Eine kubanische Boa auf der Pirsch.

Foto: Vladimir Dinets

Knoxville – Schlangen gelten im Allgemeinen als Einzelgänger, was durchaus berechtigt ist. Sie können aber auch anders: Ein Forscher der Universität Tennessee hat beobachtet, wie sich Riesenschlangen koordinieren und durch die gemeinsame Jagd ihre Chance auf Beute deutlich erhöhen.

Brisante Höhlen-WG

Kuba ist zusammen mit einigen benachbarten Inseln die Heimat der Boa-Art Chilabothrus angulifer. Zu ihren Beutetieren gehören auch Jamaika-Fruchtfledermäuse (Artibeus jamaicensis), die sich wie ihre entfernten Verwandten, die Flughunde, hauptsächlich von Früchten ernähren. Sie leben in Kolonien und nisten bevorzugt in Baumhöhlen – aber nicht nur: Vladimir Dinets von der Universität Tennessee hat eine Doline gefunden, die ebenfalls eine Fledermauskolonie beherbergt.

Die Doline ist aber auch Heimat mehrerer Boas. Dinets konnte beobachten, wie sich die bis zu zwei Meter langen Schlangen regelmäßig in der Eingangspassage zur Schlafhöhle der Fledermäuse postierten und von der Decke hängend nach den ein- und ausfliegenden Tieren schnappten.

Kein Zufall

Ein solches Verhalten kennt man bereits – neu war hier jedoch, dass es sich nicht um eine einzelne Schlange handelte, sondern dass oft mehrere gleichzeitig auf der Lauer lagen. Die Schlangen postierten sich genauso tückisch in einer Reihe quer zum Passantenstrom, wie es die Kontrollore der Wiener Linien an U-Bahn-Ausgängen tun. Und waren damit auch ähnlich erfolgreich: Während bei Einzeljagden des öfteren ins Leere geschnappt wurde, machten die Boas bei koordiniertem Vorgehen meist fette Beute.

Dinets ist sich nach seinen Beobachtungen sicher, dass es sich nicht einfach um individuelle Jagden handelt, die in räumlicher Nähe zueinander stattfinden. Wenn schon eine Schlange vor Ort war, postierten sich später eintreffende Artgenossen nämlich stets in deren Nachbarschaft, obwohl die Passage Platz genug für größere Abstände geboten hätte. Der Forscher sieht darin ein klares Anzeichen für koordiniertes Vorgehen – es wäre der erste wissenschaftlich dokumentierte Fall dieser Art bei Schlangen. (jdo, 5. 6. 2017)