihrer Sprachprobleme in ihren schulischen Erfolgen weit (um Lernjahre!) zurückbleiben." Wolle man alle Schüler mit Deutsch-Defiziten erreichen, würde dies ein "Vielfaches der Anzahl der Klassen und Kurse" erfordern, von denen der Entwurf ausgehe. Der Großteil der Deutschförderklassen würde in Pflichtschulen – vor allem Volksschulen und Neue Mittelschulen – eingerichtet. An AHS ist die Zahl der außerordentlichen Schüler deutlich geringer.

Kaiser fordert Neuverhandlung

Der Kärntner Landeshauptmann und Bildungsreferent Peter Kaiser (SPÖ) forderte am Donnerstag neue Verhandlungen über die Deutschklassen. Man habe aufgrund der dadurch entstehenden Mehrkosten den Konsultationsmechanismus ausgelöst, teilte das Land Kärnten mit. Denselben Schritt hatte zuvor bereits Wien gesetzt.

Laut Berechnungen der Kärntner Bildungs- und der Finanzabteilung würde zusätzliches Lehrpersonal 472.720 Euro kosten. Kaiser macht auch einen erhöhten Verwaltungsaufwand für die Schulen geltend, es brauche für die neuen Deutschklassen außerdem zusätzliche Klassenräume, die oft gar nicht vorhanden seien: "Eine Umsetzung ab Start des Schuljahres 2018/19, wie im Gesetz vorgesehen, ist praktisch nicht durchführbar", so Kaiser, der auch darauf verweist, dass bestehende Klassengemeinschaften "zerrissen" würden. 860 Kinder in Kärnten seien davon betroffen. (APA, 12.4.2018)