Anderswo ist Personennahverkehr durch Privatbahnen keine Seltenheit. In Österreich stemmt sich die ÖBB dagegen.

Wien – So richtig heiß verspricht die im Juni vertagte Debatte um Ausschreibungen im öffentlichen Schienenpersonennah- und Regionalverkehr am 13. September zu werden. Da laden die Sozialdemokraten im Nationalrat zu einer "SPÖ Klub Enquete". Das spannende Thema: "Der Österreichische Weg als DAS europäische Erfolgsmodell bei der Eisenbahn".

Als Redner angekündigt sind unter anderem Verkehrsminister Jörg Leichtfried (SPÖ), Verkehrssprecher Anton Heinzl (SPÖ), Sylvia Leodolter von der Arbeiterkammer Wien und der Vorsitzende des ÖBB-Konzernbetriebsrats Roman Hebenstreit.

Man bleibt also weitgehend unter sich. Die massiv steigenden Aufwendungen des Bundes für Bahnausbau und -betrieb werden kaum Thema sein. Die im Lichte der EU-Vorschriften ab 2023 vorgesehene weitgehende Abschaffung der Direktvergabe gemeinwirtschaftlicher Verkehrsleistungen im Schienensektor wird lediglich im Sinne eines Abwehrkampfes geführt werden.

Kampagnen

Die von den Eisenbahnern dominierte Dienstleistungsgewerkschaft Vida kampagnisiert seit Monaten gegen öffentliche Ausschreibungen. Anfang August hat sie für die Sozialpartnerinitiative "Sag ja zur Bahn in Rot Weiß Rot" einen ungewöhnlichen Mitstreiter gewonnen: den Fachverband Schienenbahnen in der Wirtschaftskammer. Gemeinsam bilden sie die Arbeitsgemeinschaft "Bahn in Rot Weiß Rot". Deren zentrale Botschaft scheint dem größten Kammermitglied geschuldet, der ÖBB, fordert die Arge doch, dass auf Österreichs Bahninfrastruktur auch in Zukunft heimische Bahnen für Personenbeförderung sorgen und Wertschöpfung sowie Arbeitsplätze in Österreich erhalten werden sollen.

Vom STANDARD zu den Gründen befragt, warum der Fachverband Schienenbahnen gegen öffentliche Ausschreibungen auftritt, relativierte dessen Obmann Thomas Scheiber, im Brotberuf Prokurist der Innsbrucker Verkehrsbetriebe (IVB), seine Vorliebe für Direktvergaben an Staats- und Kommunalbetriebe wie ÖBB, Wiener Linien oder IVB: "Die Direktvergabe hat für innstädtische Verkehrsbetriebe und Nebenbahnen besondere Bedeutung. Grundsätzlich habe ich aber nichts gegen Ausschreibungen und fürchte sie auch nicht. Österreichs Firmen sind ja gut aufgestellt." Ausschreibungen sollten nur unter Bedingungen durchgeführt werden: Es sei das Bestbieterprinzip anzuwenden, Wertschöpfung und Arbeitsplätze müssten in Österreich bleiben.

"Gut vorbereiten"

Als Negativbeispiel nannte Scheiber die Graz Köflacher Bahn (GKB), die ab Dezember mit ihrem tschechischen Partner-EVU Regiojet Schnellzüge zwischen Wien und Graz betreiben will. Dass die Kammer ausländische Konkurrenz aussperren wolle, bestreitet Scheiber. Aber "Public Services", also vom Steuerzahler finanzierter Pendler- und Schülerverkehr, seien sehr sensibel. "Wir sollten das gut vorbereiten, allenfalls mit einer Strecke testen."

In diesem Punkt ist der Schienenobmann – im Gegensatz zu Vida, AK und ÖBB – nicht weit entfernt von den Vorstellungen der ÖVP, die darauf dringt, die Zehnjahrespauschalverträge für Gemeinwirtschaftliche Leistungen (GWL) zwischen Verkehrsministerium und ÖBB abzuschaffen und Ausschreibungen nach bayerischem Vorbild durchzuführen.

Dafür will ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger eine zentrale Bundesstelle einrichten, die Wettbewerb und Bundesvergabe vorbereitet und organisiert. Den Einstieg würde er mit überregionalen Eilzügen probieren – so würde der ÖBB nicht der ganze Sechs-Milliarden-Etat wegbrechen. Als Brücke für Noch-Koalitionspartner und Gewerkschaft schlägt er eine Direktvergabe für fünf Jahre vor ab 2019. Da läuft der GWL-Vertrag des Bundes aus, den die Bundesländer mit Zuzahlungen für bestimmte Züge aufstocken. "Aber es gibt nicht einmal einen Ansprechpartner bei der SPÖ. Ich höre nur, Ausschreibungen sind ein 'No-Go'." (ung, 20.8.2017)