Bibiána Kudziová (36) ist selbstständige Personenbetreuerin und Teamleiterin bei der Vermittlungsagentur Sensivita. Sie vertritt die Berufsgruppe in der Wirtschaftskammer, wo sie bei der Wahl 2015 für den Wiener Wirtschaftsbund kandidierte, und ist auf Facebook mit 16.000 Betreuerinnen vernetzt.

Foto: Foto Weinwurm

Bild nicht mehr verfügbar.

24-Stunden-Kräfte dürfen nur Pflegetätigkeiten übernehmen, die Ärzte oder diplomiertes Pflegepersonal an sie delegiert haben. Delegierbar ist aber längst nicht alles – Wundversorgung zum Beispiel nicht.

Foto: AP

Personenbetreuerin Bibiána Kudziová (36) arbeitet derzeit an Regeln für Agenturen, die in Österreich 24-Stunden-Kräfte vermitteln. Firmen, die sich freiwillig daran halten, sollen ein Zertifikat bekommen. So soll unter anderem Lohndumping hintangehalten werden. Eine der großen Herausforderungen für ihre Branche neben der Qualitätssicherung sind laut Kudziova Demenzerkrankungen.

STANDARD: Bei der 24-Stunden-Betreuung ist Lohndumping ein Problem. Wie wenig ist zu wenig?

Kudziová: Es gibt Betreuerinnen, die 30 Euro am Tag kosten: Da kann man nicht sicher sein, ob sie Deutsch sprechen oder Erfahrung haben. Will man eine qualifizierte Betreuerin haben, muss man mindestens 80 Euro am Tag rechnen. Es herrscht die Meinung vor, dass die Lebenskosten in der Slowakei (woher die meisten 24-Stunden-Betreuerinnen kommen, Anm.) noch niedriger sind. Das stimmt nicht mehr. Vieles ist dort teurer als in Österreich.

STANDARD: Sie erarbeiten als Berufsgruppensprecherin in der Wirtschaftskammer ein Zertifizierungsprogramm für Agenturen, die Personenbetreuerinnen vermitteln. Was haben Sie vor?

Kudziová: Wir wollen mehr Transparenz und die Einhaltung klarer Regeln. Zum Beispiel, dass die Agentur den Vertrag mit der Betreuerin schriftlich abschließen muss, dass sie Kosten transparent dargestellt und Kunden darüber informiert werden müssen, was Personenbetreuung im Unterschied zu Pflege ist. Wir sind dabei, eine neutrale Zertifizierungsstelle zu finden.

STANDARD: Sind Deutschkenntnisse von Betreuerinnen dabei Thema?

Kudziová: Bei der Zertifizierung geht es um die Vermittlungsagenturen. Aber gute Agenturen nehmen gut Deutsch sprechende Betreuerinnen.

STANDARD: Wer soll die Einhaltung der Qualitätskriterien überprüfen?

Kudziová: Es wird eine externe Überprüfungsstelle geben, die bei den Agenturen Kontrollen macht.

STANDARD: Die Volksanwaltschaft hat eine Qualitätssicherung für die 24-Stunden-Betreuung gefordert ...

Kudziová: Qualitätssicherung wovon? Kochen? Einkaufen? Putzen? Spazierengehen? Das sind die Haupttätigkeiten der 24-Stunden-Betreuung. Pflege- und Betreuungsdienste werden oft vermischt. Das fällt auf die Betreuerinnen zurück. Dann heißt es, sie sind nicht qualifiziert. Das ist aber ein freies Gewerbe. Trotzdem besuchen Betreuerinnen Weiterbildungskurse, etwa zum Thema Demenz. Die Wirtschaftskammer hat Ausbildungsakademien in Rumänien und der Slowakei gegründet.

STANDARD: Ist die Angebotslage für Kunden zu unübersichtlich?

Kudziová: Menschen, die 24-Stunden-Betreuung brauchen, werden erst aktiv, wenn es schon zu spät ist. Erst kommt der Sturz, dann drei Tage im Spital, und dann muss es ganz schnell gehen. Dann gehen Angehörige ins Internet und finden dubiose Anzeigen, die mit 29 Euro Kosten am Tag werben. Man sollte aber bei allem – nicht nur bei 24-Stunden-Betreuung – genau schauen, bevor man etwas unterschreibt. In den vergangenen zehn Jahren hat sich in dem Bereich aber viel verbessert.

STANDARD: Wohin können Betreuerinnen mit Problemen gehen?

Kudziová: Man kann sich an die Hotline der Fachgruppe der Wirtschaftskammer wenden. In Notfällen wird auch meine Nummer gern verschickt. Vor zwei Monaten rief mich eine Betreuerin aus Vorarlberg an, weil der demenzerkrankte Kunde sie um halb zwei nachts hinausgeworfen hat.

STANDARD: Welche Probleme tauchen häufig auf?

Kudziová: Wegen psychischer Krankheiten und altersbedingten Vergessens rate ich den Angehörigen, Wertgegenstände vorläufig bei sich zu verwahren, bevor die 24-Stunden-Betreuung ihre Tätigkeit aufnimmt. Wenn etwas verschwindet, taucht es zwar nach zwei Tagen wieder auf, aber die zwei Tage sind für Betreuerinnen sehr unangenehm. Das ist krankheitsbedingt oft ein Thema – auch im Heim, aber da geht die Pflegekraft abends nach Hause. Die 24-Stunden-Betreuerin lebt im gleichen Haushalt.

STANDARD: Demenz ist zunehmend ein Thema. Was bedeutet das für 24-Stunden-Betreuerinnen?

Kudziová: Da fehlt es an Unterstützung, auch für pflegende Angehörige. Ich weiß, dass die Spitäler nicht die Kapazität haben, demenzerkrankte Kunden sieben bis acht Wochen im Spital zu behalten, aber so lange braucht es, bis die Medikation wirkt. Also wird der Kunde nach einer Woche heimgeschickt – das ist eine Katastrophe. Da wird es gefährlich.

STANDARD: Die Volksanwaltschaft berichtet über Missstände in Pflegeheimen.

Kudziová: Ich will über Pflegeheime nicht schlecht reden, sie sind ein guter Platz für Menschen, die niemanden oder sonst keine Möglichkeit haben. Aber zu Hause ist zu Hause. (Gudrun Springer, 11.5.2017)