Zum guten Miteinander tragen im Alltag vor allem Kleinigkeiten bei, ergab die Befragung.

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Herbert Ludl (Hrsg.)
Integration im Wohnbau

Verlag Birkhäuser 2017
208 Seiten, 29,95 Euro

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Integration findet statt, wo Menschen wohnen. Das Zusammenleben von Einheimischen und Zuwanderern zu fördern, ist daher eine wesentliche Aufgabe von Wohnbau, sind Experten sich einig. Gemeinnützige Wohnungsunternehmen sind dafür besonders prädestiniert. "Wohnhausanlagen können enorm viel leisten, um Integration zu erleichtern und zu beschleunigen", erklärte Herbert Ludl, Sozialbau-Chef und Herausgeber des Buches "Integration im Wohnbau" kürzlich bei dessen Präsentation. Wichtig sei, die Bewohner auch nach ihrem Einzug zu betreuen. "Denn bei vielen Investoren endet das Interesse mit Bezug des Hauses", so Ludl. Im sozialen Wohnbau sei das anders, "da beginnt in Wahrheit erst die Integrationsarbeit, jetzt lässt sich das Konzept umsetzen, das in der Planung entstanden ist".

Auf mehr als 200 Seiten dreht sich alles um das Miteinander. Herzstück des Buches ist eine aktuelle Studie, die das Zusammenleben in Anlagen der Sozialbau untersucht hat. Dafür wurden Befragungen von über 500 Personen durchgeführt. Ein Datensatz aus insgesamt 69 Wohnhausanlagen, knapp 8300 Wohnungen mit 23.500 Bewohnern stand den Studienautoren für die wissenschaftliche Auswertung zur Verfügung. Ein Ergebnis: Unter den Hauptmietern bei Erstbezug sind 83 Prozent österreichische Staatsbürger, 38 Prozent aller neuen Wohnungen werden von Bewohnern mit Migrationshintergrund (ausländische Staatsbürger und im Ausland geborene österreichische Staatsbürger) bezogen.

Überraschende Ergebnisse

Die Untersuchung brachte mitunter auch unerwartete Erkenntnisse zutage: "Die Menschen in unseren Wohnanlagen stammen aus fast 100 verschiedenen Herkunftsländern, das hat mich persönlich überrascht", so Ludl. Und, so ein Ergebnis der Studie, der Durchschnittsmieter der Sozialbau ist weiblich: "Ich hätte das nicht geglaubt."

Das Fazit der Autoren Heidrun Feigelfeld und Joachim Brech aus den Befragungen: Das Zusammenleben wird von den Bewohnern durchwegs als gut bewertet, wobei hier weniger die ethnische Zugehörigkeit eine Rolle spielt, als vielmehr die "kleinen Dinge" des Alltags im Vordergrund stehen. "Es wäre schön, wenn die öfter grüßen würden", sei etwa einer jener Sätze gewesen, den sie öfters gehört habe, berichtet Feigelfeld.

Vielen der Befragten sei wichtig, dass "die Neuen sich an unsere Regeln halten", so Feigelfeld. "So etwas sagt aber die Frisörin mit bosnischem Hintergrund. ‚Unsere Regeln‘ bedeutet die Wiener Regeln und nicht die Regeln der Österreicher – das hat nichts mit der Nationalität zu tun." Vor allem die Zuwanderer der zweiten Generation, glaubt Feigelfeld, sind für die Integration besonders wichtig: "Sie können Vorbilder sein."

Ausgewogener Mix

Großes Vorbild für das gelungene Miteinander ist bei Sozialbau das Projekt "Globaler Hof". Die Wohnhausanlage im 23. Wiener Gemeindebezirk wurde im Jahr 2000 als eine Art "Pilotprojekt" eröffnet. Im Vordergrund stand dabei die Frage, inwieweit im geförderten Wohnbau ein gedeihliches Zusammenleben eines ausgewogenen Mixes aus einheimischen und zugewanderten Bewohnern nicht nur gewährleistet, sondern auch integrative Prozesse durch eine sozial kompetente Hausbetreuung und gemeinschaftsfördernde bauliche Qualitäten angestoßen werden können. 2009 wurde das Projekt mit dem ersten Wiener Wohnbaupreis der Stadt Wien ausgezeichnet. Aus der "Mutter aller Integrationsprojekte" konnten wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse gewonnen werden, die in künftige Wohnmodelle eingeflossen sind, berichtete Sozialbau-Generaldirektor Wilhelm Zechner bei der Buchpräsentation.

Aus der Erfahrung zu lernen, scheint sich auszuzahlen. Die Studie ergab: 70 Prozent aller Befragten gaben an, gute nachbarschaftliche Kontakte im Haus zu pflegen. Das sehen Feigelfeld und Brech als wesentlichen Erfolgsfaktor für ein gedeihliches Zusammenleben. Hinzu kommt die Einrichtung von multifunktionalen Gemeinschaftsräumen zur Förderung des sozialen Miteinanders ebenso wie eine sozial engagierte Hausbetreuung. Aber es gibt auch Baustellen, so Feigelfeld: "Die Entrüsteten, die Verachtenden, die Geifernden – sie habe ich nicht gefunden, aber es gibt schon die Beunruhigten, und nicht zu wenig – die sollte man nicht alleine lassen." (bere, 8.6.2017)